7 min
Lesezeit
Green IT: Vom Stromsparmodus zum globalen Mindset
Internationale Geschäftsbeziehungen mit Langfrist-Perspektive gestalten: Bei diesem Ziel sollte das Thema Nachhaltigkeit hohe Priorität genießen. Gut zu wissen: Auch jeder kleine Schritt trägt zu einem positiven Effekt bei und Aspekte wie verbesserte Effizienz, CO2-Vermeidung und längere Produktlebenszyklen wirken sich außerdem positiv auf die Kostenkalkulation aus. Wie eine solche Transformation gelingen kann, erläutert Harald Behnstedt, Geschäftsführer der ICP Computers for Life, die Green IT zu ihrem Markenkern macht.
- Green IT als Konzept
- Mehr als Stromsparmodus: Globale Prozesse im Blick haben
- Grüne Potenziale im internationalen Handel erkennen
- Globale Abhängigkeiten – Zwickmühle oder Chance für einen klugen Schachzug?
- Nachhaltigkeit in globalen Geschäftsbeziehungen einfordern
- Nearshoring für mehr Nachhaltigkeit?
- Mit kleinen Schritten zum großen Unterschied
- Grün und günstig?
Green IT als Konzept
Hört man von Green IT, steht oft unmittelbar die Frage im Raum: Was versteht man darunter? Der Begriff “Green IT” ist nicht eindeutig zu fassen. Oftmals wird er mit stromsparenden Computersystemen und mit vielen verschiedenen Bedeutungen verbunden, wie es zum Beispiel auch beim Begriff “Bio” der Fall ist.
Tatsächlich handelt es sich um einen Sammelbegriff für umweltverträgliche Technologie-Produkte und -Dienstleistungen mit dem Ziel, diese möglichst ressourcenschonend zu nutzen. Die Maßnahmen erstrecken sich über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts, was die Optimierung des Ressourcenverbrauchs während der Herstellung, des Betriebs und der Entsorgung der Geräte beinhaltet. Seinen Anfang nahm Green IT in den 1990er-Jahren. Die unabhängige Umweltschutzbehörde Environmental Protection Agency (EPA) führte 1992 das “Energy-Star”-Label für energiesparende Monitore und andere Geräte ein. 1993 kam der erste “Green PC” mit der Auszeichnung “Blauer Engel” auf den Markt. Seit den 2000er-Jahren gewinnt der Begriff immer mehr an Bedeutung, da sich auch Großkonzerne des Themas angenommen haben.
Mehr als Stromsparmodus: Globale Prozesse im Blick haben
Befasst man sich als Industriecomputer-Hardwarelieferant mit Green IT, stellt man schnell fest, dass es mit dem Einschalten des Stromsparmodus am PC nicht getan ist. Die Technik des Computers ist bereits heute in der Lage, in verschiedenen Betriebszuständen Strom einzusparen. Im industriellen Umfeld, in dem in der Regel Maschinen und Computer im 24/7-Betrieb laufen, hilft ein Stromsparmodus nicht. Hier kann nur eine besonders hohe Effizienz der Elektronik zu einer Verbesserung beitragen. Laufen Systeme ständig unter Hochleistung, muss die Verlustleistung der Elektronik möglichst gering sein, um neben Stromeinsparung auch Abwärme zu reduzieren. Geringe Abwärme wirkt sich maßgeblich auf die Lebensdauer des Systems aus.
Neben Produktanpassungen ist es unvermeidlich, den Blick auf seine eigene Unternehmung zu richten. Es ist notwendig, alle Prozesse im Unternehmen im Hinblick auf eine Optimierung zu beleuchten und auch externe Partner im Ausland – etwa Produktionsstätten und Lieferanten – zu sensibilisieren. Die Entwicklung, in der die Produkte hinsichtlich ihrer Lebensdauer und ihres Energieverbrauchs verbessert werden können, und den Vertrieb, der den Kunden bei der optimalen Produktkonfiguration berät. Das Marketing, das für das Herausstellen des Mehrwertes von Green IT zuständig ist, und den Einkauf, der die Wahl der Transportarten optimieren kann. Im Produktmanagement geht es um das Einbinden der Lieferanten und im After-Sales darum, die Systeme weiter am Leben erhalten zu können. Der Geschäftsleitung obliegt die Aufgabe, alle mitzunehmen – Mitarbeitende wie Stakeholder, national wie international.
Grüne Potenziale im internationalen Handel erkennen
Als Handelsunternehmen für Industriecomputer-Produkte und als Dienstleister rund um die Implementierung von Computersystemen haben wir uns für ICP das Ziel gesetzt, umfassend nachhaltig zu agieren und dabei gezielt auch unsere internationalen Geschäftspartner in diesen Prozess einzubinden.
Bei der Entwicklung unserer Umweltpolitik habe ich die Formel V3K ins Leben gerufen. Die drei Vs stehen für Vermeidung, Verlängerung und Verwertung. K steht für Kompensation. In dieser Reihenfolge können wir Prozesse oder Produkte betrachten. Können wir negative Auswirkungen auf die Umwelt vermeiden, können wir die Nutzung verlängern, können wir etwas wiederverwerten, können wir negative Umwelteinflüsse kompensieren? Ob wir nun unser Gebäude betrachten, in dem wir arbeiten oder produzieren, oder ein Produkt, ist nicht von Belang. Optimierungs- und Vermeidungspotenzial findet sich überall.
Globale Abhängigkeiten – Zwickmühle oder Chance für einen klugen Schachzug?
Woher kommen Komponenten, die wir für unsere Industriecomputer verwenden? Seit 1995 beziehen wir diese von taiwanesischen Firmen, die unter anderem in China produzieren. Der globale Handel hat dies möglich gemacht. Zwei Seiten hat diese Medaille dennoch. Eine gewisse Abhängigkeit von den asiatischen Märkten kann nicht von der Hand gewiesen werden. Betriebswirtschaftliche Gründe haben zum Offshoring geführt. Deutschland konnte sich als Standort für den weltweiten Halbleitermarkt nicht durchsetzen. Der Fertigung im asiatischen Raum konnte nichts entgegengesetzt werden. Umso mehr jedoch gilt es, diese Kooperationen so zu gestalten, dass Nachhaltigkeit darin einen möglichst großen Niederschlag findet.
Nachhaltigkeit in globalen Geschäftsbeziehungen einfordern
Der globale Handel liefert uns große Chancen, das Thema Green IT umzusetzen. Seit 1995 arbeiten wir intensiv mit Partnern wie der IEI Integration Corp. in Taiwan zusammen. Durch den engen Austausch wandern Bedürfnisse unserer Kunden in die Entwicklung neuer Produkte. So können Green-IT-Konzepte beispielsweise direkt in die Produktentwicklung in Taiwan einfließen. Kundenanforderungen, die umweltfreundliche Produkt- oder Transportverpackungen betreffen, gesetzliche Vorgaben, nachhaltige Liefermethoden, Absatzplanungen, Lagerungen, Komponentenbeschaffung und vieles mehr können in die Verhandlung mit internationalen Geschäftspartnern eingebracht und gemeinsam umgesetzt werden. Ein Beispiel: In unserem Unternehmen reduzieren wir den Ausstoß von CO2, indem wir gemeinsam mit internationalen Partnern unsere Lieferarten optimieren. Weg vom Flugzeug, mit dem derzeit höchsten CO2-Ausstoß, hin zu Bahn oder Schiff. Pro Tonne Fracht können wir so den CO2-Ausstoß von 5t auf 150 kg reduzieren. Wo der Faktor Zeit keine kritische Rolle spielt, ist diese Einsparung nicht nur umweltbewusst, sondern kann überdies auch kosteneffizient sein, wenn sich die in die Höhe geschossenen Preise in der internationalen Seefracht – wie es zu erwarten ist – wieder ein Stück weit beruhigen.
Nearshoring für mehr Nachhaltigkeit?
Near- und Re-Shoring werden uns neue Möglichkeiten geben, auf Produkte zurückzugreifen, die zu einem geringeren CO2-Fußabdruck führen können. Schon jetzt profitieren einige Branchen davon, Produktionsstandorte zu wählen, die keine weiten Lieferwege mit sich bringen. In der Halbleiterfertigung ist Europa derzeit noch wenig attraktiv. Dennoch könnte der Standort Europa auch für asiatische Firmen interessant werden, um die Halbleiterfertigung weiter zu stärken. Bis dahin bleibt es uns überlassen, das Möglichste zu tun, um auch in der Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern in Asien negative Umwelteinflüsse zu vermeiden.
Mit kleinen Schritten zum großen Unterschied
Womit fängt man an? Von heute auf morgen umstellen und “grün” sein, ist utopisch. Abzuwarten, bis eine Verordnung – etwa die nationale Umsetzung der EU-Lieferketten-Richtlinie – zur Umsetzung zwingt, hilft uns nicht weiter. Wir haben uns entschieden, schrittweise vorzugehen und mit den auffälligsten und dringlichsten Themen zu beginnen. Den aktuellen Status ermitteln, Ziele definieren, lokal und international Potenzial zur Einsparung erkennen, englischsprachige Informationsseiten für internationale Lieferketten erstellen, neue Kommunikationswege schaffen … Das Mindset baut sich von alleine auf, da sich Green IT in alle Bereiche der Firma erstreckt und der Blick auf das Tun mit der Nachhaltigkeitsbrille vieles zutage fördert, was verbessert werden kann.
Da die Klimaerwärmung omnipräsent und spürbar ist, haben wir bei ICP den Fokus auf CO2-Einsparung gelegt. Wir erfassen unseren CO2-Fußabdruck, bei dem uns das Ecocockpit der IHK unterstützt, und wollen so weitere Anhaltspunkte erhalten, um unseren CO2-Ausstoß in Zukunft weiter zu verringern. Parallel dazu sollen erweiterte Anforderungen im Produktmanagement dazu beitragen, unnötigen CO2-Ausstoß zu vermeiden. Eine kleine Optimierung unseres Portfolios zeigt dabei bereits auf dem Papier große Auswirkungen. Bei unseren Green-IT-Produkten wurde die Beschaffungsmethodik angepasst, um den Transport klimaneutral zu gestalten. die Umschichtung unseres internationalen Handelsvolumens von Luftfracht auf Seefracht führt zu einer Reduktion des CO2-Ausstoßes von 97 Prozent, die restlichen drei Prozent werden durch Moorzertifikate kompensiert. Die Lieferung an den Kunden erfolgt mit Dienstleistern, die klimaneutral zustellen.
Grün und günstig?
Im Hinblick auf langfristige internationale Geschäftsbeziehungen ist das Anpassen von Transport- und Produktionsbedingungen unter Nachhaltigkeitsaspekten aus unserer Sicht der wichtigste Schritt für jedes international agierende umweltbewusste Unternehmen. Darüber hinaus kann man viele kleine Schritte gehen, um einen positiven Effekt zu erzielen. Nicht zu vergessen ist dabei: Aspekte wie verbesserte Effizienz, Energieeinsparung, reduzierter Verlust durch Abwärme, CO2-Vermeidung und längere Produktlebenszyklen wirken sich außerdem positiv auf die Kostenkalkulation aus, was angesichts aktueller Preissteigerungen etwas beim Strom große Auswirkungen haben kann.
Harald Behnstedt, Geschäftsführer, ICP Computers for Life, www.green-industrial.com
Kontakt
Dorothee Minne