EU-Lieferkettengesetz

EU-Richtlinie zu Lieferketten wird konkretisiert

In Deutschland stellt das Lieferkettensorgfaltspflichtengsetz ab 2023 verbindliche Sorgfalts- und Handlungspflichten für deutsche Unternehmen auf. Die entsprechende europäische Regelung ist seit Langem gefordert und nimmt nun konkrete Gestalt an.

Der lange Weg zum Entwurf

Seit 2020 steht die Erarbeitung eines EU-Lieferkettengesetzes, wie es vor allem Deutschland und Frankreich in nationaler Fassung kennen, auf der Agenda der EU-Kommission. Im letzten Jahr wurde die angekündigte Veröffentlichung eines entsprechenden Entwurfs insgesamt dreimal ohne Angabe von Gründen verschoben, zuletzt im Dezember 2021.
Dabei beschäftigt die Debatte um die Sicherstellung internationaler Menschenrechts- und Umweltstandards durch Unternehmen den europäischen Gesetzgeber schon länger. In einer 2020 von der Kommission vorgestellten Studie sprach sich die Mehrheit der Befragten für eine branchenübergreifende, europäische Regelung unternehmerischer Sorgfaltspflichten aus. Gleichzeitig gab nur ein Drittel an, entsprechende Maßnahmen freiwillig zu ergreifen. Die Kommission kündigte hierauf an, entsprechend gesetzgeberisch tätig werden zu wollen. Unabhängig davon forderte das EU-Parlament die Kommission im März 2021 zur Ausarbeitung eines Vorschlags für ein europäisches Lieferkettengesetz auf.

Richtlinienentwurf schließt zivilrechtliche Haftung ein

Fast zwei Jahre später, am 23. Februar 2022, präsentierte die Kommission den lang erwarteten Richtlinienentwurf. Ein erster Blick zeigt, dass dieser deutlich weiter geht als das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Insbesondere sieht er eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen vor und stellt umfassende Anforderungen an deren Strategie zur Einhaltung der auferlegten Sorgfaltspflichten, welche sich auf die gesamte Wertschöpfungskette erstrecken. Betroffen werden - unabhängig von ihrem Sitz - Unternehmen ab 500 Beschäftigten und einem Mindestumsatz von 150 Millionen Euro sein, sowie Unternehmen ab 250 Beschäftigten und einem Mindestumsatz von 40 Millionen Euro, wenn sie in Branchen mit „hohem Schadenspotenzial“, zum Beispiel die Textilindustrie, tätig sind.
Der Entwurf ist als Richtlinie vorgesehen, welche nicht unmittelbar gilt, sondern von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umzusetzen ist. Dabei ist es durchaus möglich, dass es zu unterschiedlichen Regelungen innerhalb Europas kommt. Der Vorschlag muss nun vom EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten im Ministerrat angenommen werden, sodass abzuwarten bleibt, ob und wann er europaweit verbindlich wird.

DIHK-Vizepräsidentin Marjoke Breuning begrüßt den Vorschlag, äußert aber Kritik an der Form der EU-Richtlinie

In einer Pressemeldung des BWIHK äußert sich Marjoke Breuning wie folgt zu dem Entwurf: „Da der Vorschlag der Europäischen Kommission grundsätzlich in seiner Zielsetzung überzeugt, geht es uns darum, diesen Vorschlag mitzugestalten. Der Entwurf der EU-Kommission für eine EU-weite Lieferkettenrichtlinie geht deutlich über das in Deutschland beschlossene Gesetz zur Lieferkettensorgfaltspflicht hinaus. Die EU-Regelung sieht eine Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette und eine zivilrechtliche Haftung vor. Unternehmen haften demnach nicht nur für direkte Vertragspartner, sondern indirekt auch für deren Zulieferer. Die Möglichkeiten der Unternehmen sind hier begrenzt. Und die Kontrolle wird umso schwieriger, je weiter man in der Lieferkette zurückgeht“, so Marjoke Breuning, Vizepräsidentin des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK) und Präsidentin der IHK Region Stuttgart, der im BWIHK für Rechtsfragen zuständigen IHK. Breuning weiter: „Die bürokratischen und rechtlichen Konsequenzen bei der Verletzung von Sorgfaltspflichten in Lieferketten fallen damit wesentlich umfangreicher aus als von vielen Unternehmen erwartet.“
Um das angestrebte Level Playing Field zu erreichen, ist eine Verordnung notwendig. Eine EU-Richtlinie ist nicht geeignet.

Marjoke Breuning

„Positiv zu beurteilen ist“, so die BWIHK-Vizepräsidentin, „dass die EU-Regelung auch Unternehmen einschließt, die in Europa zwar wirtschaftlich tätig sind, hier aber keinen Sitz haben. Dadurch wird vermieden, dass europäischen Unternehmen ein Wettbewerbsnachteil entsteht. Um jedoch Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt auszuschließen und das angestrebte Level Playing Field zu erreichen, ist eine Verordnung notwendig und eine EU-Richtlinie nicht geeignet. Letztere führt regelmäßig zu unterschiedlichen Umsetzungen in nationales Recht zwischen den EU-Staaten und der Vorschlag der EU-Kommission fördert damit allein den europäischen Flickenteppich.“
Dennoch sei es wichtig, die Anforderungen nicht nur als Bürde, sondern als Chance zu begreifen. Wer dadurch seine Reputation stärke, könne das erfolgreich in der Akquise einsetzen. Da die EU-Mitgliedsstaaten und das Europa-Parlament dem Vorschlag noch zustimmen müssten, ehe er in der EU umgesetzt werde, gehe die Diskussion um den Entwurf jetzt erst so richtig los, betont Breuning abschließend.

Weiterführende Informationen

Den Entwurf der EU-Kommisson können Sie hier als PDF nachlesen. Begleitend dazu werden häufig gestellte Fragen in diesem FAQ beantwortet, ein kurzes Factsheet gibt einen Überblick.
Den Entwurf zur Änderung der CSR-Richtlinie finden Sie hier zum Nachlesen, weiterhin hat die EU-Kommission ihren Entwurf für eine Entwaldungsfreie-Produkte-Verordnung zusammengestellt.
Weitere Informationen zum geplanten deutschen Lieferkettengesetz sowie Hintergründe und Wissenswertes zum Thema Lieferketten finden Sie auf unserer Themenseite Internationale Lieferketten
Rebecca Schüssler, IHK Region Stuttgart