Lateinamerika, Teil 2

Doing Business in Brazil

Das Jahr 2023 könnte für die brasilianische Wirtschaft zum Jahr der vielen Neuerungen erklärt werden. Es begann in Brasilien mit dem neuen Präsidenten, Luiz Inácio Lula da Silva, der mit seinem Reformvorhaben die internationale Aufmerksamkeit auf sich und Brasilien zog. Auch das ganze Jahr hindurch blieb Brasilien auf der internationalen Bühne präsent. Dies ist der aktiven Wiederöffnung für internationale Wirtschaftsbeziehungen und den zahlreichen Reformen zu verdanken, die nach jahrelangem Stillstand zügig verabschiedet wurden.

Rückblick 2023

Schon Anfang des Jahres hat Brasilien die Verhandlungen für den Abschluss eines Handelsabkommens zwischen den Mercosur-Staaten und der EU wieder ermöglicht, nachdem diese unter dem vergangenen Präsidenten auf Eis gelegt wurden.
Nach fast 30 Jahren Verhandlungen wurde am 7. Juli 2023 eine umfangreiche Steuerreform von der Abgeordnetenkammer (Câmara dos Deputados) verabschiedet, die das brasilianische Steuersystem radikal verändern wird. Nicht zuletzt standen die Klimaschutzziele schon vor den Wahlen auf der Agenda des neuen Präsidenten. Aufgrund der Machtverhältnisse im Kongress wurden diese jedoch noch nicht umgesetzt.
Insgesamt hatte das positive Veränderungsklima im Land auch eine positive Wirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung. Sowohl die nationalen als auch die internationalen Institutionen haben für Ende 2023 einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um real 2,3 Prozent angekündigt; mehr noch als zu Beginn des Jahres erwartet. Dieses Wachstum wurde fast ausschließlich vom Agrarsektor getragen. Das Agribusiness ist in der Tat die treibende Kraft der brasilianischen Wirtschaft. Brasilien bietet als potentieller Auslandsmarkt jedoch auch eine sehr diversifizierte Branchenstruktur, die vielfältige Geschäftschancen für deutsche Unternehmen bietet.

Staatliches Investitionsprogramm für viele Branchen

Die Nachhaltigkeitswende ist in Brasilien nun spürbar. Im August wurde ein umfangreiches Investitionsprogramm von circa 320 Milliarden Euro vorgestellt, wovon die Bereiche der Abfallbehandlung, Wasserversorgung, Verkehrsinfrastruktur und Energieerzeugung in den kommenden Jahren profitieren sollen.

Produktion von erneuerbaren Energien

Vor allem spielen die erneuerbaren Ressourcen eine wichtige Rolle bei der Energieversorgung. Rund 70 Prozent des brasilianischen Stroms werden bereits aus der Wasserkraft erzeugt., Brasilien hat in den letzten Jahren jedoch auch viel in Offshore- und Onshore-Windkraftanlagen im Norden und Nordosten des Landes sowie in die Installation von Solaranlagen investiert. Es bestehen deshalb gute Voraussetzungen für die Produktion von grünem Wasserstoff. Für Solaranlagen, Offshore-Windkraftanlagen und Biogasanlagen gibt es hier vor allem Bedarf an Ausrüstungen aus dem Ausland.
Auf dem Strommarkt führt die Diversifizierung und Liberalisierung ebenso zu Investitionsbedarf, wobei deutsche Anbieter auf dem freien Markt für Privatverbraucher gute Chancen haben.

Nachholbedarf im Bereich Bau und Infrastruktur

Im Bereich Bau hat Brasilien großen Nachholbedarf im Wohnungsbau sowie in der Verbesserung der Abfall- und Wasserwirtschaft. In diesen Bereichen wurde ein Investitionsprogramm angekündigt. Durch eine deutliche Zunahme an privaten Investoren haben deutsche Unternehmen gute Chancen, sich an Bauprojekten auch im Bereich der Verkehrs-, Hafen- und Flughafeninfrastruktur zu beteiligen.
Marktchancen bestehen außerdem bei der Zulieferung von Bau- und Bergbaumaschinen und im Consulting für den Infrastrukturbereich.

Wachstumsbranchen: Agribusiness und technologiegetriebene Branchen

Allen voran zählt zu den Wachstumsbranchen die Landwirtschaft beziehungsweise das Agribusiness. Brasilien hat hier Zuliefererbedarf aus verschiedenen Branchen, von Produkten aus dem Maschinenbau bis zu Agrarchemikalien. Die zunehmende Digitalisierung der Landwirtschaft spielt dabei eine zentrale Rolle und erhöht die Nachfrage nach Smart Farming-Technologien und -Lösungen.
Neben den genannten Branchenschwerpunkten bietet Brasilien viele weitere interessante Geschäfts- und Kooperationsmöglichkeiten für baden-württembergische Unternehmen, zum Beispiel bei der Bereitstellung von Technologien für Wasserstoffprojekte, bei der Ausstattung des Gesundheitswesens mit Medizintechnik und bei Digitalisierungsvorhaben in mehreren Branchen.
Sektoren wie die Nahrungsmittel-, Getränke- und Pharmaindustrie profitieren schon heute von einem wachsenden Inlandsmarkt und werden auch in Zukunft Investitionsbedarf in der Digitalisierung haben.
In Brasilien sind nur rund 30 Prozent der Unternehmen digitalisiert und automatisiert und auf entsprechende Nachrüstungen angewiesen.

Wichtig für erfolgreiche Geschäfte: Small Talk und Networking

Obwohl deutsche Firmen seit Jahrzehnten Handel mit brasilianischen Unternehmen treiben, unterscheiden sich die deutsche und die brasilianische Geschäftskultur stark voneinander: Geschäfte werden in Brasilien in erster Linie nicht zwischen Unternehmen, sondern zwischen Menschen gemacht: Die Beziehung zum Geschäftspartner steht über dem eigentlichen Vorhaben.
Brasilianer sind in der Regel sehr offen und freundlich, haben eine lebhafte Körpersprache und zeigen auch im Geschäftsleben positive Emotionen, um den potenziellen Kooperationspartner zu überzeugen. Kritik wird in Brasilien sehr selten direkt geäußert und ein direkt ausgesprochenes „Nein“ könnte die aufgebaute Geschäftsbeziehung beschädigen. Es empfiehlt sich daher, direkte Kritik zu vermeiden oder diese zurückhaltend zu kommunizieren.
Verhandlungen und geschäftliche Entscheidungen werden oft bei einem Mittag- oder Abendessen getroffen oder nach einem ausgiebigen Smalltalk. Ziel dabei ist es, sich näher zu kommen und besser kennenzulernen. Der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses trägt zur positiven Geschäftsentwicklung bei .Small Talk und Networking spielen daher in Brasilien eine wichtige Rolle für erfolgreiche Projektabschlüsse.
Aus diesem Grund und aufgrund weiterer kultureller Unterschiede ist es für eine Geschäftsanbahnung mehr als empfehlenswert, sich vor Ort ein Bild von den Gegebenheiten zu machen und in direkten Kontakt mit potenziellen Geschäftspartnern zu treten. Diese Chance können Sie bald ergreifen während unserer geplanten Unternehmensreise im Frühjahr 2024.

Brasilien näherkommen: Geschäftsanbahnungsreise vom 20. bis 24. Mai 2024 nach São Paulo

Im Rahmen einer fünftägigen geförderten Unternehmerreise nach São Paulo, vom 20. bis 24. Mai 2024, haben baden- württembergische Unternehmen aus verschiedenen Branchen die Möglichkeit, die Marktbedingungen vor Ort kennenzulernen.
São Paulo ist der größte industrielle Ballungsraum Lateinamerikas und gilt als größter deutscher Wirtschaftsstandort außerhalb Deutschlands. Daher bietet São Paulo gute Geschäftschancen für alle möglichen Branchen.
Wissenstransfer ermöglichen und B2B- Kontakte initiieren
Je nach Interessensschwerpunkten können teilnehmende Unternehmen gezielt mit passenden Akteuren über eine organisierte Kooperationsbörse vernetzt werden, um im brasilianischen Markt Fuß zu fassen. Dabei bietet sich an, Kontakte mit brasilianischen Firmen, mit in Brasilien aktiven deutschen Unternehmen sowie mit Wirtschaftsverbänden aufzunehmen.
Der Mehrwert der Unternehmerreise liegt nicht nur auf gezielten B2B-Kontakten mit möglichen Geschäfts- und Kooperationsmöglichkeiten vor Ort, sondern gleichermaßen auf einem qualitativem Wissenszuwachs für Unternehmen, die in Brasilien aktiv werden möchten und sich dabei umfassend über alle Chancen, Risiken und landesspezifischen Besonderheiten aus eigener Erfahrung informieren möchten.
Fulvia Scarioni, IHK Region Stuttgart
Informationen zum Reiseprogramm sowie die Teilnahmekonditionen finden Sie auf der Webseite der IHK-Exportakademie.