Europäische Wirtschaftspolitik

Der Green Deal Industrial Plan

Der Green Deal als Europas Antwort auf den amerikanischen Inflation Reduction Act


Die globale Zeitenwende zu einer grünen Industriepolitik ist im vollen Gange. Die größten Volkswirtschaften der Welt investieren massiv in saubere Technologien. Dabei steht im Focus, mehr im Kampf gegen die Klimakrise zu tun. Gleichzeitig soll der eigene Wirtschaftsstandort fit für die Zukunft gemacht werden.
Die Vereinigten Staaten stechen mit dem „Inflation Reduction Act“ (IRA), einem milliardenschweren Investitionsprogramm für die heimische GreenTech Industrie, besonders hervor. Aus Sorge vor Wettbewerbsnachteilen für den Standort Europa hat die EU-Kommission mit dem „Green Deal Industrial Plan for the Net-Zero Age“ (Europäischer Green Deal) im Frühjahr 2023 ein eigenes Förderprogramm vorgestellt. Nicht nur sollen grüne Technologien gefördert werden, gleichzeitig steht das Ziel im Raum, den Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften und kritischen Rohstoffen zu sichern. Hierzu sieht der Europäische Green Deal im Wesentlichen die Zusammenfassung mehrerer bestehender EU-Vorhaben vor, die durch einzelne Initiativen erweitert werden sollen.

Weniger Bürokratie – mehr Förderung


Die Europäer wollen vor allem die Planungssicherheit der eigenen GreenTech Unternehmen erhöhen. Dafür sollen die regulatorischen Anforderungen für Produkte, die für die Erreichung der europäischen Klimaziele notwendig sind, verschlankt und so der gesamte Genehmigungsprozess beschleunigt werden. Hierzu zählen Batterien, Windkraftanlagen, Solarzellen und Wärmepumpen, aber auch Technologien zur Speicherung von CO2-Emissionen. Neben festen Zeitlimits für die Genehmigung der Produktion ist geplant, dass Unternehmen alle notwendigen bürokratischen Schritte bei einer einzigen Stelle, sog. „One-Stop-Shops“, durchführen können.
Der GreenTech-Sektor soll außerdem leichter an öffentliche Finanzierungsmittel kommen. Konkret sollen die Mitgliedsstaaten flexibler Fördermittel an relevante Unternehmen verteilen können. Die EU-Kommission schlägt zudem Maßnahmen zur Identifizierung sogenannter „Net-Zero-Wertschöpfungsketten“ vor. Diese sollen in Zukunft von beschleunigten Genehmigungs- und Finanzierungsprozessen profitieren.


Neue Werkzeuge für ein wettbewerbsfähiges Europa


Nur mit qualifiziertem Personal kann der GreenTech-Sektor nachhaltig wachsen. Hierzu sollen Arbeitnehmer in sogenannten „Net-Zero-Industrie-Akademien“ gezielt aus- und weitergebildet werden können. Für qualifizierte Arbeitnehmer von außerhalb der EU soll es gleichzeitig leichter werden, Zugang zum Arbeitsmarkt in den relevanten Branchen zu bekommen.
Europäische Unternehmen brauchen für den Ausbau ihres GreenTech-Geschäfts zudem Rohstoffe und mithin zuverlässige Lieferketten. Zu diesem Zweck möchte die EU-Kommission gemeinsam mit den Produktionsländern einen „Critical Raw Materials Club“ aufbauen. Dieser Club für kritische Rohstoffe soll europäischen Unternehmen langfristig Zugang zu begehrten Ressourcen wie beispielsweise seltenen Erden ermöglichen. Gleichzeitig sollen durch den Abschluss neuer Freihandelsabkommen mit strategischen Handelspartnern wie Mercosur, Chile oder Mexiko neue Absatzmärkte für grüne Technologien geschaffen werden.

Ist der europäische Green Deal die richtige Antwort auf den IRA?

Die EU setzt große Hoffnungen in den europäischen Green Deal. Nicht nur soll er die europäische
GreenTech-Industrie gegen die ausländische Konkurrenz stärken, sondern auch für ein nachhaltiges und langfristig klimaneutrales Wachstum auf dem gesamten Kontinent sorgen. Ob das Kommissions-Vorhaben diese Erwartungen erfüllen kann, ist derzeit nur schwer zu beurteilen, denn der Plan ist bisher weder besonders konkret noch verbindlich.

Der Erfolg hängt von der Umsetzung ab


Wie erfolgreich der europäische Plan sein wird, hängt davon ab, wie die einzelnen Maßnahmen umgesetzt werden. Dabei ist es besonders wichtig, die kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) nicht aus dem Blick zu verlieren. Sie tragen mehr als die Hälfte zur Wirtschaftsleistung in der EU bei - in Deutschland sind es gar beachtliche 82 Prozent. Außerdem können KMU als Innovationsmotor eine wichtige Rolle beim Aufbau der europäischen Net-Zero-Industrie spielen. Vor diesem Hintergrund ist es besonders zu begrüßen, dass bürokratische Hürden abgebaut werden sollen, die bislang oft abschre-ckend wirkten. Auch bei der Vergabe von Beihilfen sollte ein besonderer Fokus auf KMU gelegt werden, um eine Monopolisierung des GreenTech-Sektors zu vermeiden und einen konkurrenzfähigen und innovativen Wettbewerb zu fördern.


Subventionswettlauf oder Neuaufstellung der europäischen Wirtschaftspolitik?


Fraglich bleibt, ob es für die deutsche Wirtschaft förderlich ist, sich mit den USA auf einen Subventionswettlauf einzulassen. Denn einerseits können die von der US-Regierung zur Verfügung gestellten Gelder wie oben beschrieben auch als Chance für deutsche Unternehmen und sogar für den globalen Klimaschutz verstanden werden. Der IRA kann darüber hinaus aber auch als notwendiger Anstoß für eine Neujustierung der europäischen Wirtschaftspolitik verstanden werden. Statt den Handel weiter einzu-schränken und europäische Unternehmen durch immer neue Aufzeichnungs- und Informationspflichten zu belasten, müssen die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln verbessert werden.
Über den GreenTech-Sektor hinaus sind dringend Schritte notwendig, um bürokratische Hürden in Europa zu beseitigen und durch einfachere Genehmigungsverfahren Innovationsprozesse anzustoßen. Standortfaktoren wie Steuern, Bildung und Infrastruktur sollten verbessert werden. Daneben sollten gezielt Investitionsanreize in wichtigen Branchen gesetzt werden. Vor allem sollte sich die EU für eine Öffnung des IRA für europäische Unternehmen einsetzen und trotz der zu erwartenden Widerstände einen neuen Anlauf für ein transatlantisches Freihandelsabkommen wagen.
Unabhängig davon, für welchen Weg sich die EU letztlich entscheidet: Betroffene Unternehmen müssen in diesen Zeiten ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklungen rund um IRA und Green Deal haben. Nur so sind sie in der Lage, sich rechtzeitig auf die kommenden Herausforderungen vorzubereiten und die sich ihnen bietenden Potentiale zu nutzen.
Dagmar Jost, Länderreferentin Nordamerika, Großbritannien, Irland;
Tim Hagemann, Stabsstelle Internationales Wirtschaftsrecht;
IHK Region Stuttgart