Pressemitteilung vom 19.12.2023

IHK-Mittelständler: Bürokratieabbau ist ein Standortfaktor

Die IHK-Bezirksversammlung Göppingen hat sich in ihrer Jahresabschlusssitzung mit dem aktuellen Thema Bürokratieabbau als Schwerpunkt befasst.
Zunächst stellte IHK-Chefjustitiar Dr. Andreas Kiontke den neuen Bürokratie-Check der IHK Region Stuttgart für Unternehmen vor. Dieser pilotiert aktuell ein eigens geschaffenes Tool, das künstliche Intelligenz zur schnelleren Auswertung der Fälle nutzt, um systematische Lösungsvorschläge zu entwickeln. Gastreferent Prof. Dr. Frank Kupferschmidt von der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen aus Ludwigsburg analysierte anschließend die Ursachen steigender Bürokratie. Seit 2020 gab es bei den Unternehmen einen sprunghaften Anstieg des laufenden Erfüllungsaufwands neuer Gesetze in Milliardenhöhe. Für die dringend notwendige Reduzierung der Bürokratie gehe es jetzt nicht nur um die Glaubwürdigkeit von Politik. Auch seien konkrete Vorschläge aus der Wirtschaft hilfreich. In einem anschließenden Workshop erarbeiteten die IHK-Mittelständler dafür konkrete Beispiele. Der ausufernde Wunsch nach Absicherung bei Entscheidungen in der Verwaltung sei ein großes Problem. Es fehle zudem am „Mindset“ für ein mutiges und wirtschaftsfreundliches Vorgehen in den Behörden. Unternehmer aus der Region Stuttgart können ab sofort eigene Bürokratieerfahrungen formlos und unkompliziert unter der Emailadresse buerokratieabbau@stuttgart.ihk.de melden.

Kupferschmidt bestätigte in seinem Vortrag, dass die Sorge vor Rechtsstreitigkeiten und das Bestreben nach der Gerichtsfestigkeit des Verwaltungshandelns zu einer überbordenden Absicherung führe. Die Normenkontrollräte auf Bundes- und Landesebene seien daher essenziell. Sie können Vorschläge aus der Wirtschaft zum Bürokratieabbau mit hinreichender Bestimmtheit, Realisierbarkeit und Reichweite sowie mit Perspektive zur Umsetzung bündeln. Bei der Politik bedürfe es eines klaren Willens, sich auf Ziele zum Bürokratieabbau zu verpflichten. Kupferschmidt plädierte zudem für mehr Anstrengungen zum Bürokratieabbau auf EU-Ebene.

Wie konkret die Unternehmen im Landkreis Göppingen von der überbordenden Bürokratie betroffen sind, wurde in dem anschließenden Workshop deutlich. So führe die Absicherungsmentalität des Gesetzgebers aus Sicht der Industrie zu unverhältnismäßigen Dokumentationspflichten und zunehmenden Sicherheits- und Beratungsvorschriften. Die damit verbundene Kosten-Nutzen-Relation zu Ungunsten der Unternehmen müsse durch eine konsequente Digitalisierung der Verwaltungen reduziert werden. Auf besonderes Unverständnis stoßen dabei Datenmeldungen an Behörden, die bereits an anderer Stelle erhoben wurden. Für den Handel werde es aufgrund gesetzlicher Schutzvorschriften zunehmend schwerer bis unmöglich, Kunden über Angebote zu informieren. Aus Nachhaltigkeitsgründen würde Papierwerbung zwar abgeschafft, für digitale Werbung benötige man aber die Daten sowie das Einverständnis der Empfänger. Am Ende nütze das weder dem Handel noch den Kunden, so die Unternehmer. In der Gesundheitswirtschaft zeige schon der enthaltene Anteil des Verwaltungsaufwands von 40 bis 60 Prozent bei den medizinischen Leistungen eine enorme Bürokratiebelastung. Die Finanzwirtschaft ist ebenso im hohen Maße von Regulierungen betroffen. So müssten kleine Banken und Finanzinstitute weitgehend die gleichen strengen Vorgaben wie Großbanken umsetzen, allerdings mit weniger Personalstärke. Die Bankenvertreter berichteten, dass die Kontrolle gesetzlicher Vorgaben, mit denen Kunden zu mehr Nachhaltigkeit angehalten werden sollen, nun den Banken auferlegt würden. Die Dichte an Regelungen im Güterverkehr und deren stetige Zunahme, ohne veraltete Regelungen aufzuheben, lähmen zusehends auch die Logistik im Land. Hinzu kommen lange Reaktionszeiten der Behörden bei den Erlaubnisverfahren. Aus der IHK-Dienstleistungsbranche wurde berichtet, dass bis heute bei der Sozialversicherungsprüfung keine digitale Zeiterfassung akzeptiert werde, obwohl diese in fast allen Unternehmen zum Standard gehöre. Ein weiteres Beispiel war die Anwendung einer Werbevorschrift für Busse des ÖPNVs. Nach dieser Regelung dürfen Fahrzeuge wegen der Aussicht für Fahrgäste nur zehn Prozent der Fensterflächen mit Werbung bekleben. Die Bürokratie wende diese Regel mittlerweile auch bei Neufahrzeugen mit deutlich vergrößerten Fensterflächen an, auch wenn durch die Glasflächen niemand durchschauen könne, der im Bus sitze oder stehe. Das führe zu Einnahmeverlusten bei den Busunternehmen und damit faktisch zur Erhöhung der ÖPNV-Kosten, da die so minimierte Werbefläche für Werbetreibende unattraktiv sei.