Aktuelle Zahlen
Einzelhandel im Landkreis Böblingen
Der Landkreis Böblingen überzeugt mit viel Kaufkraft für den Einzelhandel, aber Innenstädte und Ortskerne stehen unter immer größerem Druck.
Der Landkreis Böblingen schneidet unter den Landkreisen der Region Stuttgart besonders gut ab, wenn es um die Kaufkraft im Einzelhandel geht. Wie eine Untersuchung der IHK- Bezirkskammer Böblingen ergab, sind die Bewohner des Landkreises überdurchschnittlich wohlhabend.
Insgesamt verfügen sie im Jahr 2023 über etwa 3,3 Milliarden Euro an einzelhandelsrelevanter Kaufkraft, das entspricht einem Siebtel der regionalen bzw. knapp vier Prozent des landesweiten Nachfragepotenzials. Pro Einwohner bedeutet das 8.256 Euro, womit der Landkreis in der Region Stuttgart bei diesem Kriterium auf dem ersten Platz liegt – vor der Landeshauptstadt und den Landkreisen Ludwigsburg und Esslingen.
„Die Kaufkraft im Landkreis Böblingen ist vergleichsweise stark“, sagt Marion Oker, Leitende Geschäftsführerin der IHK- Bezirkskammer Böblingen. „Die Wirtschaft ist erfolgreich und die Einwohner verdienen gut, weshalb sie auch mehr Geld im Einzelhandel ausgeben können als in den meisten Kreisen Deutschlands. Von den über 400 Stadt- und Landkreisen der Republik liegt unser Landkreis immerhin auf Rang 18; in Baden- Württemberg sind nur die Einwohner des Landkreises Lörrach und Baden-Badens wohlhabender“, erläutert Oker weiter. Trotzdem bedeute dies nicht volle Kassen im örtlichen Einzelhandel, stellt die Leitende Geschäftsführerin klar. Der innerörtliche Handel hätte sich schon vor der Pandemie zwischen peripheren Lagen und dem Internet in Bedrängnis befunden und wäre dann durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die Folgen des Ukraine-Krieges in noch größere Nöte geraten. Denn ein gutes Potenzial für Handelsunternehmen bewahre sie nicht vor dem schon vor den Corona-Schließungen erkennbaren Trend zum Online-Handel. Und dies habe sich dann noch dramatisch verschärft. Die Folge seien zunehmend Geschäftsaufgaben und Leerstände auch in den Kernlagen. Das Problem vieler inhabergeführten Betriebe, Nachfolger zu finden, sei ebenfalls zu größeren Teilen diesem Umstand geschuldet. Der Ukraine-Krieg mit den Störungen der Lieferketten, den Unsicherheiten in der Energieversorgung und der Inflation hätte ein Übriges getan. Die Kunden seien verunsichert und hielten ihr Geld zurück.
Oker fügt hinzu: „Eine große Kaufkraft ist das eine; wichtig ist aber, dass das Geld auch im lokalen Einzelhandel ankommt. Konkrete Herausforderungen jedoch gilt es beinahe überall anzugehen. Die IHK wird dazu bis Ende 2024 vom Land geförderte Innenstadtberater einsetzen können, um mittelgroße Kommunen bei der Bewältigung dieser Herausforderungen zu unterstützen. Alle Akteure müssen gemeinsam die Ärmel hochkrempeln und mit anpacken, damit unsere Innenstädte weiter attraktiv bleiben.“ Ihre Aussage ergänzt sie um einen weiteren Aspekt: „Wichtig scheint uns auch die Erfahrung, dass Unternehmen, die bereits in einem relevanten Maß digitalisiert sind, leichter durch die Krise kommen. Auch hierbei unterstützt die IHK!“
In allen 26 Gemeinden liegt die einzelhandelsrelevante Kaufkraft pro Einwohner über dem Bundesdurchschnitt von 7.463 Euro. Ehningen liegt dabei mit 8.906 Euro um fast 20 Prozent darüber, Leonberg und Grafenau folgen. Selbst das Schlusslicht Mötzingen liegt mit 7.546 Euro über dem Bundeswert.
Die stationären Einzelhändler im Kreis verbuchen insgesamt gut 2,6 Milliarden Euro an Umsatz, pro Einwohner entspricht das mit 6.552 Euro gut vier Prozent mehr als im Durchschnitt Deutschlands. In der Region liegt bei diesem Merkmal nur die Landeshauptstadt vor dem Landkreis Böblingen.
Auf kommunaler Ebene kann sich Sindelfingen den Spitzenplatz sichern. Über 730 Millionen Euro klingeln dort in den Kassen der Händler. Auch bei den Pro-Kopf-Werten liegt Sindelfingen vorn: 11.176 Euro bedeuten 78 Prozent über dem Bundeswert. Es folgen Jettingen mit über 10.500 Euro und Böblingen mit gut 9.000 Euro pro Einwohner. Verantwortlich sind dafür vor allem großflächige Einzelhandelsbetriebe - allesamt nicht in den Innenstädten, sondern außerhalb in Gewerbegebieten. Sie ziehen Kaufkraft von anderen Gemeinden und den eigenen Innenstädten ab. In vielen Kommunen ist die Versorgung der Bewohner allerdings nicht mehr gesichert; in Magstadt erzielen die örtlichen Händler beispielsweise nur etwas mehr als 2.000 Euro pro Kopf an Umsatz.
„Die stationären Umsätze müssen vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass ein immer größerer Teil der Kaufkraft im Internet landet. Wir bieten den Entscheidungsträgern in Kommunen und den Akteuren vor Ort unsere Hilfe bei der Bewältigung der großen Herausforderungen in unseren Standorten an“, sichert Oker den Betroffenen zu.
Wenn man die Umsätze nicht nur ins Verhältnis zur Einwohnerzahl setzt, sondern dabei auch die Kaufkraft der ansässigen Bevölkerung berücksichtigt, ergibt sich die sogenannte Zentralitätskennziffer. Wie beim Pro-Kopf-Umsatz bleibt Sindelfingen mit einer Kennziffer von 170,7 das Maß aller Dinge im Landkreis, Jettingen folgt mit 160,4 vor Böblingen (128,5). Rutesheims Einzelhandel erzielt einen Umsatz, der zumindest von der Größenordnung her noch mit der einheimischen Kaufkraft erklärt werden kann (97,3), ab dem nachfolgenden Herrenberg verlieren jedoch alle anderen Gemeinden des Landkreises per saldo deutlich ansässige Kaufkraft an die Händler in anderen Gemeinden. Aidlingen, Magstadt und Weissach zeigen, dass dort nur weniger als ein Drittel der Kaufkraft ihrer Einwohner auch im Ort ausgegeben wird, der größere Teil fließt ans Umland oder ins Internet. „An vielen Standorten gilt es, sich diesem Trend entgegenzustellen“, betont Oker.
Die komplette Auswertung aller Gemeinden des Landkreises Böblingen finden Sie im Artikel zu den Einzelhandelskennziffern des Landkreises Böblingen 2023.