Fit für den Green Deal

Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft

Der Aktionsplan Kreislaufwirtschaft

Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft steht im Mittelpunkt der umweltpolitischen Dimension des Green Deals und gilt als elementarer Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität. Mit dem Aktionsplan Kreislaufwirtschaft werden insgesamt 35 legislative und nicht-legislative Initiativen angekündigt, die inzwischen teilweise umgesetzt wurden.
Mit diesen Initiativen zielt die EU-Kommission vor allem auf die verbindliche Verankerung von Nachhaltigkeitsgrundsätzen in der Produktpolitik und die Stärkung der Position von Verbrauchern. Dazu will die Kommission durch neue Vorgaben die Langlebigkeit, Reparierbarkeit so­wie Wiederverwendbarkeit beziehungsweise Wiederverwertbarkeit zahlreicher Produkte stei­gern. 
Zur Stärkung der Verbraucherposition sollen Unternehmen künftig dazu verpflichtet werden, ihre Angaben zum ökologischen Fußabdruck ihrer Produkte/Dienstleistungen anhand stan­dardisierter Quantifizierungsmethoden zu belegen. Ziel ist es, die entsprechenden Angaben in der gesamten EU zuverlässig, vergleichbar und überprüfbar zu machen und so „Green­washing“ (d. h. die Vermittlung eines falschen Eindrucks der Umweltauswirkungen eines Un­ternehmens) zu verringern. Dies soll privaten wie gewerblichen Abnehmern helfen, nachhalti­gere Entscheidungen zu treffen, und das Vertrauen der Verbraucher in Umweltzeichen und umweltrelevante Informationen stärken.
Grundsätzlich adressiert die EU-Kommission mit dem Aktionsplan alle physischen Waren, die in der EU in den Verkehr gebracht werden. Besonderes Augenmerk liegt allerdings auf Produktwertschöpfungsketten, bei denen sie ein hohes Kreislaufpotenzial  sieht:
  • Elektronik und Informations- und Kommunikationstechnik
  • Batterien und Fahrzeuge
  • Verpackungen
  • Kunststoffe
  • Textilien
  • Bauwesen und Gebäude
  • Lebensmitteln.
Der Aktionsplan selbst entfaltet noch keine legislative Wirkung, sondern wird nach und nach durch Gesetzesvorschläge, Richtlinien und Verordnungen konkretisiert. Das umfangreichste “Paket” wurde am 30. März 2022 im Rahmen der Initiative für nachhaltige Produkte vorgestellt und ist inzwischen weitestgehend umgesetzt. Andere Initiativen, wie z. B. die Green Claims-Richtlinie, befinden sich noch im Gesetzgebungsverfahren.

Initiative für nachhaltige Produkte

Am 30. März 2022 hat die EU-Kommission ein Paket von Vorschlägen vorgelegt, “um nachhaltige Produkte in der EU zur Norm zu machen.” Danach werden zukünftig fast alle physischen Waren unter die Ökodesign-Regelungen fallen, von denen bisher nur energieverbrauchsrelevante Produkte erfasst werden. Allerdings gibt auch die neue Ökodesign-Verordnung nur den allgemeinen Rahmen vor. Die genauen Anforderungen für einzelne Produkte bzw. Produktgruppen sind noch in spezifischen Rechtsverordnungen festzulegen. Diese sollen zunächst für Produktkategorien mit besonderem Verbesserungspotential – laut EU-Kommission z. B. Textilien, Möbel, Matratzen, Reifen, Detergenzien, Farben und Schmierstoffe – erstellt werden. Genaueres wird ein noch zu erstellender Arbeitsplan regeln.
Die Anforderungen können sich z. B. auf die Lebensdauer, Wiederverwertbarkeit, Reparierbarkeit  und Rezyklierbarkeit  beziehen, aber auch auf die energie- und ressourceneffiziente Gestaltung eines Produkts. Alle wesentlichen Informationen zu Inhaltsstoffen, Reparierbarkeit, Recycling und Entsorgung sollen künftig in einem digitalen Produktpass ausgewiesen werden.
Die neue Ökodesign-Verordnung enthält außerdem ein Verbot der Zerstörung von unverkaufter Ware. Dieses betrifft  insbesondere Textilien und Schuhe und kommt zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Verordnung schrittweise zur Anwendung, beginnend mit Großunternehmen. Zur genauen Ausgestaltung des Verbots wird die EU-Kommission noch delegierte Rechtsakte erlassen.

“Recht auf Reparatur”

Im engen Zusammenhang mit der neuen Ökodesign-Regulierung steht die Richtlinie zur Förderung der Reparatur von Waren. Damit wird ein Anspruch auf Reparatur gesetzlich verankert.
Betroffen sind zunächst nur Elektrogeräte, die bereits den Reparaturstandards der bisherigen Ökodesign-Richtlinie unterlagen, also Waschmaschinen, Geschirrspüler, Staubsauger, Server, Vorrichtungen zur Datenspeicherung sowie Mobilfunkgeräte und Tablets. Die Kommission wird in Zukunft jedoch über delegierte Rechtsakte deutlich mehr Produktkategorien hinzuzufügen.
Die im April 2024 verabschiedete Richtlinie sieht vor, dass bei Produkten, die noch unter die Gewährleistung fallen, die kostenlose Reparatur Vorrang vor dem Austausch hat. Entscheidet sich der Verbraucher für die Reparatur, hat er noch mindestens 12 Monate Gewährleistung.
Aber auch nach der Gewährleistungsfrist soll die Reparatur durch verschiedene Maßnahmen erleichtert werden. Dazu gehören:
  • das Recht für Verbraucherinnen und Verbraucher, von Herstellern die Reparatur von Produkten zu verlanden, die nach EU-Recht technisch reparierbar sind,
  • ein kostenloses Europäisches Formular für Reparaturinformationen,
  • eine Online-Reparaturplattform für den Kontakt zwischen Verbrauchern und Reparaturbetrieben.

EU-Bauprodukteverordnung

Ebenfalls zum Paket vom 30. März 2022 gehört die Revision der EU-Bauprodukteverordnung. Diese regelt die Bedingungen für das Inverkehrbringen von Baupro­dukten innerhalb der EU. Als Bauprodukte im Sinne der Verordnung gelten Stoffe, Teile und Anlagen, die dauerhaft in Gebäuden eingebaut sind. Der Verordnungsvorschlag  sieht diverse nachhaltigkeitsbezogene Anforderungen an Bauprodukte sowie neue Informationspflichten für Produzenten vor. Auch für Bauprodukte soll ein digitaler Produktpass eingeführt werden. Die finale Verabschiedung dieser Verordnung steht noch aus und wird für Herbst 2024 erwartet.

EU-Verpackungsverordnung

Die bisherige Verpackungsrichtli­nie soll von einer am 30. November 2022 vorgeschlagenen Verpackungsverordnung abgelöst werden. Vorrangiges Ziel der neuen Verordnung ist die Vermeidung von Verpackungsmüll. Daher werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, ihr Pro-Kopf-Aufkommen an Verpackungsabfällen im Vergleich zum Jahr 2018 stufenweise um 15 Prozent bis zum Jahr 2040 zu senken, u. a. durch die Steigerung des Einsatzes von Mehrwegverpackungen, ein Verbot nicht zwingend notwendiger Einwegverpackungen für Obst und Gemüse oder Miniatur-Shampooflaschen in Hotels sowie die Begrenzung von Leerraum in Verpackungen.
Weiteres Kernziel des Vorschlags ist die Förderung geschlossener Recyclingkreisläufe. Einzuführende Pfand- und Sammelsysteme sowie verbindliche Rezyklatquoten sollen den Bedarf an Primärrohstoffen senken und das Abfallaufkommen reduzieren. 
Auch bei dieser Verordnung steht die finale Verabschiedung noch aus. 

EU-Batterieverordnung

Bereits in Kraft getreten ist die neue EU-Batterieverordnung. Sie bringt zahlreichen Neuerungen mit sich, für die jedoch teilweise Übergangsfristen greifen. Eingeführt wird der digitale Batteriepass: Zum ersten Mal werden damit zentrale Produktinformationen über den gesamten Lebenszyklus von Traktions- und Industriebatterien an einer Stelle gesammelt und digital zur Verfügung gestellt. Bei ​​​Batterien für Elektrofahrzeuge und wiederaufladbaren Industriebatterien gehört dazu auch der CO2-Fußabdruck. 
Die Batterieverordnung definiert darüber hinaus ökologische und soziale Sorgfaltspflichten für vier wichtige Batterierohstoffe (Lithium, Kobalt, Nickel, Graphit). Unternehmen, die Batterien in den europäischen Markt importieren, müssen sicherstellen, dass in der gesamten Lieferkette der für Batterien verwendeten Rohstoffe hohe ökologische und soziale Standards eingehalten werden. Schließlich werden auch die Bestimmungen zur Sammlung und Behandlung von Altbatterien überarbeitet. Insbesondere werden ehrgeizige Ziele für die Sammlung und das Recycling festgelegt. Ab 2031 muss bei der Herstellung neuer Batterien für Elektrofahrzeuge und Industriebatterien eine Mindestmenge an recyceltem Blei, Kobalt, Lithium und Nickel verwendet werden.
Die Verordnung schreibt außerdem Mindestanforderungen an die Haltbarkeit und Leistung von Industriebatterien, Batterien für leichte Transportmittel (LV-Batterien, z. B. in E-Bikes) und Allzweck-Gerätebatterien vor.

Kunststoff-Initiativen

Im Rahmen des Aktionsplans weiterentwickelt werden die Initiativen aus der EU-Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft aus dem Jahr 2018. Dazu zählen u. a. die Steigerung des Einsatzes von recycelten Kunststoffen und Maßnahmen zur Vermeidung des Eintrags von Mikroplastik in die Umwelt. Am 30. November 2022 hat die EU-Kommission bereits einen Rechtsrahmen für biobasierte, biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe veröffentlicht. Der politische Rahmen für Bio-Kunststoffe entfaltet zwar keine unmittelbare legislative Wirkung, wird aber als Richtschnur für die künftige Arbeit der EU in diesem Bereich dienen, z. B. bei Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte und Finanzierungsprogrammen.

Abfallvermeidung

Das jährliche Abfallaufkommen aus allen Wirtschaftstätigkeiten in der EU beläuft sich auf 2,5 Mrd. t bzw. 5 t pro Kopf und Jahr. Jeder Einwohner erzeugt im Schnitt eine halbe Tonne Siedlungsabfälle (Deutschland lag 2019 mit gut 600 kg über dem EU-Durchschnitt). Ziel der Kommission ist es, das Gesamtabfallaufkommen erheblich zu verringern und die Menge der (nicht recycelten) Restsiedlungsabfälle bis 2030 zu halbieren. Die Einführung der nachhaltigen Produktpolitik und ihre Umsetzung in spezifische Rechtsvorschriften sollen dazu entscheidend beitragen. Darüber hinaus soll das Abfallrecht der EU ausgebaut, weiter gestärkt und besser umgesetzt werden. Vorgeschlagen ist  eine Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie. Aufgenommen werden sollen Zielvorgaben für die Abfallreduzierung bei bestimmten Abfallströmen. Die EU-Kommission will das System der erweiterten Herstellerverantwortung und die Systeme der Getrenntsammlung von Abfällen verbessern, Anreize schaffen und den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren im Bereich des Abfallrecyclings fördern.
Nachdem sowohl Parlament als auch Rat ihre Positionen verabschiedet haben, könnten die Trilogverhandlungen noch unter ungarischer Präsidentschaft aufgenommen werden. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf Lebensmitteln und Textilien liegen.

Worauf müssen sich Unternehmen einstellen?

Mit der Ausgestaltung des Aktionsplans Kreislaufwirtschaft gehen umfangreiche ordnungsrechtliche Vorgaben einher, die sowohl geänderte Anforderungen an die Produktgestaltung als auch neue Informationspflichten mit sich bringen. In Verbindung mit erweiterten Regulierungen im Bereich von Luftqualität, Boden- und Gewässerschutz und möglichen weiteren Beschränkungen des Einsatzes von Stoffen aus dem Chemikalienrecht können sie zu einem erheblichem Anpassungsbedarf bei der Gestaltung und Herstellung von Produkten führen. 
Auf der anderen Seite eröffnen der Ausbau von Sekundärrohstoffmärkten und auf der Kreislaufwirtschaft basierende innovative Geschäftsmodelle, wie z. B. “Up-Cycling” oder “Product as a Service”, neue Geschäftschancen.
Unternehmen sollten sich deshalb frühzeitig informieren, welche Anforderungen in den kommenden Jahren auf sie zukommen. Nur so können sie rechtzeitig auf Herausforderungen reagieren und neue Geschäftschancen identifizieren.