Vorgestellt: August Hildebrandt GmbH

"Man wollte damals durchstarten“, Sabine von Köppen

Die August Hildebrandt GmbH mit Sitz in Schwerin ist ein echtes Familienunternehmen, das bereits seit 1868 existiert und heute in 5. Generation geführt wird. Nach der Wende kam das Unternehmen zurück in Familienhand und wurde zu einem ostdeutschen Vorzeigeunternehmen, das heute internationaler denn je agiert.

Von der Wiedervereinigung bis ins Heute

Tradition und Repression vor 1990

Die August Hildebrandt GmbH blickt auf eine wechselvolle und bewegte Geschichte zurück. Als Sägewerk in Hagenow 1868 gegründet, verlor die Familie vor dem Hintergrund der sozialistischen Planwirtschaft in der DDR zunehmend den Zugriff auf ihr Eigentum. Mit der Errichtung des Kabelwerks in Schwerin in den 1960er Jahren wurde angeordnet, dass das Sägewerk auch Kabeltrommeln für den großen Industriebetrieb fertigen sollte, der quasi auf grüner Wiese in Schwerin-Sacktannen errichtet wurde, um den Norden der DDR zu industrialisieren.
1972 erfolgte die endgültige Verstaatlichung das Hagenower Sägewerks als Volkseigener Betrieb gegen den Willen der Eigentümer. Der Vater der heutigen Geschäftsführergeneration verblieb zunächst als Betriebsleiter im Betrieb, bekam aber zunehmend Probleme, weil er der SED nicht beitreten wollte. 1985 wurde er entlassen. Diese Entwicklung hat die Familie sehr stark geprägt.

Wendezeit

Sie beschreibt die wechselvolle Geschichte des Unternehmens auch anhand ihrer eigenen Biographie:
„Ich bin in Hagenow geboren und aufgewachsen, habe zu DDR-Zeiten Abitur gemacht. Die Wende hat unsere Familie als echte Befreiung und einen Neuanfang erlebt. Für uns war schnell klar, dass wir das Unternehmen zurückhaben wollen.“
Die Rückübertragung erfolgte Anfang 1990 noch unter der letzten SED-Regierung. Das Unternehmen hatte damals ca. 30 Mitarbeiter. Dieser Prozess verlief keineswegs reibungsfrei, wie sich von Köppen erinnert:
„Denn mein Vater kam ja in das Unternehmen als Inhaber zurück und traf auf die Leute, die ihn fünf Jahre zuvor entlassen hatten. Wir hatten damals große Diskussionen wie wir mit der Situation umgehen sollten. Man hat dann vernünftige Regelungen gefunden, aber eine weitere Zusammenarbeit war aufgrund der schwierigen Vergangenheit schlicht nicht mehr denkbar.“

1990er Jahre: Weg in die Marktwirtschaft und ungewöhnliche Expansion

Von Köppen blickt auch zurück auf die ersten Jahre nach der Wiedervereinigung:
„Es war damals klar, dass das Unternehmen wachsen soll, weil der Markt es hergibt. Der Standort in der Hagenower Innenstadt platzte damals aus allen Nähten und war schlicht nicht mehr geeignet. In Schwerin-Sacktannen hatte Siemens eine neue Halle auf dem Gelände des Kabelwerks errichten lassen und meinem Vater das Angebot unterbreitet, für das Kabelwerk die entsprechenden Trommeln vor Ort zu fertigen.“
So zog die August Hildebrandt GmbH von Hagenow nach Schwerin und begann rasch zu expandieren. Dabei profitierte das Unternehmen von einer Outsourcing-Welle, durch die Betriebsteile großer Kabelhersteller zum Verkauf angeboten wurden. Das Unternehmen erwarb ab 1995 Standorte u.a. in Hannover und Mönchengladbach.
Diese Entwicklung war durchaus ungewöhnlich, denn
„als ostdeutsches Unternehmen war es unvorstellbar, westdeutsche Betriebsteile zu kaufen“, wie sich von Köppen erinnert. Sie betont auch die großen Risiken, die ihre Familie damals bereit war einzugehen, um das Unternehmen auf Wachstumskurs zu bringen."
Insbesondere die Finanzierung von Investitionskrediten durch die Banken stellte damals eine enorme Herausforderung dar:
„Aus heutiger Sicht würde ich sagen, das war leichtsinnig. Unter Risikogesichtspunkten würden wir das heute nicht mehr so machen. Aber es war eine andere Zeit damals. Wir waren euphorisch und vielleicht auch naiv. Allein die Sicherheiten: Wir haben wirklich alles bis aufs letzte Hemd an die Banken übertragen.“

Übergabe der Geschäftsführung und Neuausrichtung

Dass Sabine von Köppen einmal die Nachfolge ihres Vaters in der Geschäftsführung des Familienbetriebes antreten würde, war keineswegs ausgemacht. Nach der Wiedervereinigung studierte sich zunächst Jura in Göttingen und arbeitete dann eine Zeit lang in einer Hamburger Wirtschaftskanzlei. Doch irgendwann zog es sie doch wieder zurück in die Heimat, auch um sich beruflich weiterzuentwickeln:
„Dadurch, dass ich in meinem Beruf mit vielen Unternehmen zusammengearbeitet hatte, kam in mir der Wunsch auf, die Seite zu wechseln und selber was aufzubauen.“
2008 wechselte Sabine von Köppen in das Familienunternehmen. Damit folgte sie auch ihrem Bruder, einem ausgebildeten Sägewerksmeister, der zuvor ebenfalls verschiedene berufliche Stationen in Deutschland absolviert hatte, ehe er nach Schwerin zurückkehrte. Beide strebten zusammen die Unternehmensnachfolge ihres Vaters an. Ein Prozess, der sich keineswegs einfach und reibungslos gestaltete, wie Sabine von Köppen betont:
„Mir und meinem Bruder war es immer wichtig, gemeinsam zu arbeiten. Er kommt aus dem technischen Bereich und ich mehr aus dem kaufmännischen. Für uns war das eine ideale Kombination."
Beide setzten unter anderem auf die Neuausrichtung der Führungsstrukturen durch die Einführung von flachen Hierarchien.
Der Teamgedanke wurde gestärkt und Mitarbeiter stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden.

Weiterentwicklung des Unternehmens und Internationalisierung

Unter dem neuen Führungsduo blieb es nicht nur bei Veränderungen des Betriebsklimas.
Ein großer Schritt war zudem im Jahr 2010 der Beginn der Fertigung von Stahlkabeltrommeln, die wesentlich mehr Gewicht tragen können. 2014 stand zudem ein französisches Konkurrenzunternehmen von Sperrholzkabeltrommeln zum Verkauf. Für August Hildebrandt war die Zeit gekommen, den Schritt ins Ausland zu wagen. Eine Entscheidung, die für das Unternehmen von großer Bedeutung war, wie sich von Köppen erinnert:
„Da haben wir wirklich überlegt, ob wir es schaffen können deutsche und französische Unternehmenskulturen zusammen zu führen. Das war für ein Mecklenburger Unternehmen eine große Herausforderung. Plötzlich gab es neben 50 Mitarbeiter in Frankreich auch einen Standort in Tunesien, der nur Arabisch sprach. Mein Bruder und ich haben dann gesagt. "Komm, wir können nicht nur am Beckenrand stehen, wir müssen auch springen.“
Die Geschäftsführerin ist stolz, dass sich das Risiko der Expansion ins Ausland gelohnt hat. Die Hildebrandt Group als Zusammenschluss von neun Standorten in Deutschland, Holland, Frankreich und Tunesien zählt heute 230 Beschäftigte (davon rund die Hälfte in Schwerin). Die Verbindungen zum Prysmian-Kabelwerk Schwerin sind nach wie vor eng, wenngleich sich Hildebrandt auf neue Tätigkeitsfelder konzentriert. So hat sich das Produktportfolio in den vergangenen 35 Jahren deutlich verbreitert.

Blick in die Zukunft und weitere Expansion

Die Weiterentwicklung des Unternehmens betrifft auch die Bandbreite der angebotenen Leistungen, wie Sabine von Köppen hervorhebt:
„Wir sind nicht mehr nur Hersteller, sondern auch Dienstleister. Wir beliefern heute auch Rohrwerke oder Seilwerke und bieten seit neuestem auch große Mehrwegsysteme an. Dieses Geschäftsfeld wollen wir im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsstrategie hin zur Kreislaufwirtschaft ausbauen.“
Eine besondere Rolle spielt dabei der Ausbau der Erneuerbaren Energien bzw. die dafür notwendige Infrastruktur. Als Zulieferer u.a. für die insgesamt 1.340 Kilometer lange unterirdische Stromtrasse SüdLink, die den Süden Deutschlands mit dem Strom aus dem Norden versorgen soll, hat sich die August Hildebrandt GmbH entschieden, ihre Produktionskapazitäten für Stahlkabeltrommeln massiv zu erweitern. Auf einem Areal von 30.000 qm investiert das Unternehmen daher bis Ende 2024 10 Mio. Euro in eine 4.250 qm große Produktionsstätte im Industriepark Schwerin.
„Für unser Unternehmen bedeutet dies eine langfristige und gesicherte Auslastung.“
Mit Blick auf die Zukunft Westmecklenburgs wünscht sie sich, dass die Region ihre Alleinstellungsmerkmale besser nutzt. Hier gibt es echte Standortvorteile durch kurze Wege.
Wenn ich zum Beispiel an unser Investitionsprojekt im Industriepark denke:
„Da haben wir die Baugenehmigung innerhalb von wenigen Monaten bekommen. Das habe ich so noch nicht gesehen. So muss es laufen!"

Kontakt

August Hildebrandt GmbH
Siemensplatz 1
19057 Schwerin
Tel.: 0385 64 530-0
E-Mail: contact@cabledrum.com
Internetseite: August Hildebrandt GmbH
Dieses Interview der IHK zu Schwerin bei der August Hildebrandt GmbH wurde am 08.07.2024 geführt.