Augenoptik Wichert in Gadebusch

„Wenn Sie den Beruf nicht lieben, dann werden Sie auch nicht erfolgreich sein.“, Kathrin Wichert, Inhaberin der Augenoptik Wichert.

Der Einzelhandel in kleineren Städten steht vor großen Herausforderungen. Daher ist es besonders bedeutend, dass sich Geschäfte langfristig etablieren und erfolgreich bleiben. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist die Firma Augenoptik Wichert, die seit 45 Jahren als traditioneller Familienbetrieb in Gadebusch und Rehna aktiv ist.
Es ist ein verregneter Vormittag in der Gadebuscher Innenstadt, als sich Kathrin Wichert, Inhaberin des gleichnamigen Augenoptik-Geschäftes, und ihre Mutter Hannelore Zeit nehmen, um über die Geschichte und die Zukunft ihres Unternehmens zu sprechen.

Trotz des schlechten Wetters findet im Laden in der Lübsche Straße ein reges Treiben statt - Kunden kommen und gehen.
Begonnen hatte alles 1979. Der Augenoptiker Horst Wichert erhielt damals das Angebot ein Optikgeschäft in Gadebusch zu übernehmen.
Zusammen mit seiner Frau, die er während seiner Ausbildung in Jena kennengelernt hatte, griff er zu und machte sich selbstständig, was zu jener Zeit kein leichtes Unterfangen war, wie sich Hannelore Wichert erinnert:
„Es war sehr schwer als Selbstständiger in der DDR, aber mit viel Unterstützung hat das geklappt. Wir mussten ja immer einen Fünfjahresplan machen. Also wie viele Fassungen und Gläser brauchen wir in welchen Glasstärken?“

Start in die Selbstständigkeit zu DDR-Zeiten und Neustart 1990

Die Eröffnung des Geschäfts erfolgte gerade zwei Wochen nachdem die zweite Tochter Kathrin auf die Welt gekommen war. Es musste oft improvisiert werden und für die Belieferung wurden weite Wege in Kauf genommen. Einziger Hersteller von Brillengläsern und -fassungen waren damals die Optischen Werke Rathenow.
Für viele Optiker in der DDR war das damals ein Problem, das Warensortiment war ohnehin begrenzt. Augenoptiker Wichert hatte dabei allerdings noch Glück:
„Mein Mann kannte dort Mitarbeiter und so fuhren wir einmal im Monat nach Rathenow und bekamen auch mal Fassungen oder Gläser außer der Reihe. Sonst hätte es wirklich manchmal schlecht ausgesehen“, so Hannelore Wichert.
Die Wiedervereinigung brachte dann insbesondere für den Einzelhandel große Veränderungen mit sich. Neue Produkte, veränderte Kundenwünsche und aufkommende Konkurrenz prägten die Zeit nach dem Herbst 1989.


Hannelore Wichert: „Das war schon eine schwierige Zeit. Für uns war ja alles neu. Die Fassungen, die Gläser, die Materialien. Wir mussten uns auch neu mit den Krankenkassen auseinandersetzen. Vertreter kamen plötzlich zuhauf an. Die Finanzierung war damals auch ein großes Thema: Wir wussten gar nicht, wie wir das alles bezahlen sollen.“
Wieder half damals das Glück, beziehungsweise ein hilfreicher Kontakt. Ein Optiker aus der Nähe von Hamburg unterstützte die Familie Wichert und erklärte ihnen, wofür z.B. Gleitsichtgläser verwendet werden, die in der DDR zuvor nicht bekannt oder verfügbar waren.

Betrieb in zweiter Generation

Mit Risiko und Investitionen in moderne Geräte und die Ausstattung des Ladens gelang der Übergang in die Marktwirtschaft. 1996 erfolgte aus Platzgründen der Umzug in die Lübsche Straße.
Im selben Jahr begann auch Tochter Kathrin Wichert ihre Ausbildung im elterlichen Betrieb. Eine Zeit, die nicht ohne Reibereien blieb, wie sie sich erinnert:
„Eigentlich wollte ich zur Polizei, aber es kam dann doch anders. Das war nicht immer einfach, denn ich bin ja auch ein eigener Typ.“
Nach der Lehre folgte Kathrin Wichert ihrer älteren Schwester nach Hamburg, nach Köln zur Meisterschule sowie schließlich für sechs Jahre in die Schweiz, wo ihre Schwester heute noch in Zürich als Augenoptikermeisterin arbeitet. Als der Vater und Firmengründer Horst Wichert 2011 schwer erkrankte, entschied sich Kathrin Wichert jedoch zurück zu gehen:
„Ich wollte unbedingt zurück. Ich bin Mecklenburgerin und hier zu Hause.“
Nachdem attraktive Jobs in dieser Zeit schwer zu finden waren, entschied sie sich trotz der Erfahrungen der Lehrzeit für den Einstieg in den elterlichen Betrieb.
Mutter und Tochter betonen unisono: „Wir haben uns zusammengerauft.“
Zum 1. Januar 2022 übernahm Kathrin Wichert den Betrieb von ihrer Mutter, die noch heute als Angestellte im Betrieb unentbehrlich ist. Die Zusatzausbildung zur Optometristin befähigt Kathrin Wichert darüber hinaus, Augenerkrankungen im Geschäft zu erkennen und Kunden ggf. zum Augenarzt zu überweisen.

Kathrin Wichert: „Wir wollen hier eine große Bandbreite anbieten, um möglichst viel abdecken zu können. Wir befinden uns im ländlichen Raum und die ärztliche Versorgung ist nicht immer einfach.“

Große Herausforderungen seit 1989

Im Rückblick auf die vergangenen 35 Jahre seit dem Mauerfall schaut Hannelore Wichert gerade auf die EURO-Einführung kritisch:
„Die Kosten sind damals rasant gestiegen. Gläser und Fassungen waren plötzlich wesentlich teurer im Einkauf.“
Damit umzugehen war eine große Herausforderung. Die Corona-Pandemie und ihre Folgen, die den Einzelhandel insgesamt hart trafen, waren dem Augenoptikbetrieb, der durchgängig geöffnet bleiben musste, hingegen kein Einschnitt, wie Kathrin Wichert betont:
„Die Leute haben damals festgestellt, dass sie bei den traditionellen Betrieben gut aufgehoben sind. Da hat ein Umdenken stattgefunden. Unsere Kunden möchten nicht nur gut aussehen, sondern auch gut beraten werden.“
Die generelle Entwicklung der Innenstädte ist dabei allerdings aus Sicht von Hannelore Wichert seit einigen Jahren ein Problem:
„Gadebusch war eine Stadt, die gut aufgestellt war. Aber im Grunde genommen ist jetzt kaum noch was da. Wir haben zwar gute Kindergärten und Schulen. Aber es ist mittlerweile eher eine Wohnstadt.“ In Rehna, wo die Familie ein zweites Geschäft betreibt, sieht das aus Sicht der Tochter anders aus: „Ich muss sagen, die Rehnaer Innenstadt ist belebter, da sich dort mehr Geschäfte befinden.“

Blick in die Zukunft


Heute zählt das Unternehmen sieben Beschäftigte in den beiden Geschäften in Gadebusch und Rehna. Mutter und Tochter Wichert legen dabei großen Wert darauf, die Fachkräfte von morgen selbst auszubilden.

Dabei ist für Kathrin Wichert klar: „Man kann sowas nur mit Herz und Seele betreiben. Wenn Sie den Beruf nicht lieben, dann werden Sie auch nicht erfolgreich sein.“
Jungen Unternehmern gibt sie dabei den Tipp, mit Freude an die Sache heranzugehen und auch zu akzeptieren, dass nicht jeder Tag einfach ist. Vertrauen und ein gutes Verhältnis zu den Mitarbeitern sei dabei enorm wichtig, um zukünftig erfolgreich zu sein.
Für Augenoptik Wichert ist der Blick nach vorne jedenfalls hoffnungsvoll, wie Kathrin Wichert abschließend hervorhebt: „Wir schauen positiv in die Zukunft. Die Menschen hier wissen, wer wir sind, was wir machen und was wir können.“

Kontakt

Augenoptik Wichert
Lübsche Straße 4
19205 Gadebusch
Tel.: 03886 2685
E-Mail: info@augenoptik-wichert.de
Internetseite: www.augenoptik-wichert.de
Dieses Interview der IHK zu Schwerin bei Augenoptik Wichert wurde am 4. Juli 2024 geführt.