Vorgestellt: abacus edv-lösungen GmbH & Co. KG

„Als Kind die Chefrolle zu übernehmen, ist nicht selbstverständlich.“ , Katharina Kluth, Prokuristin der abacus edv-lösungen GmbH & Co. KG.

Die IT-Branche gilt heute noch immer als klassische Männerdomäne. Die 1992 gegründete Firma abacus aus Wittenburg ist dabei bereits einen Schritt weiter. Heute führt Katharina Kluth das Unternehmen als Tochter des Firmengründers – und kann sich dabei auf die Expertise ihres Vaters verlassen.

Vom Landmaschinenschlosser in die Selbstständigkeit

Thomas Kluth hat sich für das Interview Zeit genommen, um auf seine Biografie und die Geschichte seines Unternehmens zurückzublicken.
Der gelernte Landmaschinenschlosser wuchs in Setzin bei Hagenow auf und absolvierte nach seiner Ausbildung eine Art Hilfsabitur an der Ingenieurhochschule für Landtechnik in Berlin. Während seines Studiums der Landtechnik brachte ihn sein Vater früh auf die Idee, sich mit Automatisierungstechnik zu beschäftigten:
„Als ich 1981 angefangen habe zu studieren, hat mein Vater gesagt, du musst irgendwas mit Automatisierung machen, weil Computer die Zukunft sind. Der IBM-PC kam da gerade auf und das war ja die Zeit, wo das alles losging.“
Und so begann Kluth sich mit dem Programmieren von Anwendungen zu beschäftigen, die in der Praxis Landmaschinen automatisiert lenken können. Damit erwarb er EDV-Spezialkenntnisse, die ihm später noch sehr nützlich sein würden. Nachdem Kluth sein Studium abgeschlossen hatte, war er auf der Suche nach Arbeit.
Der Zufall bzw. familiäre Beziehungen halfen dabei, eine entsprechende Position zu finden:
„Mein Schwiegervater war damals Chef der LPG ‚Apfelblüte‘ Dodow und er meinte: ´Komm doch zu uns!´ Da habe ich angefangen und ein Abrechnungssystem für Fruchtsaft geschrieben. Es gab damals sowas wie Software noch gar nicht. Ich habe eine Anwendung entwickelt für Palettenverwaltung und Pfandgut, also die ganze kaufmännische Abwicklung der Warenlieferung.“
Mir der Wende wurde die LPG Apfelgüte an Fruchtquell verkauft und Thomas Kluth wechselte mit zum neuen Eigentümer. Dort arbeitete er als Controller, obwohl er sich selbst eher als Computerfachmann begriff. Nebenbei half er anderen sich selbstständig zu machen.
1992 entschied sich Kluth dann, selbst den Schritt zu gehen und gründete zusammen mit einem Bekannten die Firma ´abacus´:
"Das war bei uns im Keller in Dodow. Das ging so: Kohlen raus und Büro rein.“

Produktplanung als Erfolgsgarantie

Abacus setzte dabei auf eine Finanzbuchhaltungssoftware für kleinere und mittlere Unternehmen. Die Geschäfte liefen gut. Schnell arbeiteten fünf Angestellte mit drei Schreibtischen im Keller. 1995 fiel die Entscheidung umzuziehen.
Dafür wurden in Wittenburg 200 Quadratmeter angemietet. Dort wurden sowohl Computer als auch die Software - vor allem an Handwerker aus der Region - verkauft.
Thomas Kluth: „Wir nannten das Handwerkerpaket. Ein, zwei Jahre später haben wir dann die Mecklenburger Kartoffelveredlung in Hagenow kennengelernt. Die waren über viele Jahre unser Kunde Nummer 1. Und mit ihnen sind wir eigentlich groß geworden.“
2002 erfolgte die einvernehmliche Trennung der beiden Gründer. Thomas Kluth übernahm einen Teil des bisherigen Unternehmens und konzentrierte sich auf die Weiterentwicklung der Software bzw. ihrer Dienstleistungen. Bis heute setzt abacus dabei auf das Produkt Sage, das mittlerweile weltbekannt ist.
Die Hauptkunden von abacus kommen aus der Lebensmittelbranche, darunter namhafte Unternehmen wie Rügenwalder Spezialitäten und bioverde, für die abacus eine ERP-Software anbietet, die auf die Lebensmittelbranche zugeschnitten ist. Der Großteil der Kunden des Unternehmens gehört jedoch mittlerweile zum deutschen Mittelstand und beschäftigt bis zu 1.000 Mitarbeiter.

Die zweite Generation übernimmt das Steuer

Die Anfangsjahre der Selbstständigkeit stellten für die Familie von Thomas Kluth eine große Herausforderung dar. Seine Tochter Katharina, die am 15. Oktober 1990 geboren wurde und somit die erste neugeborene Bundesbürgerin in Dodow ist, blickt auf die Gründungszeit des Familienunternehmens zurück, in dem auch ihre Mutter nach wie vor aktiv ist:
„Als Kind war das für uns ein kleiner Abenteuerspielplatz. Da stand ein Kopierer unter der Treppe, auf dem man die Hände kopieren konnte. Meine Großeltern waren im Ort, was toll war, da meine Eltern den Betrieb gemeinsam aufgebaut haben. Als Kind war das einfach spannend. Da wurde auf dem Weg in den Urlaub noch beim Kunden angehalten, oder der Urlaub wurde früher abgebrochen, weil ein dringender Auftrag erledigt werden musste. Für uns war das aber normal.“
Katharina Kluth hat 2009 in Wittenburg Abitur gemacht und ging zum Studium der Betriebswirtschaftslehre nach Hamburg und anschließend nach München. 2014 folgte ihr Masterstudium in Lüneburg. Nach ihrem Studienabschluss im Jahr 2016 entschied sie sich gemeinsam mit ihrem Partner, der mittlerweile als Lehrer in Schwerin tätig ist, in ihre Heimat zurückzukehren. Von Beginn an war die Überlegung, ob sie das Familienunternehmen übernehmen möchte, von großer Bedeutung.
Thomas Kluth wünschte sich genau das:
„Die Alternative war damals, den Betrieb zu verkaufen oder meine Tochter kommt ins Unternehmen mit dem Ziel, den Betrieb zu übernehmen. Ich war glücklich, dass wir uns für den zweiten Weg entschieden haben.“
Für die Tochter war der Start – sie begann schon während ihres Masterstudiums im Unternehmen mitzuarbeiten und stieg dann 2016 voll ein – keineswegs einfach:
„Man ist dann doch irgendwie die Tochter, die mit reinkommt. Da muss man dann doch sehr vorsichtig mit umgehen, um auch eine gewisse Akzeptanz von den Kollegen zu bekommen, was nicht ganz leicht war. Am Anfang hat es sich für mich nach einem wahnsinnigen Druck angefühlt. Die ersten beiden Jahre waren sehr intensiv.“
Und Thomas Kluth ergänzt dazu:
„Irgendwann hat sie mich mal gefragt, warum ich sie das alles machen lasse. Ich habe dann gesagt: Weil du es kannst. Jeder muss mal seine Fehler machen, ich bin bestimmt derjenige, der das meiste Geld in dieser Firma verbrannt hat. Mach du mal. Aber vom Kind in die Chefrolle ist nicht selbstverständlich. Meine Tochter hat damals gesagt: ‚Gib mir Arbeit.‘ Und im ersten Jahr war es zwar schön, aber irgendwie habe ich ihr immer die falsche Arbeit gegeben, bis sie angefangen hat, das Management zu übernehmen und da hat es dann funktioniert."
Katharina Kluth springt ihrem Vater wiederum zur Seite und ergänzt:
„Während mein Vater eben von der technischen Seite kommt, ist mein Steckenpferd das Betriebswirtschaftliche. Am Anfang war das für mich ein Problem. Ich dachte, ich müsste seine Sachen auch machen, aber das konnte ich nicht. Da habe ich im Laufe der Jahre verstanden, dass wir aus komplett unterschiedlichen Richtungen kommen. Aber das, was ich mitbringe - gerade im Bereich Personalentwicklung - hat eben hier auch sehr gut funktioniert."
Auch die Zusammenarbeit mit ihrem Vater in der Geschäftsführung hat besser funktioniert, als Katharina Kluth befürchtete:
„Ich konnte mir lange nicht vorstellen, überhaupt in der Informatik zu arbeiten, muss ich fairerweise sagen. Mittlerweile habe ich total Spaß dran, wobei ich mich von der betriebswirtschaftlichen Seite der ganzen Sache genähert habe."
Genau das schätzt Thomas Kluth an dem Profil seiner Tochter:
„Ich habe eine Ingenieurausbildung. Da hat uns keiner was erzählt zur Personalführung oder wie man eine Bilanz liest. Ich hatte auch schon versucht Strukturen zu schaffen, die nicht so funktioniert haben. Meine Tochter hat dann dafür gesorgt, dass es heute funktioniert. Und deswegen habe ich dann angefangen loszulassen.“

abacus heute

Für Thomas Kluth ist es heute wichtiger denn je, dass seine Tochter die Leitungsfunktion übernommen hat und unterstreicht dabei den Charakter des Familienunternehmens:
„Wir wollen Familie sein und das funktioniert hier in unserer Struktur. Wir haben damals mit zwei Leuten angefangen und das Unternehmen dann sukzessive ausgebaut mit heute 35 Beschäftigten, davon acht Programmierer, die Speziallösungen entwickeln. Nicht alle arbeiten vor Ort: es gibt Kollegen, die nur aus dem Home Office arbeiten, zwei Büros in Bremen und Augsburg, ein Kollege arbeitet auf Honorarbasis in der Ukraine. Unsere Mitarbeiter wohnen heute in Hamburg, Lübeck oder hier direkt in der Region."
Dabei betont Thomas Kluth, wie sehr er seiner Tochter vertraut und sich aus dem operativen Geschäft mehr und mehr zurückzieht.
Seit einigen Jahren kümmert sich Thomas Kluth primär um technische Fragen und reduziert seine Präsenszeit im Büro:
„Böse Zungen haben damals behauptet, wenn ich einen Tag in der Woche weniger arbeite, dann am Sonntag. Aber es hat geklappt: alle zwei Jahre habe ich um je einen Tag reduziert. Jetzt bin ich noch zwei Tage in der Woche da, aber eigentlich schmeißt Katharina den Laden."
Dass die Familie unter den Veränderungen nicht leidet, betont auch Katharina Kluth:
„Wir haben immer gesagt, dass wir uns in der Firma besser verstehen, als am Mittagstisch. Wir sind uns in vielen Sachen ähnlich. Es gab schon Situationen, wo es ordentlich geknallt hat, aber wir haben eine gute Streitkultur.“
Sichtbarstes Zeichen für die Entwicklung ist dabei auch die Tatsache, dass der Vater seine neu gewonnene Zeit dafür nutzt, den Bau des gemeinsamen Hauses zu betreuen, in dem die Eltern und die Familie der Tochter wohnen werden.

Weiterentwicklung und Fachkräftesicherung

Sein Unternehmen, das seinen Sitz seit einigen Jahren in einem schicken und modernen Gebäude im Wittenburger Gewerbegebiet hat, sieht Thomas Kluth dabei für die Zukunft gut aufgestellt, was aus seiner Sicht nicht für die Branche generell gilt:
„Aktuell sieht es aus, dass viele kleinere Unternehmen an große verkaufen, weil sie keine Nachfolger finden. Das Problem dabei ist, dass die Menschen, denen die Firmen gehören, die Menschen, die dort arbeiten, nicht mehr kennen. Je größer die Firmen werden, umso mehr verliert sich die Familienkultur. Uns ist es total wichtig, dass die Firma eine Familie ist.
Neben der Unternehmenskultur ist natürlich auch die Weiterentwicklung des Produktportfolios wichtig.
Derzeit arbeitet man bei abacus an einer Software, um zukünftige Produktabsätze mit KI-Unterstützung prognostizieren zu können. In Zusammenarbeit mit dem renommierten Hasso-Plattner-Institut hat man dort sogar für drei Jahre eine Doktorarbeit finanziert. Ziel ist, es Kunden zu ermöglichen, auf Basis vergangener Jahre eine sehr präzise Produktionsplanung betreiben zu können, die auch Sonderereignisse oder externe Einflüsse wie Corona mit einkalkulieren kann.
Aber auch das Thema Fachkräftesicherung treibt Vater und Tochter um. Hier setzt man auf (über-)regionale Kooperationen, wie Katharina Kluth erläutert:
„Wir haben schon vor 15 Jahren auf das Duale Studium gesetzt und daher eine Kooperation mit einer Hochschule in Kiel gestartet. Die Studenten sind abwechselnd drei Monate in Kiel und dann drei Monate bei uns.“
Schwieriger sei das Thema Ausbildung, so Katharina Kluth, da die häufige Projektarbeit mit wechselnden Herausforderungen die Gewährleistung von kontinuierlichen Ausbildungsinhalten erschwere. Man setze hier auf Nachwuchsgewinnung etwa durch Kooperationen mit dem Gymnasium in Wittenburg. Im Rahmen von Praktika werden Schülerinnen und Schüler spielerisch an das Programmieren mit Einsatz eines Lego-Computers herangeführt. Zur Stärkung der MINT-Fächer sponsorte abacus zudem das Gymnasium mit einem Klassensatz Mini-Computern.
Mit Blick auf Wittenburg und die Region sieht Katharina Kluth durchaus Standortvorteile:
„Oft heißt es ja, die Lage des Standortes Wittenburg ist schwierig. Für uns ist es aber auch ein Vorteil. Denn wenn jemand mit der Region verbunden ist und einen attraktiven Arbeitsplatz in der IT-Branche sucht, dann gibt es davon nicht so viele. Wenn jemand eben nicht bis nach Hamburg pendeln möchte, kann er bei uns sein oder ein berufliches Zuhause finden.

Fazit und Ausblick

Zum Abschluss des Gespräches wagt Thomas Kluth noch einmal einen Blick zurück, aber auch in Zukunft:
„Ich bin sehr, sehr dankbar, dass es die Wiedervereinigung gegeben hat. Ich wäre wahrscheinlich heute technischer Leiter in einer LPG. Wenn ich mir etwas wünsche, dann ist das die Digitalisierung in der Verwaltung, um Zeit und Ressourcen zu sparen. Vielen graust es davor. Aber ich habe die Hoffnung, dass wir in absehbarer Zeit ein Stück weit von KI regiert werden. Der Rechner Deep Blue hat schon vor vielen Jahren gegen den damaligen Weltmeister im Schach gewonnen. Und wenn wir ehrlich sind, dann ist doch Politik genau das: ein Schachspiel. KI kann allerdings bessere und sachlichere Entscheidungen für die Menschheit treffen.“


An dieser Stelle widerspricht Katharina Kluth ihrem Vater dann doch und spannt dabei den Bogen von der Wiedervereinigung in die Gegenwart:


„Da würde ich gerne gegenhalten. Vielleicht kann mein Vater das in seinem Alter so fordern, aber ich würde mir das für mich und meine Kinder gar nicht wünschen, sondern dass wir auf menschlicher Ebene wieder stärker an vernünftigen Werten festhalten. Das bewegt mich für die Zukunft. Ich denke, dass wir gerade auch mit Blick auf die Wiedervereinigung heute in wahnsinniger Freiheit leben, und ich habe Angst, dass wir uns die Freiheit selbst wegnehmen, wenn wir bestimmten politischen Ansichten hinterherrennen."

Kontakt

abacus edv-lösungen GmbH & Co. KG
Südring 16
19243 Wittenburg
Tel.: +49 38852 601-0
E-Mail: info@abacus-edv.de
Internetseite: www.abacus-edv.de

Dieses Interview der IHK zu Schwerin bei der abacus edv-lösungen GmbH & Co. KG wurde am 05.07.2024 mit Vater Thomas Kluth und Tochter Katharina Kluth geführt.