Mit Plasma hoch hinaus: Landwirtschaft in der Stadt

Mecklenburg-Vorpommern gilt als bundesweiter Vorreiter bei der Erforschung Plasmatechnologien in der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Für ein Projekt zum „Vertical Farming“ hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung einem weiteren Leitprojekt von PHYSICS FOR FOOD mehr als 520.000 Euro Fördermittel bewilligt.

Meilenstein „Vertical Farming“

Mit dem Projektstart schlägt das Bündnis ein weiteres Kapitel auf: Wegen der stetig wachsenden Weltbevölkerung steigt der Bedarf an Lebensmitteln und Anbauflächen. Dabei sollen bis 2030 sogar 60 Prozent der Menschen in Städten wohnen, Tendenz steigend. Parallel nehmen extreme Wetterverhältnisse wie Hitze, Dürren und Überschwemmungen zu, die die Arbeit in der Landwirtschaft erschweren und Ernten gefährden. Hinzu kommen Vorschriften, die den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln stärker reglementieren bzw. gar verbieten.

Neue Anbaumethoden

Daher gewinnen neue Anbaumethoden wie das Vertical Farming immer mehr an Bedeutung. In solchen Anlagen können Pflanzen unter kontrollierten Bedingungen und auf wenig Raum angebaut werden. Noch sind in der Weiterentwicklung der Systeme aber verschiedene Herausforderungen in Bezug auf Erhalt der Pflanzengesundheit und Ressourcenschonung zu bewältigen, für die Plasmatechnologien eine Lösung bieten können.

  


Prof. Dr. Jürgen F. Kolb vom Leibniz-Institut für Plasmaforschung & Technologie e.V. (INP) in Greifswald leitet das Vorhaben „Physics for Sustainable Vertical Farming“ und bündelt dafür explizit die Erkenntnisse und Ergebnisse aus anderen Forschungsprojekten.
Durch die Verwendung von plasmabehandeltem Saatgut kann gesundes und keimfähiges Saatgut gewährleistet werden, das ein gesundes Pflanzenwachstum ohne weitere Pflanzenschutzmittel bietet. Das Pflanzenwachstum kann durch mit Plasma behandeltem Wasser unterstützt werden, wobei auch bereits gefundenen Effekte zur Pflanzenstimulanz und Nährstoffzufuhr genutzt werden. Ebenso wird die Systemhygiene auch ohne Biozide in einer integrierten Wasserbehandlung möglich. Dadurch verringert sich außerdem der Frischwasserbedarf. – Prof. Dr. Jürgen F. Kolb

Das Ziel

In der Landwirtschaft und bei agrartechnischen Produktionsprozessen soll weniger Chemie gebraucht bzw. die Umwelt dadurch weniger belastet werden. Es geht bei den innovativen Methoden um mehr Physik beim Klima- und Umweltschutz. Im neuen Leitprojekt arbeiten die Forschenden dafür mit Plasmaverfahren, die sowohl beim Saatgut, bei den Pflanzen selbst wie auch für eine Wasserkreislaufführung eingesetzt werden sollen. 
Der Vertical-Farming-Ansatz erlaubt einen von äußeren Verhältnissen unabhängigen Anbau, wodurch die experimentellen Möglichkeiten des Bündnisses erweitert werden. Innerhalb eines Jahres lassen sich mehrere Anbauzyklen realisieren. Freilandversuche hingegen sind auf eine Ernte beschränkt und dabei den jeweils in einem Anbaujahr vorherrschenden Bedingungen wie Witterung und Niederschläge unterworfen. Dagegen können in den Systemen des vertikalen Anbaus Umweltbedingungen kontrolliert und eingestellt und dadurch Stressbedingungen entweder vermieden oder gezielt untersucht werden.

Hintergrund

Die Hochschule Neubrandenburg, das Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. (INP) und Wirtschaftsunternehmen starteten 2018 das Projekt ‚PHYSICS FOR FOOD – EINE REGION DENKT UM!‘. Das Bündnis entwickelt gemeinsam mit zahlreichen weiteren Partnern neue physikalische Technologien für die Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung. Dabei kommen Atmosphärendruck-Plasma, gepulste elektrische Felder und UV-Licht zum Einsatz.  Ziel ist es, Agrarrohstoffe zu optimieren und Schadstoffe in der Lebensmittelproduktion zu verringern, chemische Mittel im Saatgut-Schutz zu reduzieren und die Pflanzen gegenüber den Folgen des Klimawandels zu stärken.