Regelungen zur Fachkräfteeinwanderung

Ein Baustein zur Sicherung des Fachkräftebedarfs ist die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland. Neue Möglichkeiten der Zuwanderung aus Drittstaaten (Nicht-EU-Staaten), aber auch mehr Komplexität bieten die neuen gesetzlichen Regelungen.
Die Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes soll für qualifizierte Zuwanderung sorgen. Wir stellen Ihnen die wichtigsten Neuerungen vor.

Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung beschlossen

Der Bundesrat hat am 7. Juli 2023 das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung beschlossen. Die meisten Regelungen werden sechs Monate nach Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten, die Regelungen zur Blauen Karte EU zum 18. November 2023 und die neue Chancenkarte neun Monate nach Verkündung. Diese Zusammenstellung umfasst wichtige Änderungen, kann aber keinen vollständigen Überblick über die Neuregelungen geben. Für die verschiedenen Zuwanderungsmöglichkeiten müssen immer bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

Die wichtigsten Neuerungen

  • Bisher: Beschäftigung von Fachkräften nur in verwandten Berufen möglich
    Künftig: Beschäftigung in allen qualifizierten Berufen (nur bei Fachkräften mit förmlicher Anerkennung ihres Abschlusses)
  • Bisher: Einreise von Fachkräften mit in Deutschland anerkannter/m Berufsqualifikation bzw. Hochschulabschluss möglich
    Künftig: zusätzliche Möglichkeit der Einreise von Fachkräften mit ausländischer/m Berufsqualifikation/Hochschulabschluss und Berufserfahrung; kein förmliches Anerkennungsverfahren notwendig (nur bei nicht-reglementierten Berufen)
  • Bisher: Niederlassungserlaubnis für Fachkräfte aus dem Ausland nach 4 Jahren möglich
    Künftig: nach 3 Jahren möglich
  • Bisher: Aufenthaltsmöglichkeit für Fachkräfte mit Teilanerkennung zur Qualifizierung im Rahmen des Anerkennungsverfahrens
    Künftig: Anerkennungspartnerschaft als neue zusätzliche Möglichkeit: gesamtes Anerkennungsverfahren kann in Deutschland durchgeführt werden
  • Bisher: bei Fachkräften keine Vorrangprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit
    Künftig: Wegfall der Vorrangprüfung auch bei Auszubildenden
  • Bisher: Einreise zur Arbeitsplatzsuche für Fachkräfte mit Möglichkeit der Probearbeit von max. 10 Stunden/Woche und zur Ausbildungsplatzsuche ohne Möglichkeit der Probearbeit
    Künftig: Neuer Suchtitel: Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems mit Möglichkeit einer Nebenbeschäftigung von bis zu 20 Stunden/Woche und jeweils 14-tägigen Probebeschäftigungen
  • Weitere Erleichterungen des Zugangs für IKT-Fachkräfte mit Berufserfahrung, aber ohne Ausbildungs-/Hochschulabschluss (IKT = Informations- und Kommunikationstechnologie)
  • Mehr Möglichkeiten für Personen ohne Nachweis einer Qualifikation durch die Verstetigung der Westbalkanregelung mit Erhöhung des Kontingents und die neue kurzzeitige kontingentierte Beschäftigung

3-Säulen-Modell der Fachkräfteeinwanderung

Im neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz spricht die Bundesregierung von den 3 Säulen der Fachkräfteeinwanderung:
1. Fachkräftesäule
2. Erfahrungssäule
3. Potenzialsäule

1. Säule: Fachkräftesäule

Die Fachkräftesäule soll die zentrale Säule der Fachkräfteeinwanderung sein. Hier sind internationale Fachkräfte gemeint, die
  • im Ausland ein Hochschulstudium abgeschlossen haben, das in Deutschland anerkannt ist, oder
  • im Ausland eine Berufsqualifikation erworben haben und im Berufsanerkennungsverfahren einen Bescheid über die volle Gleichwertigkeit mit einem deutschen Abschluss erhalten haben oder
  • in Deutschland ein Studium oder eine qualifizierte Ausbildung absolviert haben
Diese Personen dürfen künftig in allen qualifizierten Berufen arbeiten (gilt nicht für reglementierte Berufe wie Heil-, Pflege- und Lehrberufe). Für diese Aufenthaltstitel sind ein Arbeitsplatzangebot bzw. -vertrag und die Anerkennungsnachweise erforderlich. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, gibt es künftig einen Anspruch auf diese Titel; daher können sie auch in Deutschland beantragt werden, wenn die Einreise mit einem Visum außerhalb des Erwerbskontextes erfolgt ist.
Zudem wurden die Bestimmungen für die Blaue Karte EU im Zuge der Umsetzung der EU-Hochqualifiziertenrichtlinie angepasst:
  • Ausweitung des Geltungsbereichs von Hochschulabschlüssen auf äquivalente Abschlüsse wie Meister, Techniker, Fachwirte etc. sowie auf berufserfahrene Personen aus dem IKT-Bereich (3 Jahre Berufserfahrung in den letzten 7 Jahren)
  • Inhaber einer Blauen Karte EU müssen eine ihrer Qualifikation angemessene Beschäftigung ausüben
  • Absenkung der Mindestgehaltsgrenze auf 43.800 Euro bzw. 39.682,80 Euro für Engpassberufe und Berufsanfänger (statt 58.400 Euro bzw. 45.552 Euro in 2023)
  • Erleichterungen u. a. bei Familiennachzug, Arbeitgeberwechsel, Mobilität innerhalb der EU sowie Erlangung eines Daueraufenthalts EU
  • Die Regelungen zur Blauen Karte EU treten bereits zum 18. November 2023 in Kraft
Außerdem können wie bisher Personen einreisen, die in Deutschland eine Ausbildung absolvieren möchten und bereits einen Ausbildungsvertrag mit einem Unternehmen haben. Hier wurde – wie es bereits für Fachkräfte gilt – die Vorrangprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit abgeschafft.

2. Erfahrungssäule

Neu ist, dass künftig auch Personen ohne förmliches Anerkennungsverfahren in Deutschland als Fachkraft arbeiten dürfen. Für die Erfahrungssäule gilt folgendes:
  • Vorausgesetzt wird eine im Herkunftsland staatlich anerkannte mind. 2-jährige Berufsqualifikation bzw. ein Hochschulabschluss und mind. 2 Jahre Berufserfahrung (in den letzten 5 Jahren)
  • Verzicht auf Anerkennung in Deutschland bei nicht-reglementierten Berufen
  • berufserfahrene IKT-Spezialisten müssen nur die Berufserfahrung, aber keinen Abschluss nachweisen
  • Weitere Voraussetzungen:
    - Mindestgehalt von rund 39.700 Euro – bei tarifgebundenen Unternehmen darf im Rahmen des Tarifvertrags nach unten abgewichen werden.
    - Tätigkeit in einem in Bezug auf die Qualifikation/Berufserfahrung verwandten Beruf
    - vorliegendes/r Arbeitsangebot/-vertrag
In die Erfahrungssäule wurde daneben die so genannte Anerkennungspartnerschaft aufgenommen: Das Anerkennungsverfahren kann in Deutschland durchgeführt werden, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich verpflichten, es unverzüglich nach der Einreise zu starten und eine ggf. erforderliche Anpassungsqualifizierung durchzuführen. Währenddessen kann der Arbeitnehmer dort eine qualifizierte Beschäftigung ausüben. Auch für die Anerkennungspartnerschaft müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestimmte Voraussetzungen erfüllen.

3. Säule: Potenzialsäule

Bei der neuen Chancenkarte handelt es sich um einen Suchtitel. Die Personen können ohne Angebot/Vertrag zur Suche einer Arbeit, Ausbildung oder Qualifizierung im Rahmen des Anerkennungsverfahrens für max. 12 Monate einreisen. Dafür müssen sie folgende Grundvoraussetzungen erfüllen:
  • gesicherter Lebensunterhalt und
  • im Herkunftsland staatlich anerkannte/r mind. 2-jährige Berufsqualifikation oder Hochschulabschluss und
  • mindestens Deutschkenntnisse Niveau A1 oder Englischkenntnisse Niveau B2
Zusätzlich müssen sie entweder eine volle Anerkennung ihres Berufs- oder Hochschulabschlusses oder mindestens 6 Punkte gemäß der so genannten Chancenkarte vorweisen. Kriterien für die Punktevergabe sind dabei Qualifikation, Berufserfahrung, Engpassberuf, weitere Sprachkenntnisse, Alter, Deutschlandbezug sowie der/die mitziehende Ehe-/Lebenspartner/in. Erhalten die Suchenden ein/en Arbeitsplatzangebot/-vertrag, erfüllen aber noch nicht alle Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel zur Beschäftigung, kann die Chancenkarte einmalig um bis zu 2 Jahre verlängert werden (Folge-Chancenkarte).
Für Ausbildungsplatzsuchende wurden die bisherigen Voraussetzungen erleichtert.
Die Suchtitel ermöglichen:
  • Probebeschäftigungen von jeweils 2 Wochen (Vollzeit)
  • Nebenbeschäftigung von max. 20 Stunden pro Woche (auch zur Unterhaltssicherung)

Möglichkeiten für Personen ohne Nachweis einer Qualifikation

Westbalkan-Regelung

Im Rahmen der Westbalkan-Regelung können Personen aus den 6 Westbalkan-Staaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Republik Nordmazedonien, Montenegro und Serbien auch ohne Nachweis einer Qualifikation in Deutschland arbeiten. Es gab folgende Änderungen:
  • Regelung wird entfristet
  • Kontingent wird von 25.000 auf 50.000 Personen/Jahr verdoppelt

Kurzfristige kontingentierte Beschäftigung

Im Rahmen von Kontingenten, die die Bundesagentur für Arbeit für bestimmte Wirtschaftszweige bzw. Berufsgruppen festlegen kann, können Personen unabhängig von ihrer Qualifikation unter bestimmten Voraussetzungen befristet beschäftigt werden:
  • regelmäßige Wochenarbeitszeit mind. 30 Stunden
  • Befristung der Beschäftigung auf max. 8 Monate innerhalb von 12 Monaten
  • Arbeitgeber muss der Tarifbindung unterliegen und zu tariflichen Bedingungen beschäftigen
  • Arbeitgeber muss Reisekosten tragen
  • Sozialversicherungsfreiheit ist ausgeschlossen
  • Insgesamt kann ein Unternehmen nur 10 Monate von 12 Monaten Ausländer/-innen nach dieser Regelung beschäftigen

Änderungen im Zusammenhang mit der Asylmigration

Spurwechsel für Asylbewerber

Asylbewerber können einen Aufenthaltstitel zur qualifizierten Beschäftigung in Deutschland beantragen, wenn sie ein/en Arbeitsplatzangebot bzw. -vertrag haben. Der Asylantrag muss zurückgezogen werden. Diese Regelung betrifft Personen,
  • die bis zum 29. März 2023 einen Asylantrag gestellt haben und
  • die die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nach §§ 18a (anerkannter Berufsabschluss), 18b (anerkannter Hochschulabschluss oder äquivalenter Abschluss), 19c Abs. 2 AufenthG i. V. mit § 6 BeschV (ausgeprägte berufspraktische Erfahrung) erfüllen

Umwandlung der Ausbildungsduldung in eine Aufenthaltserlaubnis

  • Voraussetzungen bleiben unverändert
  • statt Duldung neuer Aufenthaltstitel § 16g AufenthG
  • bestehende Ausbildungsduldungen sollen nach Inkrafttreten des Gesetzes als Aufenthaltstitel nach § 16g AufenthG fortgeführt werden

Weitere Informationen

Weitere Informationen zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung sind auf der Internetseite der Bundesregierung abrufbar.