DIHK-Ausbildungsumfrage 2023
Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt bleibt für Unternehmen angespannt. Immer mehr Betriebe finden nicht genügend Auszubildende. Mit einem neuen Allzeithoch von 47 Prozent ist knapp die Hälfte der Ausbildungsbetriebe im Bereich der Industrie- und Handelskammern (IHKs) betroffen. Bei mehr als 30.000 Betrieben kam noch nicht einmal eine Bewerbung an.
Besonders vergeblich suchen Gastronomie, Industrie und Handel nach Auszubildenden. Das sind die Ergebnisse der aktuellen Ausbildungsumfrage 2023 der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), die auf den Erfahrungen des vergangenen Jahres fußen.
„Doch es gibt auch erfreuliche Entwicklungen: Die aktuellen Zahlen zu Ausbildungsvertragsabschlüssen von Ende Juli sind leicht positiv. Es bestehen insgesamt gute Aussichten, dass 2023 mehr Betriebe und Azubis über einen Ausbildungsvertrag zueinander finden als im Vorjahr“, sagt Achim Dercks, stellvertretender DIHK-Hauptgeschäftsführer.
Die Gründe für die insgesamt weiter angespannte Lage am Ausbildungsmarkt sind vielfältig.
„Vor allem schlägt der demografische Wandel durch. Die Jahrgänge dünnen immer weiter aus“, so Dercks.
Heute gibt es rund 100.000 weniger Schulabgängerinnen und Schulabgänger als noch vor zehn Jahren. Das führt unter anderem dazu, dass bald bis zu 400.000 Beschäftigte mehr den Arbeitsmarkt verlassen, als neue hinzukommen. Die Baby-Boomer-Generation geht in Rente, die Generation Z kann dies nicht ausgleichen.
„Es gibt zudem eine Zwischenphase nach dem Schulabschluss, in denen viele junge Menschen noch nicht wissen, was sie machen sollen. Sie gehen auf Reisen, fangen ein Studium an oder bleiben erst einmal ohne Beschäftigung zuhause.“
Die mangelnde berufliche Orientierung ist deshalb ein zweites großes Problem für den Ausbildungsmarkt. Um dem entgegenzuwirken, wollen acht von zehn Unternehmen ihr Engagement auf diesem Gebiet intensivieren. Konkret bieten 61 Prozent der Unternehmen mehr Praktikumsplätze und damit praktische Einblicke in den Betriebsalltag an. Auch das Angebot an Veranstaltungen (48 Prozent) und digitalen Möglichkeiten (26 Prozent) steigt. Mehr Ausbildungsbotschafter und Azubiscout-Angebote wollen 16 Prozent der Betriebe nutzen, um zielgruppengerecht für die beruflichen Perspektiven einer dualen Berufsausbildung zu werben.
„Viele Unternehmen strengen sich sehr an, Nachwuchskräfte zu finden und an sich zu binden“, so Dercks. „Die Bedürfnisse der Azubis stehen dabei immer häufiger im Vordergrund.“
Arbeiten in flachen Hierarchien (62 Prozent) und mit moderner IT-Technik (49 Prozent) sind Maßnahmen, mit denen die Betriebe auf die Wünsche der Generation Z eingehen. Finanzielle Anreize, beispielsweise durch Zuschüsse zur Mobilität oder zum Wohnen, wollen 42 Prozent der Unternehmen anbieten. Die IHK-Ausbildungsbetriebe stellen sich auch immer mehr auf junge Menschen mit Startschwierigkeiten ein. 80 Prozent der Betriebe gaben an, sich auf diesem Gebiet stärker zu engagieren und setzen oft auf mehrere Maßnahmen gleichzeitig. So haben 35 Prozent ein eigenes Nachhilfeangebot im Unternehmen. Mehr als jeder vierte Betrieb (28 Prozent) nutzt zusätzlich die ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH) der Bundesagentur für Arbeit, 14 Prozent bieten zudem Einstiegsqualifizierungen (EQ) an und sechs Prozent setzen die Assistierte Ausbildung (AsA) ein.
„Das Engagement der Unternehmen lohnt sich.“ Nach einer aktuellen Wasserstandsmeldung der IHKs zu den diesjährigen Ausbildungsverträgen kann die Wirtschaft etwas hoffen. Bis Ende Juli wurden knapp 207.000 neue Ausbildungsverträge im IHK-Bereich gezählt, das sind 3,7 Prozent mehr als im Vorjahresmonat.
„Das ist ein Silberstreif am Horizont, aber noch lange keine Entspannung“, sagt Achim Dercks. Eine Prognose für das gesamte Jahr könne aufgrund der Zahlen noch nicht abgeben werden. „Wichtig ist, dass wir uns weiter gemeinsam engagieren, dass das Interesse an einer Berufsausbildung wieder steigt.“ Die IHKs haben auch deshalb im Frühjahr die erste große deutschlandweite Ausbildungs-Kampagne gestartet. Mit der Offensive "Jetzt #könnenlernen – Ausbildung macht mehr aus uns“ werben IHKs und die DIHK für die duale Ausbildung.
Jetzt sei die Politik gefordert, dieses Engagement der Unternehmen zu unterstützen.
„Die Lehrpläne in den Jahren vor dem Schulabschluss sollten etwa die berufliche Orientierung stärker berücksichtigen.“
Wirtschafts-, Finanz- oder MINT-Themen müssten eine größere Rolle spielen. Auch die Möglichkeit zu mehr Praktika sei ein probates Mittel, den Schülerinnen und Schülern Einblicke in die Praxis zu gewähren.
„Vielleicht eher kürzere Praktika aber dafür mehrere. Das können auch die Unternehmen zusätzlich zum laufenden Betrieb besser stemmen.“
Die letzten Wochen vor den Sommerferien könnten dafür intensiver genutzt werden. Maßnahmen wie die gesetzliche Ausbildungsgarantie, die unlängst beschlossen wurde, sehen die Unternehmen nach wie vor kritisch.
„Es gibt viel mehr offene Stellen als Bewerberinnen und Bewerber. Da sollte für jeden etwas dabei sein.“
Weit sinnvoller wäre es gewesen, die Chancengarantie im Rahmen der Allianz für Aus- und Weiterbildung weiterzuentwickeln: Jeder ausbildungsinteressierte Jugendliche, der bis Ende September ohne Ausbildungsplatz ist, erhält drei Angebote für eine betriebliche Ausbildung – wenn auch nicht immer im Wunschberuf.
Fest steht: „Die duale Ausbildung ist der Motor der Fachkräftesicherung in Deutschland und weltweit hoch angesehen“, so Dercks. „Wir müssen uns gemeinsam anstrengen, dass die duale Ausbildung unter den jungen Menschen an Beliebtheit gewinnt und die Betriebe wieder genügend Auszubildende finden.“
- die Ergebnisse im Detail (DIHK)