Azubi-Mangel weitet sich aus
Auszubildende dringend gesucht – mehr denn je ist das für viele Unternehmen eines der drängenden Probleme. Beinahe die Hälfte (49 Prozent) aller Ausbildungsbetriebe im Bereich der Industrie- und Handelskammern (IHKs) konnte im vergangenen Jahr nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. Das ist ein neuer Negativrekord und eine Steigerung um zwei Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr.
- Persönliche Kontakte sind Trumpf bei der Nachwuchsgewinnung
- Lage in Unternehmen angespannt
- Persönlicher Kontakt und persönliche Ansprache versprechen meisten Erfolg
- Die Suche nach Auszubildenden hat sich längst auch in die sozialen Medien verlagert.
- Die Gründe für den Auszubildenden-Mangel sind vielfältig.
- Schwerpunktthema: Auszubildende aus Drittstaaten
- Unzureichende Deutschkenntnisse sind größte Herausforderung
- Weitere Details
- Bundesweite Azubi-Kampagne
Persönliche Kontakte sind Trumpf bei der Nachwuchsgewinnung
Mehr als ein Drittel (35 Prozent) der Betriebe mit Besetzungsschwierigkeiten geben sogar an, sie hätten keine einzige Bewerbung erhalten. Hochgerechnet sind das knapp 30.000 Ausbildungsbetriebe, die leer ausgingen. Besonders betroffen sind die Branchen Industrie, das Gastgewerbe, der Handel, die Verkehrsbranche und das Baugewerbe. Das ist das Ergebnis der Ausbildungsumfrage 2024 der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), an der sich mehr als 13.000 Unternehmen beteiligt haben.
Lage in Unternehmen angespannt
„Die Zahlen unterstreichen die wachsenden Herausforderungen auf dem Ausbildungsmarkt. Die Lage ist für viele Unternehmen angespannt – trotz der aktuell schlechten Konjunktur und den strukturellen Herausforderungen. Denn viele Betriebe suchen angesichts des demografischen Wandels händeringend nach Auszubildenden. Aber es fehlt in den meisten Branchen an Nachwuchs. Die kleinen Betriebe haben am meisten zu kämpfen“, sagt der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. “Der Fachkräftemangel fängt bereits bei den Auszubildenden an.“
Persönlicher Kontakt und persönliche Ansprache versprechen meisten Erfolg
Um junge Menschen für die eigene Branche oder den Beruf zu interessieren, setzen die Unternehmen mittlerweile auf die unterschiedlichsten Möglichkeiten, potenzielle Auszubildende anzusprechen. Die Praxis zeigt, dass vor allem der persönliche Kontakt und die persönliche Ansprache erfolgreich sind. Neben der eigenen Website als wichtigster Plattform (86 Prozent) lernen über 70 Prozent der Betriebe künftige Azubis durch Initiativen wie Schnuppertage, Job-Messen und Praktika kennen.
„Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Botschafter ihres Unternehmens“, so Dercks.
73 Prozent der Unternehmen nutzen die Authentizität der eigenen Belegschaft, um erfolgreich auf sich aufmerksam zu machen. Diese analogen Kommunikationskanäle bieten die Möglichkeit, tiefergehende und persönliche Beziehungen aufzubauen.
Die Suche nach Auszubildenden hat sich längst auch in die sozialen Medien verlagert.
„Junge Menschen nutzen die Social-Media- und Berufs-Plattformen sehr intensiv. Für Betriebe lohnt es sich, dort aktiv zu sein.“
Mehr als die Hälfte der Unternehmen betreiben aktives Marketing über Social Media. Mit innovativen Rekrutierungs- und verbesserten Ausbildungskonzepten ziehen die Betriebe so Aufmerksamkeit auf sich.
Wichtig für junge Menschen ist auch ein moderner Arbeitsalltag im Ausbildungsbetrieb selbst. Deshalb legen die Unternehmen vermehrt Wert auf
Wichtig für junge Menschen ist auch ein moderner Arbeitsalltag im Ausbildungsbetrieb selbst. Deshalb legen die Unternehmen vermehrt Wert auf
- flache Hierarchien,
- attraktive IT-Ausstattung,
- finanzielle Anreize,
- Auslandsaufenthalte oder
- neue Lern- und Lehrkonzepte.
„Die Unternehmen verstärken ihre Anstrengungen für einen interessanten Ausbildungsplatz. Mit einem breiten Mix an Aktivitäten engagieren sie sich für die Ausbildung, ihren Nachwuchs und ihre künftigen Fachkräfte“, sagt Achim Dercks.
Die Gründe für den Auszubildenden-Mangel sind vielfältig.
Die Gründe für den Auszubildenden-Mangel insgesamt sind vielfältig. Vor allem drückt der demografische Wandel. Zudem fehlt den jungen Menschen eine effiziente und zielgerichtete Berufsorientierung. Dabei geht es nicht nur um die Frage, welchen Beruf sie erlernen wollen, sondern um generelle Unsicherheiten, die mit dem neuen Lebensabschnitt zusammenhängen.
„Hilfreich wäre es, wenn bereits in den Schulen für die Berufsorientierung ausreichend Zeit eingeplant wird. Wirtschafts-, Finanz- oder MINT-Themen müssen im Unterricht eine größere Rolle spielen“, sagt Achim Dercks. Die IHK-Organisation setzt ihre bundesweite Azubikampagne „Ausbildung macht mehr aus uns“ fort und informiert junge Menschen und deren Eltern über die vielfältigen Chancen einer dualen Ausbildung in IHK-Berufen.
Die Schulabgänger müssen aber ausreichende Basiskompetenzen für eine Berufsausbildung mitbringen. Notwendige Voraussetzung sind
- ein Minimum an Mathematik- und Deutschkenntnissen sowie
- Lernbereitschaft und
- Umgangsformen.
Nur so kann die Ausbildung für die Auszubildenden und für die Betriebe gelingen.
Die jüngsten PISA-Studien oder der Nationale Bildungsbericht zeigen jedoch, dass es zunehmend an einer soliden Grundbildung mangelt und sich schulische Leistungen im Schnitt kontinuierlich verschlechtern.
„Unser Bildungssystem muss an dieser Stelle besser werden. Die Unternehmen nehmen aus der Not heraus immer mehr selbst in die Hand und unterstützen junge Menschen mit Startschwierigkeiten auf verschiedenste Weise“, sagt Achim Dercks.
Das reicht von Nachhilfe in Deutsch und Mathematik über sozialpädagogische Dienste bis hin zu Coaching-Programmen zur Verbesserung von Selbstmanagement und Motivation.
„Wir müssen gemeinsam die Anstrengungen ausbauen und die potenziellen Auszubildenden und die Betriebe besser zusammenbringen. Das geht am besten über praxisnahe und niedrigschwellige Kennenlernangebote“, so Dercks.
Viele Industrie- und Handelskammern bieten mittlerweile Initiativen zur Berufsorientierung an:
- Bustouren in die Unternehmen,
- virtuelle Betriebseinblicke,
- Ausbildungspartys oder
- Schulkooperationen.
„Denn eins ist klar: Ohne junge Nachwuchskräfte fehlt uns bald die Basis für unsere Industrie, für den Mittelstand, für die kleinen Betriebe – und damit für den Wohlstand auch der jungen Generationen.“
Schwerpunktthema: Auszubildende aus Drittstaaten
„Immer mehr Unternehmen haben Erfahrung mit der Ausbildung von Menschen aus dem Ausland“, so Achim Dercks.
Bereits jeder zweite Betrieb hat junge Menschen aus anderen Herkunftsländern ausgebildet oder versucht, diese zu gewinnen (48 Prozent). Das ist eine deutliche Steigerung gegenüber 2019, als dieser Anteil bei 41 Prozent lag. 2024 haben gut ein Drittel schon einmal Auszubildende aus Drittstaaten, also Nicht EU-Staaten, ausgebildet (35 Prozent). Das bedeutet einen Anstieg gegenüber 2019 (30 Prozent). „Insbesondere in der Gastronomie und in der Transport- und Logistikbranche sind Azubis aus dem Ausland gefragt.“
Die DIHK-Ausbildungsumfrage zeigt, dass insbesondere kleinere Unternehmen mit weniger als 200 Mitarbeitenden signifikant an Erfahrung bei der Ausbildung ausländischer junger Menschen hinzugewonnen haben: Hatte 2019 noch ein Drittel der kleinen Unternehmen Auszubildende aus anderen Herkunftsländern ausgebildet (33 Prozent), so sind es 2024 bereits 42 Prozent. Bei Großunternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden gibt es eine leichte Steigerung auf hohem Niveau (74 Prozent).
Unzureichende Deutschkenntnisse sind größte Herausforderung
„Es bestehen aber nach wie vor noch Hürden bei der Einstellung ausländischer Auszubildender. Das betrifft vor allem die Sprache“, sagt Achim Dercks.
81 Prozent der Betriebe sehen in unzureichenden Deutschkenntnissen die größte Herausforderung. Umständliche bürokratische Prozesse bei Visum- und Aufenthaltsverfahren erschweren die Einstellungen für 43 Prozent der Ausbildungsbetriebe. Strukturelle Probleme wie fehlender Wohnraum in Betriebsnähe (28 Prozent) und mangelnde Integrationsunterstützung (17 Prozent) unterstreichen die Notwendigkeit, die Integration ausländischer Azubis bundesweit administrativ und systematisch zu unterstützen.
Im Jahr 2023 sind laut dem Statistischen Bundesamt deutlich mehr Menschen nach Deutschland eingewandert als ausgewandert (Saldo von 0,7 Millionen). Betriebe nutzen dieses Arbeitskräftepotenzial, um das Fachkräfteproblem zu lindern. Das gilt auch für den Ausbildungsmarkt: Laut der Bundesagentur für Arbeit befanden sich 2023 etwa 1,6 Millionen Menschen in einer Ausbildung. Unter den knapp 1,4 Millionen Deutschen sind auch viele mit Migrationshintergrund. Und mehr als 200.000 Auszubildende haben keinen deutschen Pass. Das entspricht einem Anteil von rund 13 Prozent – gut 8 Prozent mehr als im Vorjahr und doppelt so viel wie vor zehn Jahren. Jeder vierte ausländische Auszubildende (23 Prozent) kommt aus der EU. Die große Mehrheit (77 Prozent) kommt aus Nicht-EU Staaten. Auszubildende aus Nicht-EU Staaten stellen damit 10 Prozent der Menschen in beruflicher Bildung.
Weitere Details
- Die Gesamtergebnisse der Umfrage mit allen Details und Grafiken können Sie abrufen unter “Weitere Informationen” (PDF-Datei).
- Ausbildungsumfrage 2024 (Link zur DIHK)
- IHK-Ausbildungskampagne (bundesweit)
- Nationaler Bildungsbericht 2024 (Link zum Bundesministerium für Bildung und Forschung)
Bundesweite Azubi-Kampagne
Die bundesweite Ausbildungskampagne. Jeder kann etwas. Oder zumindest kann jeder lernen, etwas zu können. In über 330 IHK-Ausbildungsberufen. Außerdem gibt's Mitmachaktionen und viele interessante Infos für Schüler, Angehörige und Betriebe.