6. Mai 2024

Stagnation statt Aufbruch – Die regionale Wirtschaft hofft auf Europa

Die Geschäftslage der bayerisch-schwäbischen Wirtschaft hat sich weiter
verschlechtert. Die Erwartungen der Unternehmen sind dagegen etwas weniger
pessimistisch als zu Jahresbeginn. Der IHK-Konjunkturindex stagniert daher bei
101 Punkten. „Der erhoffte Stimmungsaufschwung bleibt aus“, stellt Dr. Marc
Lucassen, Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben, bei der Vorstellung der
aktuellen IHK-Konjunkturumfrage fest. Das größte Risiko der wirtschaftlichen
Entwicklung sind weiterhin die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. IHK-
Präsident Reinhold Braun: „Die regionale Wirtschaft hat mit vielen
Herausforderungen zu kämpfen. Daher ist es umso ärgerlicher, dass die
hausgemachten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen weit mehr Schaden
als Nutzen stiften. Der Frust der Unternehmerschaft über die Regierung sitzt tief,
die Hoffnungen auf einen starken europäischen Wirtschaftsraum sind dagegen
hoch.“
Vom 8. bis 18. April 2024 hat die IHK Schwaben einen repräsentativen Querschnitt ihrer
Mitgliedsunternehmen aus Produktion, Handel und Dienstleistungen zur aktuellen Lage,
den künftigen Erwartungen und den größten konjunkturellen Risiken befragt. Rund 800
Unternehmen haben geantwortet. Die Ergebnisse stellte die IHK Schwaben im Rahmen
eines Pressegesprächs vor.
Schlechte Geschäfte, fehlende Impulse
Obwohl der IHK-Konjunkturindex als geometrisches Mittel aus Geschäftslage und
Erwartungen im Vergleich zum Jahresbeginn um einen Punkt auf aktuell 101 Punkte
gestiegen ist, ist die gesamtwirtschaftliche Stimmung weiterhin unbefriedigend. Lucassen:
„Die regionale Wirtschaft kommt nicht aus ihrem Stimmungsblues der Nach-Corona-
Jahre.“ So beurteilt weiterhin rund jedes fünfte Unternehmen seine aktuelle Geschäftslage
als schlecht. Über ein Viertel erwartet sogar, dass sich diese weiter verschlechtern wird.
„Die regionale Wirtschaft tritt auf der Stelle. Der IHK-Konjunkturindex kann die
Wachstumsschwelle von 100 nur mit Mühe überschreiten. Im Vergleich zum zehnjährigen
Durchschnitt von 117 Punkten zeichnet sich ein unverändert düsteres Bild ab. Während
viele europäische Volkswirtschaften die Verluste der Corona-Jahre bereits ausgleichen
konnten, finden wir nicht auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurück“, erklärt der IHK-
Hauptgeschäftsführer die Entwicklung des IHK-Konjunkturindex im Frühjahr 2024.
Branchen entwickeln sich ähnlich, das Baugewerbe verschlechtert sich deutlich
Die konjunkturelle Spreizung zwischen den Branchen hat sich im Vergleich zum
Jahresbeginn wenig verändert. Während das Reise- und Gastgewerbe und der
Einzelhandel hinzugewinnen können, bewegen sich die Industrie und die Dienstleistungen
seitwärts. Besorgniserregend ist dagegen, dass sich die Stimmung im Baugewerbe auch
im Vergleich zu den übrigen Branchen nochmals deutlich verschlechtert hat und nun
abgeschlagen am Ende aller Branchen liegt.
Schwaches Auslandsgeschäft belastet die exportorientierte Industrie
„Die Industrie ist besonders stark vom weiterhin schwachen Auslandsgeschäft betroffen“,
so Lucassen. So hat sich das Auftragsvolumen aus allen Weltregionen verschlechtert.
Positive Aussichten kommen dagegen einzig aus den USA. Lucassen weiter: „Besonders
wichtig wären daher Wachstumsimpulse des Europäischen Binnenmarktes – hier hoffen
viele Unternehmen auf eine positive Entwicklung nach den Europawahlen.“
Investitionsschub rückt in weite Ferne
Die Investitionsabsichten der Unternehmen im Inland verharren auf niedrigem Niveau.
Seit Jahresbeginn sind sie weiter gesunken und liegen unverändert im negativen Bereich.
„Eine Verbesserung des Investitionsklimas ist nicht in Sicht“, stellt Lucassen mit Blick auf
die Umfrageergebnisse fest. Seit über zwei Jahren planen mehr Unternehmen im Ausland
statt im Inland zu investieren. Der Verlust der heimischen Wettbewerbsfähigkeit lässt sich
auch daran ablesen, dass sowohl Kapazitätserweiterungen als auch Produktinnovationen
nur eine untergeordnete Rolle spielen. Lucassen: „Im Ausland wird in Wachstum
investiert, im Inland meist nur die Substanz erhalten.“
Risiken bleiben unverändert hoch
Die wirtschaftlichen Risiken verlieren weder an Bedeutung noch an Dringlichkeit. Die
größten Risiken sind quer über alle Branchen hinweg die wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen (65 Prozent) und die Inlandsnachfrage (60 Prozent). „Besonders
das Risiko der sich im Inland abkühlenden Nachfrage hat sich weiter verschärft. Dennoch
bleiben die hausgemachten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen das größte
Risiko. Rund zwei Drittel aller Unternehmen klagen über zu viel Bürokratie oder im
internationalen Wettbewerb zu hohe Steuern und Abgaben“, erläutert Braun. Doch auch
die Energie- und Rohstoffpreise, die Arbeitskosten und der Arbeits- und Fachkräftemangel
verlieren für jeweils mehr als jedes zweite Unternehmen nicht an Bedeutung.
Wirtschaft wählt Europa – für einen starken und wettbewerbsfähigen Binnenmarkt
Europa ist der mit weitem Abstand wichtigste Exportmarkt der heimischen Wirtschaft. Erst
deutlich dahinter folgen die USA und China. „Ohne die Europäische Union und einen
starken europäischen Binnenmarkt droht uns ein massiver Wohlstandsverlust“, stellt
Braun im Hinblick auf die Europawahl am 9. Juni 2024 fest. Unter dem Motto „Die
Wirtschaft wählt Europa – Machen Sie mit!“ wirbt die IHK daher deutschlandweit für die
Wahlen zum Europäischen Parlament. Braun: „Wir treten für mehr Wettbewerbsfähigkeit,
einen starken Binnenmarkt, eine pragmatische Handelspolitik, bezahlbare Energie und
weniger Bürokratie ein. Europa muss das sich jetzt bietende Zeitfenster nutzen, um sich
im Wettbewerb zu den USA und China zu positionieren – sonst drohen wir langfristig
zwischen diesen beiden Wirtschaftsräumen zerrieben zu werden.“