Abgrenzung zum Handwerk

Handwerksrechtliche Bestimmungen und ihre Auslegung

Dem Industrie- und Handelskammergesetz (IHKG) zufolge gehören diejenigen Gewerbebetriebe zur IHK, die nicht zur HwK gehören (in der Praxis sind allerdings viele Unternehmen beiden Kammern zugehörig).
Die HwO enthält ein Verzeichnis derjenigen Gewerbe, die als zulassungspflichtiges Handwerk betrieben werden können. Hierzu bedarf es der Eintragung in die Handwerksrolle (sogenannt „Meisterpflicht“).
In der Anlage B Abschnitt 1 (B1) ist ein Verzeichnis derjenigen Gewerbe, die als zulassungsfreies Handwerk, in der Anlage B Abschnitt 2 (B2) ein Verzeichnis derjenigen Gewerbe, die handwerksähnlich betrieben werden können, aufgeführt. Beide Gewerbearten sind „meisterfrei“, jedoch ist eine Eintragung in das entsprechende Verzeichnis bei der HwK erforderlich.
Die Schwierigkeit bei der Abgrenzung ergibt sich in der Praxis jedoch häufig deshalb, weil nur Teiltätigkeiten aus einem zulassungspflichtigen Handwerk ausgeübt werden oder die handwerkliche Tätigkeit nur einen Teilbereich der gewerblichen Tätigkeit betrifft.

Einfache Tätigkeiten bei zulassungspflichtigen Handwerken

Einfache, für ein zulassungspflichtiges Handwerk nicht wesentliche Tätigkeiten aus Berufsbildern von zulassungspflichtigen Handwerken der Anlage A können „meisterfrei“ ausgeübt werden. Erforderlich ist hier nur die Gewerbeanmeldung bei der zuständigen Gemeinde. Zu diesen einfachen beziehungsweise nicht wesentlichen Tätigkeiten gehören jedoch nur solche, die
  1. in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können,
  2. zwar eine längere Anlernzeit verlangen, aber aus der Gesamtsicht des zulassungspflichtigen Handwerks nebensächlich sind oder
  3. nicht aus einem zulassungspflichtigen Handwerk entstanden sind.
Ob die entsprechenden Voraussetzungen der Ziffern Nr. 1 bis 3 vorliegen, sollte vor einer Gewerbeanmeldung mit der IHK und der HwK abgeklärt werden.
Achtung: Ein Häufen oder Kombinieren mehrerer einfacher Tätigkeiten (Ziffer 1 und 2) kann jedoch dazu führen, dass sie einen wesentlichen Teil eines Handwerks ausmachen, mit der Folge, dass diese kombinierten Tätigkeiten wiederum der Meisterpflicht unterliegen.

Zulässige Ausübung eines meisterpflichtigen Handwerks der Anlage A

Ein zulassungspflichtiges Handwerk der Anlage A kann ausüben, wer über die erforderliche Eintragung in die Handwerksrolle oder eine entsprechende Ausübungsberechtigung beziehungsweise eine Ausnahmebewilligung verfügt.
Achtung: Der Gewerbetreibende ist verpflichtet, der HWK die für die Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen erforderliche Auskunft über Art und Umfang seines Betriebes, über die Zahl der im Betrieb beschäftigten gelernten und ungelernten Personen und über handwerkliche Prüfungen des Betriebsinhabers und des Betriebsleiters sowie über die vertragliche und praktische Ausgestaltung des Betriebsleiterverhältnisses zu erteilen sowie auf Verlangen hierüber Nachweise vorzulegen (§ 17 Abs. 1 HwO).

1. Meisterprüfung

Eine Eintragung in die Handwerksrolle erhält, wer in dem von ihm zu betreibenden Handwerk oder in einem verwandten Handwerk (aufgeführt im sogenannte Verzeichnis der verwandten Handwerke) die Meisterprüfung bestanden hat.

2. Ingenieur- oder Diplomprüfung

Die Eintragungsvoraussetzung wird auch erfüllt durch eine Ingenieur- oder Diplomprüfung der betreffenden Fachrichtung beziehungsweise eine dem betreffenden zulassungspflichtigen Handwerk mindestens gleichwertige deutsche staatliche oder staatlich anerkannte Prüfung.

3. Industriemeister

Industriemeister mit einer fachlich einschlägigen Prüfung nach § 46 Abs. 2 BBiG (alt) werden direkt in die Handwerksrolle eingetragen. Die Feststellung trifft die jeweilige HwK.

4. Ausübungsberechtigung § 7 a HwO

Diese Berechtigung gilt für Antragsteller, die bereits mit einem Handwerk in der Handwerksrolle eingetragen sind. Sie können unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausübungsberechtigung für ein weiteres Handwerk oder wesentliche Teiltätigkeiten davon erhalten.

5. Altgesellenregelung § 7 b HwO

Des Weiteren können sich Gesellen nach sechs Jahren praktischer Tätigkeit in dem betreffenden Handwerk, davon vier Jahre in leitender Position, selbstständig machen (Altgesellenregelung). Sie erhalten eine sogenannte Ausübungsberechtigung. Ausgenommen hiervon sind jedoch Schornsteinfeger und die „Gesundheitshandwerke“.

6. Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO

Eine solche Ausnahmebewilligung kann erteilt werden, wenn meistergleiche Kenntnisse und Fertigkeiten (im praktischen, fachtheoretischen und betriebswirtschaftlichen Teil) nachgewiesen werden und die Ablegung der Meisterprüfung eine unzumutbare Belastung für den Antragsteller bedeuten würde.

7. Ausnahmebewilligung nach § 9 Abs. 1 HwO i.V.m. EU/EWR-Handwerk-Verordnung

Diese Bewilligung steht unter anderem Personen offen, welche in einem anderen EU/EWR-Land oder der Schweiz zum Beispiel sechs Jahre selbstständig tätig waren oder bei einer Tätigkeit von weniger als sechs Jahren noch eine wenigstens dreijährige staatlich anerkannte Ausbildung nachweisen können.
Hinweis: Bei Unternehmen aus dem EU/EWR-Bereich und der Schweiz, die berechtigt vom Herkunftsland aus Dienst- und Werkleistungen über die Grenze erbringen, genügt die erteilte Bescheinigung nach § 9 Abs. 2 HwO.
Wegen der Voraussetzungen zur Erteilung einer Ausnahmebewilligung sollte man sich direkt mit der örtlich zuständigen HwK in Verbindung setzen. Musteranträge und weiterführende Informationen enthält das Internetangebot der Handwerkskammern.

8. Betriebsleiter

Wer einen zulassungspflichtigen Handwerksbetrieb eröffnen will und nicht über die Meisterprüfung oder eine der oben genannten Voraussetzungen verfügt, hat die Möglichkeit einen Meister als Betriebsleiter einzustellen. An den entsprechenden Anstellungsvertrag werden jedoch von der HwK gewisse Anforderungen geknüpft. Aus dem Vertrag muss sich ergeben, dass der Betriebsleiter dem Unternehmen während der üblichen Arbeitszeit zur Verfügung steht. Die Arbeitszeit und das Gehalt müssen dem entsprechenden Tarifvertrag oder der Branchenüblichkeit entsprechen.
Tipp: Die Ausübungsberechtigung bzw. Ausnahmebewilligung kann unter Umständen auch auf einen Teilbereich des einschlägigen Handwerks beschränkt werden.
Achtung: Erst die Erteilung der Ausnahmebewilligung oder Ausübungsberechtigung und die daraufhin erfolgte Eintragung in Handwerksrolle berechtigen zur Handwerksausübung! Die Antragstellung allein reicht nicht.
Ebenso wenig genügt die bloße Anstellung eines Betriebsleiters ohne dessen Eintragung in die Handwerksrolle.

Sonderformen

Der Nebenbetrieb

Wird ein zulassungspflichtiges Handwerk als sogenannter Nebenbetrieb betrieben, gelten grundsätzlich ebenfalls die dargestellten Vorgaben zur Eintragung in die Handwerksrolle.
Eine Ausnahme hiervon stellt der sogenannte unerhebliche handwerkliche Nebenbetrieb dar.
Achtung: Der Begriff „handwerklicher Nebenbetrieb“ ist nicht gleichzusetzen/nicht gleichbedeutend mit einer nebengewerblich oder nebenberuflichen Ausübung des Handwerks!

Liegt überhaupt ein Nebenbetrieb im Sinne des § 3 Abs. 1 HwO vor?

Voraussetzung für einen Nebenbetrieb ist das Bestehen eines Hauptbetriebs, bei dem der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt. Beim Hauptbetrieb kann es sich zum Beispiel um ein anderes zulassungspflichtiges oder zulassungsfreies Handwerk, ein handwerksähnliches Gewerbe, oder um einen Betrieb aus dem Bereich Industrie, Handel, Landwirtschaft oder aus einem sonstigen Berufs- oder Wirtschaftszweig handeln.
  • Der Nebenbetrieb muss Waren zum Absatz handwerksmäßig herstellen oder Leistungen an/gegenüber Dritten handwerksmäßig bewirken.
  • Der oder die Inhaber des Haupt- und Nebenbetriebs müssen zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht identisch sein; rechtliche Identität ist nicht erforderlich.
  • Haupt- und Nebenbetrieb müssen organisatorisch verbunden sein. Das ist der Fall, wenn Arbeitsvorgänge und Betriebsabläufe ineinander greifen.
  • Der Nebenbetrieb muss dem Hauptbetrieb auch organisatorisch untergeordnet sein; der Nebenbetrieb „dient“ dem Hauptbetrieb.
  • Der Nebenbetrieb ergänzt und unterstützt das Angebot des Hauptbetriebs aus fachlicher Sicht und ist aus Verbrauchersicht sinnvoll (fachliche Verbundenheit; diese fehlt zum Beispiel bei Friseurbetrieb in Gastwirtschaft).
  • Die Leistungen des Nebenbetriebs sind für den Hauptbetrieb wirtschaftlich zweckmäßig; beispielsweise erleichtert der Nebenbetrieb den Betriebsablauf des Hauptbetriebs oder verarbeitet dessen Erzeugnisse oder Abfallprodukte weiter oder ergänzt diese (wirtschaftliche Verbundenheit).
  • Es liegt kein Hilfsbetrieb vor.

Ist der Nebenbetrieb auch unerheblich im Sinne des § 3 Abs. 2 HwO?

Die in der Handwerksordnung vorgeschriebene Meisterpflicht findet auf die betreffende Tätigkeit im Nebenbetrieb nur dann keine Anwendung, wenn die Tätigkeit lediglich in unerheblichem Umfang ausgeübt wird. Die Tätigkeit darf dabei die durchschnittliche Arbeitszeit eines ohne Hilfskräfte Vollzeit arbeitenden Betriebes des betreffenden Handwerkszweiges während eines Jahres nicht überschreiten (ca. 1664 Stunden/ Jahr). Diese Grenze gilt auch für Ein-Mann-Betriebe.

Der Hilfsbetrieb

Eine Handwerksrolleneintragung ist auch für an sich zulassungspflichtige Tätigkeiten nicht erforderlich, die im Rahmen eines Hilfsbetriebes ausgeübt werden. Der Hilfsbetrieb ist ebenfalls mit einem Hauptunternehmen verbunden. Fachliche Beziehungen zwischen Haupt- und Hilfsbetrieb sind jedoch kein zwingendes Erfordernis. Wesentlicher Unterschied zum Nebenbetrieb ist, dass der Hilfsbetrieb seine Leistungen regelmäßig nicht für Dritte, sondern für das Hauptunternehmen erbringt und dass ein Leistungsaustausch mit Dritten nur in den Grenzen des § 3 Abs. 3 Nr. 2 HwO stattfindet (siehe unten). Ein Hilfsbetrieb muss der wirtschaftlichen Zweckbestimmung des Hauptbetriebes dienen. Anders als beim „unerheblichen Nebenbetrieb“ gilt keine quantitative Beschränkung der Arbeitszeit.
Ein Hilfsbetrieb im weiteren Sinne ist auch dann gegeben, wenn Leistungen für Dritte erbracht werden, die
  • als handwerkliche Arbeiten untergeordneter Art zur gebrauchsfertigen Überlassung üblich sind. Dabei kann es sich um einfachere Zusammensetzungs- und Anschlussarbeiten für die von Industrie und Handel gelieferten Anlagen handeln oder aber um die Beseitigung von kleinen Mängeln, die bei der Lieferung von Gegenständen entstanden sind. Die Arbeiten müssen – isoliert betrachtet – einfach und branchenüblich sein und dürfen nicht zu viel Aufwand erfordern. Welche Arbeiten konkret darunter fallen, muss im Einzelfall für die jeweilige Branche entschieden werden.
  • in unentgeltlichen Pflege-, Installations-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten bestehen. Diese Arbeiten dürfen sich nur auf solche Gegenstände beziehen, die im Rahmen des Hauptbetriebes geliefert wurden. Dabei wird davon ausgegangen, dass diese Wartungsarbeiten bereits im Preis für die Hauptleistung enthalten sind. Wird hingegen die Wartung nur gegen einen Preisaufschlag übernommen, so ist die Unentgeltlichkeit nicht mehr gegeben.
  • in entgeltlichen Pflege-, Installations-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten an solchen Gegenständen bestehen, die in dem Hauptbetrieb selbst erzeugt worden sind oder für die der Hauptbetrieb als Hersteller im Sinne der Produkthaftungsgesetzes gilt. Hersteller ist nach dieser Definition, wer das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat oder wer sich durch Anbringung seines Namens, seiner Marke oder eines anderen unterscheidungskräftigen Kennzeichens als Hersteller ausgibt. Ferner gilt als Hersteller, wer ein Produkt zum Zwecke des Verkaufs, der Vermietung, des Mietkaufs oder einer anderen Form des Vertriebs mit wirtschaftlichem Zweck im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit in den Geltungsbereich des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einführt oder mitbringt.
Beispiel: Ein nicht handwerksrollenpflichtiger Hilfsbetrieb liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Beispiel vor, wenn ein Gebrauchtwagenhändler auch Kraftfahrzeuge zum Zwecke des Wiederverkaufs repariert, solange der reine Handel mit gebrauchten Fahrzeugen - die nicht repariert wurden - nach den erzielten Umsätzen überwiegt und der reine Handel dem Betrieb das Gepräge gibt.

Das Reisegewerbe

Grundsätzlich kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedes handwerkliche Gewerbe auch im Reisegewerbe ausgeübt werden. Die HwO ist hier nicht anwendbar, da sie nur für sogenannte stehende Gewerbe gilt. Damit dürfen im Reisegewerbe zulassungspflichtige handwerkliche Tätigkeiten ausgeübt werden, ohne dass der Meistervorbehalt gilt.
Hiervon gibt es allerdings gesetzliche Ausnahmen. So sind zum Beispiel gesundheitshandwerkliche Tätigkeiten im Reisegewerbe verboten (§ 56 Abs. 1 Ziff. d GewO).
Maßgeblicher Unterschied zum stehenden und damit der Handwerksordnung unterliegendem Gewerbe ist, wie der Gewerbetreibende seinen Auftrag erhält. Beim Reisegewerbe geht die Initiative zur Leistungserbringung eindeutig vom Anbietenden aus (zum Beispiel Scherenschleifen). Er sucht potenzielle Kunden auf und fragt nach Aufträgen. Die Verwendung von Werbeflyern mit entsprechenden Kontaktdaten ist im Reisegewerbe nicht zulässig, mit der Folge, dass bei entsprechender Werbung ein stehendes Gewerbe vorliegt, für das die mit der HwO einhergehende Meisterpflicht besteht.
Aber auch wer im Reisegewerbe tätig ist, kann grundsätzlich über eine Werkstatt verfügen. Diese darf allerdings nur zur Ausübung vorbereitender Tätigkeiten genutzt werden.
Achtung: Ist die Werkstatt auch Anlaufstelle für Kunden, spricht dies für die Ausübung eines der HwO unterliegenden Gewerbes. Auch bei „Folgeaufträgen“ (Kunden wenden sich direkt an den Reisegewerbetreibenden) ist im Zweifel von einem stehenden, den Vorschriften der HwO unterliegenden Gewerbe auszugehen.

Kunst

Zwischen künstlerischer Tätigkeit und Handwerk kann es ebenfalls zu Abgrenzungsfragen kommen. Von der HwK wird hier ein sehr enger Rahmen gezogen. Insbesondere folgt für sie aus der steuerrechtlichen Anerkennung als Künstler nicht zwangsläufig auch die Künstlertätigkeit aus gewerberechtlicher Sicht. Indizien für eine künstlerische Anerkennung durch die HwK sind:
  • Einstufung der Arbeiten als eigenschöpferische Leistung des Schaffenden
  • Hinreichende Beherrschung der Technik der betreffenden Kunstart
  • Künstlerische Gestaltungshöhe
  • Hervorbringen von Gegenständen und Gestaltungen nach persönlichen und nicht nach erlernbaren Begabungen
  • Ausbildung mit Abschluss an einer Akademie für bildende Künste oder ein ähnlicher Abschluss
  • Selbstständige, besondere künstlerische, wissenschaftliche und geistige Fähigkeiten bei der Schaffung von Gegenständen und Gestaltung ohne Einsatz von Hilfs- und Fachkräften
  • Fertigung von Einzelgegenständen und Gestaltung statt wiederholter Serienfertigung
  • Vorhandensein eines künstlerischen Ateliers statt einer gewerblichen Werkstatt
  • Absatz der geschaffenen Gegenstände und Gestaltungen in Galerien, auf Kunstausstellungen und Kunstmessen im Gegensatz zum Verkauf in Läden oder Boutiquen und auch sonst gewerblichen Absatzplätzen.

Industrie

Keine Eintragung in die Handwerksrolle ist auch für Industriebetriebe erforderlich. Jedoch gestaltet sich die Abgrenzung, wann ein Gewerbebetrieb handwerksmäßig und wann er industriell betrieben wird sehr schwierig. Es wurde vom Gesetzgeber insoweit bewusst darauf verzichtet, besondere Merkmale als charakteristisch für einen Handwerksbetrieb festzulegen. Angesichts der Problematik der Abgrenzung zwischen Industrie und Handwerk gibt es zu diesem Thema umfangreiche Literatur und Rechtsprechung.
Für die Abgrenzung werden verschiedene Kriterien herangezogen. Entscheidend ist jedoch die Bewertung im Einzelfall. Wichtig ist, dass meist keines der Merkmale allein zur Abgrenzung ausreicht. Umgekehrt müssen nicht sämtliche Merkmale für das Vorliegen eines Industriebetriebs vorliegen. Vielmehr ist die Beurteilung nach der Gesamtstruktur des Betriebes im Einzelfall entscheidend. Folgende nicht abschließende Kriterien sind für die Beurteilung maßgeblich:
  • Betriebsgröße
    Sie wird gemessen an der räumlichen Ausdehnung des Betriebes, der Zahl der Mitarbeiter, der Höhe des Umsatzes und des Kapitaleinsatzes. Die Betriebsgröße, insbesondere die Zahl der Mitarbeiter, ist dafür entscheidend, ob der Betriebsinhaber noch in eigener Person im gewerblich-technischen Bereich insgesamt bestimmenden Einfluss ausüben kann. Diese persönliche Einflussnahme gehört nach herkömmlichem Verständnis zur handwerksmäßigen Betriebsform.
  • Überwachungsmöglichkeit des Betriebsinhabers
    Die persönliche Mitarbeit des Betriebsinhabers im handwerklich-fachlichen Bereich kann wichtiges Indiz für das Vorliegen eines Handwerksbetriebs sein. Wesentlich ist, ob der Betriebsinhaber aufgrund der Organisation des Betriebes objektiv in der Lage ist, die Arbeit seiner Mitarbeiter im Einzelnen zu überwachen, um ihnen gegebenenfalls Anweisungen zu erteilen. Dabei ist es unwesentlich, ob dies auch tatsächlich erfolgt. Wenn diese persönliche Einflussnahme aufgrund der Betriebsstruktur unmöglich ist, verliert das Erfordernis der Handwerksordnung, dass grundsätzlich der Betriebsinhaber in eigener Person die fachliche Qualifikation, zum Beispiel die Meisterprüfung, nachweisen muss, seinen Sinn und damit auch seine Berechtigung.
  • Fachliche Qualifikation der Mitarbeiter
    Die Mitarbeiter in Handwerksbetrieben sind üblicherweise so ausgebildet, dass sie im Wesentlichen alle im Betrieb anfallenden Arbeiten ausführen und daher innerhalb des Betriebs gegeneinander ausgewechselt werden können. In einem Industriebetrieb sind die einzelnen Mitarbeiter jedoch oft nur mit einzelnen Arbeitsvorgängen vertraut und nicht ohne weiteres gegeneinander auswechselbar. Entscheidend ist, ob und in welchem Umfang der Einsatz umfassend fachlich qualifizierter Arbeitskräfte des Handwerks erforderlich ist.
  • Arbeitsteilung
    Während in einem Handwerksbetrieb ein Mitarbeiter in allen Phasen mit der Herstellung eines handwerklichen Produktes befasst ist, spricht für einen Industriebetrieb die weitgehende Arbeitsteilung in der Form, dass von den einzelnen Arbeitskräften nur bestimmte, meist immer wiederkehrende, eng begrenzte Teilarbeiten auszuführen sind.
  • Einsatz von Maschinen
    Ein umfangreicher Maschineneinsatz, der für handwerkliche Arbeiten kaum noch Raum lässt, spricht für eine industrielle Betriebsweise. Auf einen Handwerksbetrieb deutet es hingegen hin, wenn Maschinen lediglich zur Erleichterung und Unterstützung der Handarbeit eingesetzt werden.
  • Betriebliche Produktion
    Für einen Handwerksbetrieb ist es in der Regel typisch, dass Einzelanfertigungen aufgrund individueller Bestellungen vorgenommen werden. Das Merkmal der industriellen Betriebsweise ist hingegen üblicherweise erfüllt bei Massenfertigungen für einen „anonymen Markt“ oder bei einer Produktion auf Lager.

Werbung für Tätigkeiten deren Ausübung nicht den Vorschriften der HwO unterliegt?

Handwerkliche Leistungen erfordern eine entsprechende besondere Qualifikation. Deshalb muss derjenige, der solche Leistungen anbietet und bewirbt auch tatsächlich entsprechend qualifiziert sein.
Unlauter nach dem Wettbewerbsrecht handelt, wer sich durch das bewusste und planmäßige Hinwegsetzen über die HwO einen Wettbewerbsvorteil verschafft oder wenn die Werbung Aussagen enthält, die inhaltlich nicht mehr dem durch die HwO vorgegebenen Rahmen entsprechen (Irreführung). Zuwiderhandlungen gegen die HwO werden in vielen Fällen zugleich als Irreführung über betriebliche Verhältnisse und/oder die Qualifikation des Betriebes beziehungsweise des Inhabers ausgelegt.
Im Einzelnen gilt:
  1. Bei handwerksähnlichen Betrieben dürfen keine Missverständnisse über den Betriebscharakter entstehen.
  2. Hilfsbetriebe dürfen nicht werblich in Erscheinung treten (vergleiche Kommentar von Schräder/ Hohl, Wettbewerbsrecht & Werbung, Stand: Mai 2009, H 1 S.4).
  3. Anders als der handwerkliche Hilfsbetrieb unterliegt der unerhebliche handwerkliche Nebenbetrieb keinem Werbeverbot, sondern einer Werbebeschränkung. Maßgeblich ist, dass über Art und Umfang und/oder Qualifikation des Betriebes keine Missverständnisse aufkommen. Deshalb muss sich die Werbung eines solchen Betriebs in deutlicher Form von der Werbung eines Handwerksbetriebes unterscheiden.
Weil die Werbung aus der Sicht des Verbrauchers zu beurteilen ist, bereitet die Abgrenzung in der Praxis oft erhebliche Schwierigkeiten. In bestimmten Fällen führt dies sogar zu einem faktischen Werbeverbot: Denn die Werbung mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass Leistungen lediglich im Rahmen eines handwerklichen Nebenbetriebs unerheblichen Umfangs erbracht werden, also nicht von einem eingetragenen (qualifizierten) Meisterbetrieb, ist in vielen Fällen zu umständlich und gibt oft selbst den Anlass zu nicht gewollten Missverständnissen. Deshalb sollte sich derjenige, der neben einem Handelsbetrieb auch handwerkliche Tätigkeiten erbringt, mit der Werbung dafür vorsehen. Entsteht nämlich der Eindruck eines Handwerksbetriebes, droht die Abmahnung wegen Irreführung.

Wer muss die handwerksrechtlichen Vorschriften Beachten?

1. Betriebsinhaber von Handwerksbetrieben und handwerksähnlichen Gewerben

General-/Subunternehmer:

a) Wer selbst der HwO unterliegende Tätigkeiten ausübt, muss auch selbst die HwO-Vorschriften beachten gleichgültig, ob er Sub- und/oder Generalunternehmer ist.
b) Bei der Frage, ob Generalunternehmer, die handwerkliche Leistungen durch Subunternehmer ausführen lassen auch selbst die HwO beachten müssen, sind die Gerichte unterschiedlich streng: Manche verneinen schon die Pflicht, die HwO auch selbst zu beachten, wenn handwerkliche Leistungen nachweislich nur vermittelt werden. Andere Gerichte verlangen darüber hinaus, dass diese Vermittlung auch gegenüber den Leistungsempfängern offen gelegt wird.

Zugehörigkeit: IHK, HWK oder beide Kammern?

Grundsätzlich gehört jede gewerbliche Tätigkeit, die nicht ausschließlich zur HwK gehört, (auch) zur IHK (§ 2 IHKG).
Zur HwK gehören:
  • Betriebsinhaber von Handwerksbetrieben - gleichgültig, ob es sich um ein zulassungspflichtiges oder zulassungsfreies Handwerk (vergleiche Anlage B Abschnitt I) handelt, mit ihren Gesellen und Lehrlingen
  • Betriebsinhaber von handwerksähnlichen Gewerben (vergleiche Anlage B Abschnitt II) mit ihren Gesellen und Lehrlingen
  • Personen, die selbstständig eine einfache handwerkliche Tätigkeit ausüben, die in drei Monaten erlernbar ist (siehe Seite 2 des Merkblattes) und ihr Gewerbe nach dem 30.12.2003 neu angemeldet (nicht erweitert) haben, wenn
  • sie die Gesellenprüfung in einem zulassungspflichtigen Handwerk erfolgreich abgelegt haben,
  • die betreffende Tätigkeit Bestandteil der Erstausbildung in diesem zulassungspflichtigen Handwerk war und
  • die Tätigkeit den überwiegenden Teil der gewerblichen Tätigkeit ausmacht (Kleingewerbebetrieb im Sinn des § 90 Abs. 3 HwO).
Analoges gilt für entsprechende ausbildungsvorbereitende Maßnahmen, die einer handwerklichen Gesellenprüfung entsprechen.
Betriebsinhaber von Mischbetrieben können je nach ihrer Struktur nur zur HwK, nur zur IHK (neben Industrie, Handel, Dienstleistung nur handwerklicher Hilfsbetrieb oder unerheblicher Nebenbetrieb) oder zu beiden Kammern gehören. Hierzu gibt es ein gesondertes Merkblatt zur Kammerzughörigkeit Aufschluss.

Wie wirkt sich eine Doppelkammerzugehörigkeit auf die Beitragspflicht aus?

Eine Beitragspflicht bei der IHK besteht für gemischt-gewerbliche Unternehmen aber erst, wenn der Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert und der Umsatz des nichthandwerklichen/nichthandwerksähnlichen Betriebsteils über 130.000 € im Jahr beträgt.
Dabei wird die Umlage, nicht aber der Grundbeitrag, prozentual aufgeteilt. Die zur Aufteilung notwendigen Unterlagen können bei der HwK angefordert werden, wenn entsprechende Betriebsergebnisse vorliegen.

Was passiert bei einem Verstoß gegen beziehungsweise bei Nichtbeachtung der HwO-Vorschriften?

Wird der Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks unter Nichtbeachtung der HwO-Vorschriften ausgeübt, kann die Kreisverwaltungsbehörde von Amts wegen oder auf Antrag der HwK die Fortsetzung des Betriebes untersagen (§ 16 Abs. 3 HwO). Die Ausübung des untersagten Gewerbes kann beispielsweise durch die Schließung der Betriebs- und Geschäftsräume verhindert werden (§ 16 Abs. 9 HwO). Darüber hinaus stellt die Ausführung zulassungspflichtiger handwerklicher Tätigkeiten, ohne dass der erforderliche Eintrag in die Handwerksrolle besteht, auch eine Ordnungswidrigkeit nach § 117 HwO dar, die mit einer Geldbuße von bis zu EUR 10.000,00 strafbewehrt ist. Nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit kann des Weiteren gegen denjenigen, der handwerkliche Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang als stehendes Gewerbe ohne den erforderlichen Eintrag in die Handwerksrolle erbringt, ein Bußgeld von bis zu EUR 50.000,00 (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e) in Verbindung mit Abs. 3) verhängt werden.
Bei einem Verstoß gegen die Anzeige- und Eintragungspflicht für zulassungsfreie handwerkliche und handwerksähnliche Tätigkeiten kann ein Bußgeld von bis zu EUR 1.000,00 verhängt werden (§118 Abs. 1 Nr. 1 HwO).
Quelle: IHK für München und Oberbayern
Stand: 05/2020
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