Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz: Digitale Barrierefreiheit wird für Unternehmen ab 2025 Pflicht
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wird ab dem 29. Juni 2025 auch für privatwirtschaftliche Unternehmen Pflicht. Die digitale Barrierefreiheit soll allen Menschen einen uneingeschränkten Zugang zu digitalen Inhalten ermöglichen. Doch was bedeutet das konkret? Wer ist vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) betroffen, und welche Maßnahmen sind jetzt gefragt? Hier erfahren Sie, wie Sie Ihr Unternehmen auf die neuen Anforderungen vorbereiten können.
- Was ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz und ab wann gilt es?
- Wer muss das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz umsetzen?
- Welche Ausnahmen vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz gibt es?
- Welche Produkte und Dienstleistungen fallen unter das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?
- Gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz auch für Online-Shops von Großhändlern?
- Was bedeutet Barrierefreiheit?
- Welche Anforderungen stellt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz an Dienstleistungen?
- Welche Anforderungen stellt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz an Produkte?
- Welche Pflichten muss ein Unternehmen einhalten?
- Gibt es Übergangsfristen?
- Was passiert, wenn man die Vorgaben des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz nicht umsetzt?
- Wo bekomme ich weitere Unterstützung?
Was ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz und ab wann gilt es?
Alle Menschen sollen am Wirtschaftsleben teilhaben können – von Menschen mit Behinderung bis zu Senioren und Digital-Neulingen. Deshalb kommt die Pflicht zur Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen auch für Unternehmen.
Ab dem 29. Juni 2025 sind die enthaltenen Anforderungen zu erfüllen. Auch Online-Shops sind dann zur Barrierefreiheit verpflichtet.
Wer muss das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz umsetzen?
Unter die Anforderungen des BFSG fallen
- Hersteller
- Händler
- Importeure der oben genannten Produkte
- Anbieter der oben genannten Dienstleistungen
Welche Ausnahmen vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz gibt es?
Ausgenommen sind Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen erbringen. Merkmale eines Kleinstunternehmens:
- beschäftigt weniger als 10 Personen und
- Jahresumsatz von maximal 2 Millionen Euro oder Bilanzsumme von höchstens 2 Millionen Euro
Achtung: Für Kleinstunternehmen, die betroffene Produkte herstellen, gilt diese Ausnahmeregelung nicht. Sie sind zur Barrierefreiheit verpflichtet.
Ausgenommen sind zudem Unternehmen, für welche die Umsetzung der Barrierefreiheit eine „unverhältnismäßige Belastung“ darstellen würde. Dies muss im Einzelfall geprüft und nachgewiesen werden. Die Kriterien hierfür finden sich im § 17 Abs. 1 BFSG in Verbindung mit Anlage 4.
Beispiele
- Ein Hersteller von Ventilatoren – gleich welcher Größe – ist vom Gesetz nicht betroffen. Denn Ventilatoren sind nicht in der Liste der Produkte erfasst.
- Ein Kosmetikstudio mit 9 Beschäftigten und weniger als 2 Millionen Jahresumsatz ist nicht betroffen. Weder ist die Dienstleistung explizit erfasst, noch ist das Unternehmen groß genug.
- Ein Kosmetikstudio mit 11 Beschäftigten, das die Terminbuchung und den Verkauf von Cremes über seine Website anbietet, ist betroffen. Denn das Unternehmen ist groß genug und es bietet Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr an.
- Ein Kosmetikstudio mit 8 Beschäftigten, das die Terminbuchung und den Verkauf von Cremes über seine Website anbietet, ist nicht betroffen. Denn das Unternehmen bietet Dienstleistungen an – keine Produkte – und ist zu klein.
- Ein Produzent von Selbstbedienungsterminals mit 9 Beschäftigten ist betroffen. Denn hier geht es um ein Produkt und nicht um eine Dienstleistung.
Welche Produkte und Dienstleistungen fallen unter das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?
Produkte und Dienstleistungen, für die das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz greift, sind im Gesetz aufgelistet.
Produkte, für die Barrierefreiheit verlangt wird:
- Hardwaresystem für Universalrechner für Verbraucher inkl. Betriebssysteme (z. B. Computer)
- Selbstbedienungsterminals, beispielsweise Geldautomaten oder Check-In-Automaten
- Verbraucherendgeräte, die für Telekommunikationsdienste gebraucht werden (z. B. Mobiltelefone)
- Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang (z. B. internetfähige Fernseher)
- E-Book-Lesegeräte
Dienstleistungen, für die Barrierefreiheit verlangt wird:
- Telekommunikationsdienste (Telefonie, Messenger etc.)
- Elemente der Personenbeförderungsdienste wie beispielsweise Webseiten, Apps oder elektronische Ticketdienste.
- Bankdienstleistungen
- E-Book-Software
- Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr mit Verbrauchern (z. B. E-Commerce, Online-Termin-Buchungs-Tools).
Achtung: Waren online zum Verkauf anzubieten gilt als Dienstleistung. Das heißt, Online-Shops und Apps sind auf jeden Fall betroffen.
Gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz auch für Online-Shops von Großhändlern?
Nein, das BFSG gilt nicht für die Online-Shops, die sich ausschließlich an Geschäftskunden (B2B) richten. Dafür muss der Webauftritt klar als B2B-Shop gekennzeichnet sein und darf sich nicht an Verbraucher richten.
Was bedeutet Barrierefreiheit?
Dienstleistungen und Produkte sind nach dem Gesetz dann barrierefrei, wenn sie
- für Menschen mit Behinderung
- in der allgemein üblichen Weise,
- ohne besondere Erschwernis und
- grundsätzlich ohne fremde Hilfe
- auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.
Welche Anforderungen stellt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz an Dienstleistungen?
Für Webauftritte und Online-Shops verweist das BFSG auf bestimmte Regeln, die in der Europäischen Norm 301 549 und den internationalen WCAG-Richtlinien festgelegt sind. Die WCAG-Richtlinien definieren drei Stufen (A, AA und AAA), welche die Qualität der Barrierefreiheit bewerten. Webauftritte müssen mindestens die Stufe AA erfüllen, um als barrierefrei zu gelten.
Die Stufe der Barrierefreiheit wird für jede einzelne Seite geprüft, nicht für die gesamte Website auf einmal. Damit eine Online-Shop als barrierefrei gilt, muss der gesamte Webauftritt - inklusive Cookie-Banner, Produktauswahl, Checkout-Prozess usw. - die Vorgaben erfüllen.
Plugins und Erweiterungen
Externe Erweiterungen sowie Plugins erfüllen die Kriterien des BFSG oftmals nicht vollständig und sind in dem Fall keine gesetzlich ausreichende Lösung. Eine umfassende Prüfung und gegebenenfalls zusätzliche Anpassungen sind unerlässlich, um sicherzustellen, dass alle Aspekte der Barrierefreiheit berücksichtigt werden.
Konkrete Umsetzung
Bei Dienstleistungen, also z. B. Online-Shops, werden demnach vor allem erhöhte Informationspflichten gestellt. Beispielsweise müssen
- die Informationen in mehr als einem sensorischen Kanal zur Verfügung stehen, also neben Schrift zum Beispiel mit Vorlesefunktion.
- die Texte gut lesbar sein. Dies betrifft vor allem Schriftgrößen und Kontrast.
- die Informationen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein.
Welche Anforderungen stellt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz an Produkte?
Anforderungen bei der Nutzung eines Produkts
Wer ein Produkt nutzen will, für welches das Gesetz gilt – beispielsweise ein Mobiltelefon – soll keinerlei Probleme haben. Gefordert wird,
- dass die Infos in mehr als einem sensorischen Kanal zur Verfügung stehen. Das heißt beispielsweise, dass schriftliche Infos auch vorgelesen werden.
- dass die Infos für Personen mit eingeschränkter Sehkraft verständlich sind. Dies betrifft vor allem die Größe der Schrift sowie die Kontraste.
Anforderungen zu den Informationen über ein Produkt
Infos zu einem vom Gesetz betroffenen Produkt – beispielsweise Mobiltelefon, PC oder Selbstbedienungsterminal – müssen
- in mehr als einem sensorischen Kanal zur Verfügung stehen (z.B. Vorlesefunktion),
- auffindbar, gut wahrnehmbar und lesbar sein (Schriftgröße, Kontraste etc.),
- um eine Beschreibung der Benutzerschnittstellen wie Handhabung usw. ergänzt werden.
Anforderungen an Verpackungen und Anleitungen
Auch für Produktverpackungen und Anleitungen gilt,
- dass die Infos in mehr als einem sensorischen Kanal zur Verfügung stehen (z.B. Vorlesefunktion).
- dass die Infos auch für sehbehinderte Personen verständlich sein müssen (Schriftgröße, Kontraste etc.).
Anforderungen an Benutzerschnittstelle und Funktionalität von Produkten
- Die gesamte Kommunikation, Bedienung, Steuerung und Orientierung müssen über mehr als einen sensorischen Kanal möglich sein. Das heißt beispielsweise, dass schriftliche Infos auch vorgelesen werden können.
- Visuelle Elemente müssen in Größe, Helligkeit und Kontrast eingestellt werden können.
- Alternative Farben müssen zur Verfügung stehen.
- Beim Einsatz von Ton muss die Lautstärke anpassbar sein.
- Manuelle Steuerung muss auch mit wenig ausgeprägten feinmotorischen Fähigkeiten möglich sein.
Zusätzliche Anforderungen an Selbstbedienungsterminals
- Sprachausgabe muss möglich sein.
- Benutzung mit Einzel-Kopfhörern muss möglich sein.
- Tasten und Bedienungselemente müssen kontrastreich sein und auch taktil erkennbar sein.
Anforderungen an E-Book-Lesegeräte
Auch für E-Books muss eine Sprachausgabe möglich sein.
Welche Pflichten muss ein Unternehmen einhalten?
Hersteller und Anbieter dürfen ihre Produkte und Dienstleistungen nur auf den Markt bringen bzw. anbieten, wenn sie Barrierefreiheitsanforderungen erfüllen. Dies müssen Hersteller in einem Konformitätsbewertungsverfahren und einer Konformitätserklärung nachweisen.
Für Händler gilt: Besteht Grund zur Annahme, dass ein Produkt die Barrierefreiheitserfordernisse nicht erfüllt, darf es nicht vertrieben werden.
Kennzeichnungspflichten
Es gelten neue Kennzeichnungspflichten: Hersteller müssen eine Produkt- oder Seriennummer, Name und Anschrift, sowie eine CE-Kennzeichnung anbringen. Zudem sind eine verständliche Anleitung und Sicherheitsinformationen erforderlich.
Händler dürfen Produkte nur verkaufen, wenn diese Kennzeichnungspflichten vom Hersteller eingehalten werden.
Dienstleistungen
Dienstleistungserbringer müssen in ihren AGB darüber aufklären, wie die Dienstleistung die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt. Daneben müssen in barrierefreier Weise folgende Informationen erfolgen:
- Beschreibung der Dienstleistung in barrierefreiem Format
- Beschreibung der Funktionsweise der Dienstleistung
Achtung: Online-Shops müssen ihre AGB anpassen!
Gibt es Übergangsfristen?
Übergangsfristen gibt es nur für Selbstbedienungsterminals sowie vor dem 28. Juni 2025 geschlossene Verträge über Dienstleistungen. Letztere dürfen bis maximal 27. Juni 2030 bestehen bleiben.
Webauftritte, Apps und Online-Shops profitieren damit nicht von Übergangsfristen.
Was passiert, wenn man die Vorgaben des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz nicht umsetzt?
Bei Verstößen gegen das Barrierefreiheitsgesetz (BFSG) drohen Bußgelder von bis zu 100.000 Euro. Verbraucher können sich direkt an die Marktüberwachungsbehörde ihrer Bundesländer wenden, um Verstöße zu melden. Auch anerkannte Verbände und Einrichtungen nach dem Behindertengleichstellungsgesetz haben dieses Recht.
Mitbewerber können wettbewerbsrechtliche Abmahnungen aussprechen, in diesem Fall drohen Unterlassung und Schadensersatz. Wenn die Anforderungen an die Barrierefreiheit nicht eingehalten werden, kann die Marktüberwachungsbehörde den Rückruf oder die Einstellung des betroffenen Produkts oder der Dienstleistung anordnen.
Wo bekomme ich weitere Unterstützung?
Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit hält in umfangreichen FAQs mehr Informationen bereit.
In einer Video-Reihe bietet die Fachstelle Hintergrundwissen für den E-Commerce. Das Video “Umsetzung von Barrierefreiheit im Onlineshop” zeigt einen beispielhaften Umsetzungsprozess.
Ab 2025 will die Bundesfachstelle auch individuelle Beratungen anbieten. Wir empfehlen Ihnen aber, sich bereits vorher mit der Thematik und dem Anpassungsbedarf bei Ihren Produkten oder in Ihrem Online-Shop auseinanderzusetzen.
Weitere Informationsquellen
Die Informationen und Auskünfte der IHK Schwaben enthalten nur erste Hinweise und erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für ihre inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden. Sie können eine Beratung im Einzelfall (z. B. durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Unternehmensberater etc.) nicht ersetzen.