Leitlinien und Forderungen der IHK Nord

Mit TEN-V zu einer besseren Infrastruktur im Norden

Hintergrund: Das TEN-V-Netz

Das transeuropäische Verkehrsnetz dient der Schaffung und dem Ausbau eines europaweiten Netzes von Straßen, Schienen, Binnen- und Seewasserstraßen sowie von Häfen, Flughäfen und Bahnstationen. Die Politik der EU im Bereich der Verkehrsinfrastruktur zielt darauf ab, den Verkehr in ganz Europa zu erleichtern und die regionalen, wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten zu verringern und den Binnenmarkt durch geeignete Infrastruktur zu fördern. Mit der Verordnung (EU) Nr. 1315/2013 über Leitlinien für die transeuropäischen Verkehrsnetze werden allgemeine Ziele und Prioritäten sowie spezielle technische Anforderungen für das TEN-V-Netz definiert.
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Das transeuropäische Verkehrsnetz ist zweilagig aufgebaut und unterteilt sich in Gesamtnetz und Kernnetz. Das Kernnetz umfasst neun Korridore mit den strategisch wichtigsten Knoten und Verbindungen. Das TEN-Wasserstraßennetz wird in seiner Gesamtheit dem Kernnetz zugerechnet. Für jeden Korridor wird ein EU-Koordinator bestimmt, der zusammen mit den Mitgliedstaaten Arbeitspläne für die Korridore erstellt. Das TEN-Gesamtnetz umfasst alle Verkehrsträger sowie die Infrastrukturen für See- und Luftfahrt.
Sechs der neun Kernnetz-Korridore verlaufen durch Deutschland. Nach Angaben des deutschen Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) sind die Zielsetzungen des TEN-V-Netzes weitgehend identisch mit denen des Bundesverkehrswegeplans 2030. Das BMVI weist darauf hin, dass nahezu alle großen Neu- und Ausbauprojekte des Bundesverkehrswegeplans 2030 auf TEN-Korridoren liegen. 
Die finanzielle Förderung der transeuropäischen Verkehrsnetze vonseiten der EU ist in der Verordnung „Connecting Europe Facility“ (CEF) geregelt. Förderung wird nur auf Antrag und nach Bewerbungsaufruf gewährt. Die hierfür bis März 2021 zuständige Innovation & Networks Executive Agency (INEA), wurde hierfür durch die am 1. April 2021 gegründete European Climate, Infrastructure and Environment Executive Agency (CINEA) abgelöst. Für die Jahre 2014 bis 2020 betrug das CEF-Budget für Transport 24,05 Milliarden Euro. Bisher hat Deutschland in der laufenden Förderperiode von 2014 bis 2020 rund 1,6 Milliarden Euro erhalten, vorwiegend für Investitionen in Schienen- und Wasserstraßenprojekte. Für die Jahre 2021 bis 2027 stehen im Rahmen des CEF-Programms 25,8 Milliarden Euro zur Verfügung. Am 16. September 2021 hat die EU-Kommission die erste Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen im Rahmen des CEF für die Zeiträume 2021 bis 2027 veröffentlicht. Hierbei werden rund sieben Milliarden Euro für europäische Verkehrsinfrastrukturprojekte zur Verfügung gestellt, davon 5,175 Mrd. Euro für Infrastrukturprojekte im Rahmen des Kernnetzes und des umfassenden TEN-V Netzes sowie 1,575 Milliarden Euro für neue Infrastrukturfazilität für alternative Kraftstoffe, einschließlich Schnelllade- und Wasserstoffbetankungsinfrastruktur im TEN-V-Straßennetz. Vorschläge können bis zum 19. Januar 2022 eingereicht werden. 
Wichtige TEN-V-Projekte in Norddeutschland
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Europäischer Kontext

Das transeuropäische Verkehrsnetz stellt das größte europäische Projekt der Verkehrsinfrastrukturpolitik dar. Artikel 170 des Vertrages über die Arbeitsweise in der Europäischen Union unterstreicht die Bedeutung des transeuropäischen Verkehrsnetzes für die Verwirklichung des Binnenmarktes und des freien Dienstleistungsverkehrs. Denn nur mittels gut vernetzter Infrastruktur können Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand der Europäischen Union verwirklicht werden. Das übergeordnete Ziel ist die Fertigstellung des Kernnetzes bis 2030 sowie des Gesamtnetzes bis 2050. Darüber hinaus kommen mit dem europäischen „Green Deal“ Ziele zur Reduktion von Emissionen für den Verkehrssektor hinzu. Damit diese erreicht werden können, müssen die Verkehrsnetze stärker auf grüne Mobilität ausgerichtet werden. Mit dem am 20. November 2020 durch die EU-KOM vorgelegten Fahrplan zur Überarbeitung der TEN-V verfolgt die EU-KOM den Übergang zu einer intelligenten, nachhaltigen, wirksamen und sicheren Mobilität. Hierzu will die EU-Kommission die Voraussetzungen für die Nutzung erneuerbarer Energien im Infrastrukturbereich schaffen, zum Beispiel durch Ladestationen und eine Wasserstoffnetz. Im zuständigen TRAN-Ausschuss des EP wurde der niedersächsische MdEP Jens Gieseke für das Thema zum Berichterstatter ernannt und hat in dieser Funktion im Dezember 2020 einen Bericht vorgelegt, der am 20. Januar 2021 angenommen wurde. Im Rahmen seiner Rede im Plenum betonte MdEP Jens Gieseke: „Für uns ist klar: Emissionen aus dem Verkehrssektor können nur reduziert werden, wenn auch die erforderliche Infrastruktur bereitgestellt wird. Gleichzeitig muss Mobilität erschwinglich bleiben. Wir fordern daher einen verstärkten Infrastrukturausbau bei allen Verkehrsträgern, eine angemessene Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, klimaresistente Wasserstraßen, umfassende Eisenbahnsysteme und einen stärkeren Fokus auf Multimodalität. Forschung und Entwicklung zu innovativen Mobilitätslösungen wie die Magnetschwebebahntechnologie müssen gefördert werden (…) Wir bekennen uns klar zu den Fertigstellungsterminen für das Kernnetz bis 2030 und das Gesamtnetz bis 2050.“

Norddeutsche TEN-V-Projekte

Von den insgesamt sechs durch Deutschland verlaufenden Kernnetz-Korridoren verlaufen drei durch Norddeutschland: der Nord-Ostsee-Korridor, der Skandinavien-Mittelmeer-Korridor sowie der Korridor Orient-Östliches Mittelmeer. Zudem sind im TEN-V Gesamtnetz Projekte in Norddeutschland verortet.
Der für Norddeutschland und das ganze nordöstliche Europa zentrale Korridor „Via Hanseatica“ entlang der Nord- und Ostseeküste (Amsterdam-Bremen-Hamburg-Wismar-Rostock-Stettin-Danzig-Riga) ist nicht als Kernkorridor im TEN-V-Netz ausgewiesen. Damit sind zentrale norddeutsche Verkehrsprojekte wie die A 20 oder die sogenannte Wunderlinie (Eisenbahnstrecke Groningen-Bremen auf dem Eisenbahnkorridor Amsterdam-Hamburg) kein Bestandteil des TEN-Kernnetzes. Nicht nur aus norddeutscher Sicht, sondern für das gesamte nordöstliche Europa sollte diese zentrale West-Ost-Achse als TEN-V-Korridor definiert und damit in das Kernnetz aufgenommen werden.
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Die gewerbliche Wirtschaft im Norden – wie beispielsweise die maritime Wirtschaft, die Automobil- und Luftfahrtindustrie, die Logistikwirtschaft, die Ernährungs- und die Energiewirtschaft – sind auf gute Verkehrswege und leistungsfähige Anbindungen an die europäischen Verkehrsnetze angewiesen. Norddeutschland ist über seine Seehäfen das Tor zum Welthandel und die Brücke zu der sich wirtschaftlich dynamisch entwickelnden Ostseeregion. Ein vom internationalen Handel und Rohstoffen abhängiges Land wie Deutschland braucht starke Häfen sowie intakte und leistungsfähige Hinterlandanbindungen. Der bedarfsgerechte Ausbau der großen Verkehrsachsen und der Seehafenhinterlandanbindungen sowie die Erhöhung der Netzresilienz ist für ganz Deutschland existenziell. Zukunftsfähigkeit in der (Verkehrs-)Infrastruktur bedeutet sowohl Erhalt und Sanierung als auch bedarfsgerechter Aus- und Neubau der wichtigen Verkehrswege im Bereich Wasserstraße, Schiene und Straße. Eine umfassende internationale und überregionale Planung der transeuropäischen Verkehrsnetze sowie eine rasche Umsetzung der Projekte in Norddeutschland wirken sich langfristig positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Unternehmen aus.

Bewertung der IHK Nord

Die IHK Nord tritt für leistungsfähige Infrastrukturen entlang aller Verkehrsträger ein, um die Wettbewerbsfähigkeit und den Austausch zu fördern, den Binnenmarkt zu stärken, wirtschaftliche Ungleichheiten abzubauen und Investitionen zu unterstützen. Darüber hinaus setzt sich die IHK Nord für die Schaffung eines grünen Zeroemission-Verkehrsnetzes in der EU ein. Norddeutschland ist vor allem für die Verknüpfung von Häfen, Bahn und Straße ein bedeutender internationaler Verkehrsknotenpunkt in Europa und profitiert nachhaltig von einer Ertüchtigung der Infrastruktur. Dabei ist die Unterstützung durch die EU ein weiteres Mittel, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und die Transformation zu beschleunigen und die benötigte Infrastruktur mit allen Erfordernissen eines CO₂-freien Verkehrs zur Verfügung zu stellen. Vor diesem Hintergrund wird die EU-Kommission aufgefordert, die transeuropäischen Verkehrsnetze wie folgt weiterzuentwickeln:

Europa besser und schneller vernetzen 

  • Aus Sicht der IHK Nord sollte der Korridor „Via Hanseatica“ entlang der Nord- und Ostseeküsten (Amsterdam-Bremen-Hamburg-Wismar-Rostock-Stettin-Danzig-Riga) in das TEN-V-Kernnetz zusätzlich aufgenommen werden.
  • Die in Norddeutschland geplanten Neu- und Ausbauprojekte dienen sowohl der Erschließung von Regionen als auch der Ergänzung und Entlastung bestehender Verkehrswege. Bislang im Gesamtnetz eingestufte Projekte schaffen neue Kapazitäten und verbessern die Leistungsfähigkeit transeuropäischer Netze. Aus Sicht der Wirtschaft ist eine schnellstmögliche Realisierung anzustreben. Vor diesem Hintergrund empfiehlt die IHK Nord die Hochstufung insbesondere von in unmittelbarer Nähe zu bestehenden Korridoren gelegenen Projekten vom Gesamt- in das Kernnetz.
  • Nur mit einer funktionierenden Infrastruktur können die wichtigsten Kernelemente des europäischen Wirtschaftsraums realisiert werden. Für einen starken Binnenmarkt sowie für die Umsetzung eines einheitlichen europäischen Verkehrsraums sind vitale Netze unverzichtbar. Damit trägt die Fertigstellung der transeuropäischen Verkehrsnetze zur Wettbewerbsfähigkeit der norddeutschen Unternehmen bei.
  • Vor dem Hintergrund, dass die grenzüberschreitenden Binnenregionen in der gesamten EU 40 Prozent des Hoheitsgebiets der EU ausmachen und ein Drittel der Bevölkerung in diesen Gebieten lebt, müssen grenzüberschreitende Verbindungen gefördert werden. Für Norddeutschland sind die grenzüberschreitenden Verbindungen zu Skandinavien, Polen und den Niederlanden von besonderer Bedeutung. Bei grenzüberschreitenden Verbindungen können allerdings Nichtkonformität bzw. Nichtbetriebsfähigkeit eines kleinen Abschnitts das gesamte System blockieren, in diesen Bereichen muss die Interoperabilität sichergestellt werden.
  • Besonderes Augenmerk muss auf die Verbindung zwischen dem Kernnetz und dem Gesamtnetz gelegt werden, insbesondere damit ländliche Regionen angeschlossen und Randgebiete erschlossen werden. Für Norddeutschland ist die Anbindung der Inselregionen von besonderer Bedeutung, sicherzustellen ist die Anbindung an die ostfriesischen Inseln in der Nordsee. Gleiches gilt für die Anbindung der Inseln in der Ostsee, die Schienenverbindung von Lübeck nach Puttgarden auf der Insel Fehmarn, ist ein zentrales TEN-V Projekt.
  • Um im Gesamtbild der europäischen Infrastrukturprojekte Schritt zu halten, muss das norddeutsche Verkehrsnetz schneller ausgebaut und resilienter gestaltet werden, hierzu sind kürzere Realisierungshorizonte notwendig. Vor diesem Hintergrund sind Anpassung im Planungsrecht notwendig, insbesondere durch eine Reform der Genehmigungsverfahren sowie durch wirksame und zügige Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, die im Einklang stehen mit Vorgaben des europäischen und nationalen Rechts.

Finanzmittel bereitstellen und angemessen verteilen

  • Um das Kernnetz bis 2030 und das Gesamtnetz bis 2050 fertigzustellen, benötigen die Mitgliedstaaten finanzielle Unterstützung durch den dafür vorgesehenen Fonds „Connecting Europe Facility (CEF)“. Die EU-KOM wird aufgefordert, den CEF an die tatsächlichen finanziellen Bedürfnisse für das Ziel der Fertigstellung anzupassen und entsprechend weiterzuentwickeln. Hierbei sollen strukturschwache und strukturstarke Mitgliedsstaaten entsprechend ihren Bedürfnissen gleichermaßen bedacht werden.
  • Die Infrastrukturpolitik der EU darf nicht allein aus politischen Erwägungen einen Verkehrsträger präferieren, sondern muss fair und wettbewerbsneutral erfolgen. Die ungleiche Anlastung von verursachten Infrastrukturkosten und externen Kosten ist die Hauptursache für die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Verkehrsträgern Straße, Schiene, Wasserstraße und 
    Luftverkehr, die zunehmend ungerechtfertigterweise zu Lasten der Straße gehen. Die EU-Kommission hatte bereits im Mai 2019 eine Studie zur Internalisierung externer Kosten im Verkehr veröffentlicht. Darin werden die gesamten externen Kosten des Sektors Verkehr für 2016 EU-weit auf 987 Milliarden Euro geschätzt. Allein der Straßenverkehr verursacht davon mit einem Anteil von 83 Prozent einen Großteil der Kosten. Der Anteil des Schienenverkehrs wird auf zwei und der Anteil der Binnenschifffahrt auf 0,3 Prozent geschätzt. Luftverkehr und Seeschifffahrt verursachen fünf und zehn Prozent der externen Kosten. Was verkehrsträgerübergreifend vor allem durchschlägt, sind Unfälle (29 Prozent) und die Überlastung der Infrastruktur (27 Prozent). Den externen Kosten standen 2016 Gesamteinnahmen aus Steuern und Benutzungsentgelten in den 28 EU-Staaten in Höhe von 370 Milliarden Euro gegenüber. Davon wurden 95 Prozent von den Straßennutzern und fünf Prozent vom Schienenverkehr aufgebracht. Der Anteil der Binnenschifffahrt an den Einnahmen war mit 400 Millionen Euro im Vergleich gering. Mit Blick auf einen fairen Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern muss im Mittelpunkt der TEN-V Diskussion die verursachergerechte Anlastung der Infrastruktur- und Umweltkosten stehen. Im Vergleich der Verkehrsträger wurden dem Lkw in Deutschland bereits mithilfe der Maut die Infrastrukturkosten und Teile der externen Kosten (Luftverschmutzung, Lärmbelästigung) angelastet. Aus Sicht der IHK Nord sollte überlegt werden, neben der TEN-V Verordnung 1315/2013 die Wegekosten-Richtlinie 1999/62/EG zu überarbeiten und beide nicht isoliert voneinander zu betrachten, sondern stärker im Rahmen der CEF-Verordnung zu verknüpfen.
  • Verbunden mit der Bereitstellung der Finanzmittel sowie der angemessenen Verteilung muss es ermöglicht werden, die erhaltenen Fördermittel sowie den aktuellen Status einzelner TEN-V Projekte öffentlich einzusehen. Die EU-Kommission wird daher aufgefordert, durch die regelmäßige Veröffentlichung entsprechender umfassender Informationen Transparenz herzustellen.

Grüne Infrastruktur fördern

  • Zur Erreichung der ambitionierten Ziele der Reduktion von Emissionen, müssen alternative erneuerbare Kraftstoffe für alle Verkehrsträger eingeführt und einschlägige Technologien sowie Lade- und Betankungsanlagen (z.B. E-Ladesäulen, Flüssigerdgas und WasserstoffBetankungseinrichtungen) eingerichtet werden. Hierbei muss der Grundsatz der Technologieneutralität gewahrt werden. Erst wenn die entsprechende Lade- und Tankinfrastruktur zur Verfügung steht, wird der Umstieg für Unternehmen und Bürger attraktiv.
  • Die Harmonisierung mit bereits bestehenden europäischen Regelungen muss unbedingt beachtet werden. Insbesondere ist die Überarbeitung der Richtlinie für den Ausbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFID) sowie die Verordnung zu Leitlinien für die transeuropäische Energienetze (TEN-E-Verordnung) zu berücksichtigen. Hinsichtlich letzterer hat die EU-KOM aus Anlass der Anpassung der europäischen Klimaziele im Jahr 2020 eine Überarbeitung angestoßen. Der im Dezember 2020 vorgelegte Vorschlag der EU-KOM zur TEN-E muss dabei unbedingt kompatibel mit der aktuellen Überarbeitung der TEN-V sein, denn nur wenn Energieund Verkehrsnetze sinnvoll ineinandergreifen und sich ergänzen, sind die Klimaziele erreichbar.

Maritime Infrastruktur und Häfen stärken

  • Die Häfen stellen das Herzstück der norddeutschen Infrastruktur dar. Daher müssen die See- und Binnenhäfen als strategische Knotenpunkte gestärkt und die Anbindung an Schiene, Straße und Pipelines sichergestellt werden. Wie im gesamten TEN-V-Netz muss die Verbindung zwischen den Kern- und Gesamtnetzen sichergestellt werden, im Bereich der Häfen zudem die Konnektivität zwischen Binnen- und Seehäfen sowie den Schienen- und Straßennetzen. Nur so können logistische Versorgungs- und Lieferketten aufrechterhalten werden und Norddeutschlands Funktion als Tor zur Welt erhalten bleiben.
  • Zugleich müssen die Häfen an die Herausforderungen der Energiewende angepasst werden. Hierzu muss in die Hafeninfrastruktur investiert werden, damit der Einsatz alternativer Kraftstoffe möglich wird. Zugleich soll der Übergang zur Batterieladung und Landstromversorgung während des Aufenthalts der Schiffe am Liegeplatz unterstützt werden.
  • Die umfassende Rolle der Häfen, die über eine reine Transportfunktionen weit hinausgeht, sollte für die Möglichkeiten der Nutzung der Windenergie auf See und an Land stärker gefördert werden. Die im letzten Jahr von der EU-KOM vorgestellte europäische Offshore Strategie bietet hierzu sinnvolle Anknüpfungspunkte und sollte in die Überarbeitung der TEN-V einfließen.
  • Gerade im Bereich des Kurzstreckenseeverkehrs (Shortseashipping) sieht die EU-KOM besonderes Potenzial, kurzfristig enorme Emissionsreduktionen erreichen zu können. Daher muss das Shortseashipping in den Fokus rücken, hier können alternative Treibstoffe und Antriebsarten effektiver eingesetzt werden. In Norddeutschland werden solche Möglichkeiten bereits genutzt, beispielsweise im Fährverkehr. Zugleich stellen die Kurzstreckenseeverbindungen einen wichtigen Faktor zur regionalen Konnektivität dar.
  • Im Bereich der Binnenschifffahrt müssen Kapazitäten erweitert sowie die Qualität der Schiffbarkeit der Binnenwasserstraßen verbessert werden. Zudem müssen die norddeutschen Binnenreeder in die Lage versetzt werden, ihre Flotte zu modernisieren und für alternative Kraftstoffe zu ertüchtigen.
  • Norddeutschland unterstützt das TEN-V-Projekt der Meeresautobahnen (Motorways of the Seas). Die MoS sollen in der CEF-Verordnung stärker gefördert und mit mehr Mitteln bedacht werden.

Fazit

Angesichts der zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels begrüßt die IHK Nord die Initiative der EU-Kommission zur Weiterentwicklung der transeuropäischen Verkehrsnetze. Norddeutschland ist ein Verkehrsknotenpunkt, der für die grenzüberschreitenden Verkehre in der EU wichtig ist. Als Anbindung an den internationalen Seeverkehr für Norddeutschland sowie für Nord-, Mittel- und Süd-Ost-Europa ist die Ertüchtigung der grenzüberschreitenden Verkehrsadern lebenswichtig für die norddeutsche Wirtschaft. Der Ausbau der TEN-Korridore ist eine europäische Gemeinschaftsaufgabe, von der insbesondere auch Norddeutschland profitieren sollte. Dabei ist es unerheblich, welcher Verkehrsträger gewählt wird, solange er die Anforderungen bei wettbewerbsfähigen Kosten erfüllt. Vor diesem Hintergrund ist die Aufnahme weiterer Neu- und Ausbauprojekte in das TEN-V Kernnetz insbesondere in unmittelbarer Nähe zu bestehenden Korridoren anzustreben, um die Verkehrsinfrastruktur insgesamt zu stärken und Verkehre besser verteilen zu können. Bei der Neuausrichtung der TEN-Strategie muss der Fokus insbesondere auf einen nachhaltigen Ausbau der Infrastruktur – unter Ausbau der Lade- und Tankinfrastruktur - gelegt werden. Gleichzeitig besteht die Chance, die Infrastruktur in Norddeutschland so zu ertüchtigen, dass die Leistungsfähigkeit steigt und die CO₂-Emissionen dauerhaft im Sinne der europäischen Klimaziele gesenkt werden. Norddeutschland würde im Zusammenspiel der hier erzeugten regenerativen Energien und einer nachhaltigen Infrastruktur modelhaft in der EU voranschreiten.
Veröffentlicht im November 2021