Forderungen der IHK Nord

Fit for 55 - FuelEU Maritime

Zum 14. Juli 2021 hat die EU-KOM das „Fit for 55 Paket“ vorgestellt und einen Vorschlag zur FuelEU Maritime Verordnung zu kohlenstoffarmen Treibstoffen in der Schifffahrt vorgelegt. Zu diesem bezieht die IHK-Nord Stellung unter Bezugnahme auf das IHK Nord Positionspapier aus April 2020 (IHK Nord Positionspapier „Nutzung kohlenstoffarmer Treibstoffe in der Schifffahrt, FuelEU Maritim - Green European Maritime Space Initiative der Europäischen Kommission“).

Reduktionsquoten für die Schifffahrt beibehalten

Die EU-Kommission hat verbindliche Reduktionsziele für die Begrenzung der Treibhausgasintensität der an Bord von Seeschiffen verbrauchten Energie gegenüber 2020 vorgeschlagen, hierbei ist eine Staffelung vorgesehen von -3 Prozent bis 2025 bis hin zu -75 Prozent im Jahr 2050:

Ziele für die Begrenzung von Treibhausgasintensität der an Bord von Seeschiffen verbrauchten Energie (gegenüber 2020)

Die norddeutsche Wirtschaft bekennt sich zu der Notwendigkeit der Emissionsreduktion in der Schifffahrt für eine maritime Verkehrswende. Allerdings müssen Maßnahmen ausgewogen bleiben. Ehrgeiz ist gefragt, allerdings muss dieser den Ansprüchen der Realitäten einer hochgradig internationalisierten Branche genüge tragen, damit der europäische Seeverkehr nicht kollabiert und wettbewerbsfähig bleibt. Außerdem sollte berücksichtigt werden, dass mit der Einbeziehung des europäischen Seeverkehrs in den europäischen Emissionshandel (EU-ETS) eine weitere Belastung auf die maritime Branche zukommt.
Die IHK Nord fordert, an den von der EU-Kommission formulierten etappenweisen Reduktionszielen festzuhalten und diese nicht zu erhöhen, um die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Seeverkehrs zu erhalten.

Überbelastung kleiner Reedereien vermeiden: Anwendungsbereich für Schiffe über 5.000 BRZ

Nach dem Vorschlag der EU-Kommission fallen Schiffe über 5.000 BRZ in den sachlichen Anwendungsbereich der FuelEU Maritime Verordnung. Mit dem Vorschlag der EU-Kommission können nach Schätzungen insgesamt ca. 90 Prozent der Emissionen im Seeverkehr abgedeckt werden. Nach Ansicht der norddeutschen Wirtschaft ist dieser sachliche Anwendungsbereich zu begrüßen. Insgesamt sollte der Fokus auf den Hauptakteuren liegen und die Schwelle zur Anwendbarkeit der Vorschriften hoch angesetzt werden. Dies trägt dazu bei, insbesondere kleinere Reedereien zu schützen. Sinnvoll erscheint eine Revisionsklausel, nach welcher der Schwellenwert zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls angepasst werden kann. Zudem ist der Anwendungsbereich über 5.000 BRZ konform zu weiteren europäischen Regelungen im maritimen Bereich, insbesondere der MRV Verordnung. Auch für die Einbeziehung des Seeverkehrs in den EU-ETS ist der Grenzwert von 5.000 BRZ entscheidend.
Die IHK Nord fordert, an dem Anwendungsbereich für Schiffe über 5.000 BRZ festzuhalten, auch zum Schutz kleiner Reedereien. Eine Revisionsklausel sollte aufgenommen werden.

Verpflichtende Nutzung von Landstrom an Häfen mit Augenmaß

Nach dem Vorschlag der EU-Kommission müssen Container- und Fahrgastschiffe, die keine emissionsfreie Technologie nutzen und sich länger als zwei Stunden am Hafen aufhalten, ab dem Jahr 2030 verpflichtend Landstrom nutzen und den gesamten Energiebedarf am Liegeplatz aus Landstrom decken. Ausnahmen gelten nur, sofern aufgrund fehlender Anschlusspunkte in einem Hafen nicht an die landseitige Stromversorgung angeschlossen werden kann oder die Anlagen im Hafen nicht mit der schiffsseitigen Ausrüstung für Landstrom kompatibel sind. Ab dem Jahr 2035 werden diese Ausnahmen zur Nutzung von Landstrom stark eingeschränkt und die Nichtnutzung zudem mit Sanktionen belegt.
Die norddeutsche Wirtschaft begrüßt die Ausweitung der Nutzung von Landstrom grundsätzlich. Die Nutzung von Schiffsdiesel während der Liegezeiten in den Häfen bedingt Emissionen von Treibhausgas, Schadstoffen und Lärm. Die Nutzung von Landstrom führt so direkt zu geringerem Ausstoß an Stickstoffoxiden, Feinstaub und Kohlenstoffdioxid. Darüber hinaus entfällt der Lärm laufender Generatoren, was zu positiven Effekten in den Hafenstädten beiträgt. Norddeutschland versteht sich als Vorreiter für Landstrom. Norddeutsche Häfen bieten zahlreiche Möglichkeiten der Landstromversorgung für Kreuzfahrt-, Fähr- und Containerschiffe an, beispielsweise in Hamburg-Altona, entlang der schleswig-holsteinischen Westküste, in Cuxhaven, Kiel oder Warnemünde.
Allerdings ist die Hafenstromversorgung nicht immer das effizienteste Mittel zur Emissionsabsenkung. Zudem ist die Ausrüstung der Häfen mit hohen Investitionen verbunden. Der Vorschlag der EU-Kommission hätte zur Folge, dass allein an den etwa 550 Liegeplätzen für Seeschiffe in den deutschen Häfen milliardenschwere Ausgaben für Landstromanlagen anfielen.
Die deutschen Seehäfen verabschiedeten am 24. Januar 2022 ein gemeinsames Positionspapier „Zero Emission am Liegeplatz“ und erklärten in der Pressemitteilung hierzu, dass netzgebundene Landstromanlagen eine effektive Lösung zur Emissionsreduzierung von See- und Binnenschiffen während der Liegezeit im Hafen seien, jedoch nicht für jeden Liegeplatz und nicht für jedes Schiff.
Ob und an welchen Standorten in Norddeutschland die Nutzung von Landstrom sinnvoll ist, sollte unter lokalen Erfordernissen im Einzelfall geprüft werden. Darüber hinaus muss der Bezug von Landstrom attraktiver gestaltet werden, insbesondere durch geringe Bezugskosten und Nutzungsentgelte. Die im September 2020 in Deutschland beschlossene Begrenzung der EEG Umlage für Landstrom ab 2021 ist ein guter Schritt.
Eine starre Verpflichtung zur Nutzung von Landstrom in dem von der EU-Kommission vorgeschlagenen Zeitrahmen an allen Standorten lehnt die IHK Nord ab und fordert Flexibilitätsvorschriften zur Nutzung von Landstrom. Lokale Erfordernisse in den Häfen sollen in diesen Vorschriften Berücksichtigung finden.

LNG schnell nutzbar machen

Beim Übergang von konventionellen Treibstoffen hin zu klimaneutralen Antrieben der Zukunft bietet der Einsatz von LNG derzeit die besten Chancen. Er schafft die benötigte Zeit, um den Einstieg in Power-to-Gas/Power-to-Liquid-Prozesse umzusetzen, bei denen aus regenerativ erzeugtem Strom CO2-neutrale gasförmige oder flüssige synthetische Kraftstoffe hergestellt werden. Langfristiges Ziel muss es sein, aus regenerativ erzeugtem Strom mittels Elektrolyse von Wasser speicherbaren Wasserstoff herzustellen oder über die Methanisierung synthetisches Erdgas (Biomethan) als Treibstoff für die Schiffe zu erzeugen. Die LNG-Infrastruktur für die Betankung von Schiffen kann zusätzlich genutzt werden, wenn sich perspektivisch Wasserstoff als Treibstoff für die Schifffahrt etabliert hat.
Nach dem Vorschlag der EU-KOM ist die FuelEU Maritime Verordnung technologieoffen formuliert und umfasst LNG. Die norddeutsche Wirtschaft begrüßt dies, da LNG aktuell die einzige marktfähige Alternative darstellt. Wichtig ist jedoch, dass die Förderung von LNG durch entsprechende Maßnahmen flankiert wird. Dies betrifft die benötigte Infrastruktur. Mit der überarbeiteten Verordnung über Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (Alternative Fuel Infrastructure Directive, AFID) sollen ab dem Jahr 2025 LNG-Bunkerstationen in Häfen gefördert werden. Zentral für die Förderungsfähigkeit von LNG ist zudem die Taxonomie Verordnung. In einem Brandbrief aus Juli 2021 kritisieren Vertreter der maritimen Branche, dass von 2026 an nur noch solche Schiffe als nachhaltig gälten, bei denen keine CO2-Emissionen direkt aus dem Schornstein kommen würden, was der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Wirtschaft schweren Schaden zufüge. Schiffsfinanzierungen oder die staatliche Förderung schadstoffarmer Treibstoffe würden künftig unmöglich, der Ansatz reduziere aus ihrer Sicht das künftige Treibstoffportfolio der Schifffahrt auf Wasserstoff, Ammoniak und Batteriestrom, was letztlich das Aus für die Förderung deutscher LNG-Programme bedeuten würde.
Die IHK Nord fordert, LNG schnell nutzbar zu machen, hierzu bedarf es flankierender Maßnahmen, insbesondere durch die AFID und die Taxonomie Verordnung.

Nutzung von Wasserstoff in der Schifffahrt fördern

Wie ausgeführt, stellt LNG eine nutzbare Brückentechnologie dar, doch die FuelEU Maritime Verordnung sollte den Fokus auch darüber hinaus auf Treibstoffe wie Wasserstoff und Ammoniak lenken. Deutschland und speziell Norddeutschland haben die Möglichkeiten des Wasserstoffs und besonders des umweltfreundlichen, grünen Wasserstoffs erkannt, um zukünftig die fossilen Ressourcen Gas, Kohle und Öl zu ersetzen. Die Küstenstandorte in Deutschland sind als Hotspots für erneuerbare Energien und als Import- und Exporthubs von grünem Wasserstoff prädestiniert. Die Seehäfen im Norden können als Energie-Drehscheiben für Europa fungieren. Die optimalen Standortbedingungen der deutschen Seehäfen sollten genutzt werden, um Norddeutschland zur europaweiten Energie-Drehscheibe für erneuerbaren Wasserstoff zu entwickeln. Mit der FuelEU Maritime Verordnung besteht die Chance, Wasserstoff in der Schifffahrt als Technologie der Zukunft zu etablieren. Dabei sollten die hohen Kosten für die Umrüstung und den Neubau sowie die lange Lebensdauer von Schiffen von durchschnittlich 20 bis 30 Jahren berücksichtigt werden. Die konkrete Anwendung von Wasserstoff in der Schifffahrt muss durch die Entwicklung von Transportmöglichkeiten sowie die Förderung von hafengebundenen Nutzungen vorangetrieben werden. Im Rahmen der FuelEU Maritime Verordnung wird über das Potenzial von Kraft- und Brennstoffen nicht-biogenen Ursprungs (RFNBO) diskutiert, hierzu zählt auch Wasserstoff. Die Möglichkeit separater Sonderziele für Wasserstoff bzw. einer
entsprechenden Unterquote für RFNBO im Rahmen der FuelEU Maritime sollte vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Abbildbarkeit und Verfügbarkeit von Wasserstoff geprüft werden.
Die IHK Nord fordert, die Nutzung von Wasserstoff in der Schifffahrt zu fördern. Separate Sonderziele für Wasserstoff beziehungsweise spezielle Unterquoten für Kraft- und Brennstoffe nicht-biogenen Ursprungs sollten geprüft werden.

Finanzmittel für Forschung an Kohlenstoffarmen Treibstoffen aufstocken

Viele alternative Treibstoffe in der Schifffahrt sind bislang nicht marktfähig und sollten durch gezielte Förderung unterstützt werden. Vielversprechende Alternativen – darunter E-Fuels sowie Wasserstoff – sollten besonders gefördert werden. Die entsprechenden Forschungs- und Fördermittel müssten dafür aufgestockt werden. Eine Verknüpfung zu der geplanten Einbeziehung des Seeverkehrs in den EU-ETS ist anzudenken. Für diese steht zur Diskussion, einen Fonds einzurichten, in den die Einnahmen aus der Einbeziehung des Seeverkehrs in den EU-ETS sowie die Einnahmen für Sanktionen aufgrund Nichtbeachtung von Regelungen in die FuelEU Maritime Verordnung einfließen.
Die IHK Nord fordert, die Fördermittel für die Forschung an kohlenstoffarmen Treibstoffen aufzustocken und über einen Fonds eine sinnvolle Verknüpfung zur Einbeziehung des Seeverkehrs in den europäischen Emissionshandel herzustellen. Hierdurch würde ein Rückfluss in die maritime Wirtschaft gesichert, der der Entwicklung alternativer Treibstoffe in der Schifffahrt zugutekommt.

Treibstoffhersteller in die Verantwortung nehmen

Nach den aktuellen Vorschlägen der EU-Kommission sollen allein die Schiffsbetreiber für die Einhaltung der Vorgaben der FuelEU Maritime Verordnung einstehen. Dies gleicht der Situation, als Autofahrer an der Tankstelle für den aus der Zapfsäule zu beziehenden Treibstoff verantwortlich gemacht zu werden. Die Verpflichtung darf nicht einseitig gestaltet werden, sondern muss ebenso beim Treibstoffhersteller liegen. Die Herstellerverantwortung sollte ausgedehnt werden, beispielsweise durch Auflagen für die Treibstoffproduzenten in der EU.
In diesem Kontext sollte beachtet werden, dass nach dem Vorschlag der EU-Kommission nur 50 Prozent der Fahrten außerhalb der EU-Gewässer erfasst werden und Schiffe Treibstoffe leicht außerhalb der EU bunkern könnten. Daher müssen zeitgleich Vorteile des Bunkerns von Treibstoffen außerhalb der EU – insbesondere steuerlicher Art – beseitigt werden, da ansonsten Emissionsverlagerung (Carbon Leakage) gefördert werden könnte.
Die IHK Nord fordert die Ausdehnung der Herstellerverantwortung für Treibstoffhersteller in der EU, um eine einseitige Belastung allein der Schiffsbetreiber zu vermeiden. Vorteile des Bunkerns von Treibstoffen außerhalb der EU müssen beseitigt werden.

Emissionsreduktion global denken

Die maritime Energiewende ist keine allein europäische Aufgabe. Vielmehr können global effektive Maßnahmen nur auf internationaler Ebene durchgesetzt werden, der Seeverkehr macht nicht an europäischen Grenzen halt. Daher sollte die FuelEU Maritime Verordnung Maßnahmen auf IMO-Ebene berücksichtigen, um internationale Prozesse nicht zu blockieren. Hierfür sollte, gleich dem Vorschlag zur Einbeziehung des Seeverkehrs in den EU-ETS, eine Revisionsklausel eingefügt werden. Diese dient dem Ziel, die Maßnahmen auf IMO Ebene zu monitoren und die europäischen Regelungen bei Bedarf zu einem späteren Zeitpunkt anzupassen.
Die IHK Nord fordert die stärkere Beachtung von Maßnahmen auf IMO Ebene zur globalen Emissionsreduktion, hierfür soll eine Revisionsklausel aufgenommen werden, um Maßnahmen auf europäischer Ebene bei Bedarf anzupassen.

Zusammenfassung

Die IHK-Nord fordert im Hinblick auf den Vorschlag der EU-Kommission zur FuelEU Maritime Verordnung zusammenfassend:
  • an den von der EU-KOM formulierten etappenweisen Reduktionszielen festzuhalten und diese nicht zu erhöhen, um die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Seeverkehrs zu erhalten.
  • an dem Anwendungsbereich für Schiffe über 5.000 BRZ festzuhalten, auch zum Schutz kleiner Reedereien. Eine Revisionsklausel sollte aufgenommen werden.
  • Flexibilitätsvorschriften zur Nutzung von Landstrom, wobei lokale Erfordernisse in den Häfen Berücksichtigung finden sollen. Eine starre Verpflichtung zur Nutzung von Landstrom in dem von der EU-KOM vorgeschlagenen Zeitrahmen an allen Standorten lehnt die IHK Nord ab.
  • LNG schnell nutzbar zu machen, hierzu bedarf es flankierender Maßnahmen insbesondere durch die AFID und die Taxonomie-Verordnung.
  • die Nutzung von Wasserstoff in der Schifffahrt zu fördern. Separate Sonderziele für Wasserstoff beziehungsweise spezielle Unterquoten für Kraft- und Brennstoffe nicht-biogenen Ursprungs sollten geprüft werden.
  • die Fördermittel für die Forschung an kohlenstoffarmen Treibstoffen aufzustocken und über einen Fonds eine sinnvolle Verknüpfung zur Einbeziehung des Seeverkehrs in den europäischen Emissionshandel herzustellen. Hierdurch würde ein Rückfluss in die maritime Wirtschaft gesichert, der der Entwicklung alternativer Treibstoffe in der Schifffahrt zugutekommt.
  • die Ausdehnung der Herstellerverantwortung für Treibstoffhersteller in der EU, um eine einseitige Belastung allein der Schiffsbetreiber zu vermeiden. Dabei müssen auch die Möglichkeiten für Carbon Leakage abgebaut werden.
  • die stärkere Beachtung von Maßnahmen auf IMO Ebene zur globalen Emissionsreduktion, hierfür soll eine entsprechende Revisionsklausel aufgenommen werden, um die Maßnahmen auf europäischer Ebene bei Bedarf anzupassen.
Veröffentlicht im März 2022