Stellungnahme der IHK Schleswig-Holstein

Förderung der Digitalisierung und Bereitstellung von Daten

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Digitalisierung und Bereitstellung von offenen Daten und zur Ermöglichung des Einsatzes von sich selbstständig weiterentwickelnden, datenbasierten Technologien in der Verwaltung (Digitalisierungsgesetz) – gerichtet an Herrn Sven Thomsen vom MELUND – Ihre Nachricht vom 3. Juni 2021 / V 303 - 15564/202
Für die Möglichkeit in o. g. Angelegenheit Stellung zu nehmen, bedanken wir uns.
Den vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung und mithin die geplanten Gesetzesänderungen (Artikel 1 bis Artikel 11) sowie den zugrundeliegenden Problemaufriss und die dargelegten Lösungsansätze und Begründungen erachtet die IHK Schleswig-Holstein (IHK SH) als wichtigen und notwendigen Schritt für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Schleswig-Holstein.
Die dringend gebotene Digitalisierung der Verwaltung durch eine rechtliche Verankerung mit adäquaten und notwendigen Anpassungen und Ergänzungen betroffener Gesetze und Verordnungen zu unterstützen, mögliche Hürden aus dem Weg zu räumen und den Umsetzungsprozess damit zu beschleunigen, erachten auch wir als essenziell.
Zugleich müssen die Digitalisierungsmaßnahmen und die infolgedessen einhergehende und dringend erforderliche Bereitstellung von offenen Daten sowie der Einsatz von KI-basierten Informationstechnologien konsequent und unter Einbindung wichtiger Beteiligter – darunter auch die gewerbliche Wirtschaft und deren Interessenvertretung – geplant und landesseitig wie auf kommunaler Ebene mutig wie zeitnah umgesetzt werden.
Mit Blick auf Artikel 12 weisen wir jedoch auch darauf hin, dass die Europäische Kommission mit ihrem am 21. April 2021 veröffentlichten „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz (Gesetz über künstliche Intelligenz) und zur Änderung bestimmter Rechtsakte der Union“ (COM(2021) 206 final) als Teil ihrer Europäischen Strategie für Künstliche Intelligenz einen weit fortgeschrittenen Regulierungsentwurf für denselben Anwendungsbereich auf der europäischen Ebene inzwischen ebenfalls vorgelegt hat.
In der ihren Entwurf einführenden Begründung nennt die Kommission als eines der mit ihrem Vorschlag angestrebten Ziele ausdrücklich: „Die Entwicklung eines Binnenmarkts für rechtskonforme, sichere und vertrauenswürdige KI-Anwendungen muss erleichtert werden und es gilt, eine Marktfragmentierung zu verhindern.“ (Abschnitt 1.1 des Verordnungsvorschlags der Kommission).
Im Abschnitt 2 (Rechtsgrundlage, Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit) beschreibt die Kommission eines der Motive für ihren Vorschlag wie folgt: „Einige Mitgliedstaaten ziehen bereits nationale Vorschriften in Erwägung, damit sichergestellt ist, dass KI sicher ist und unter Einhaltung der Grundrechte entwickelt und verwendet wird. Daraus dürften sich vor allem die beiden folgende Probleme ergeben: i) eine Fragmentierung des Binnenmarkts in wesentlichen Fragen, insbesondere mit Blick auf die Anforderungen an KI-Produkte und -Dienste, deren Vermarktung und Verwendung sowie auf die Haftung und die Aufsicht durch öffentliche Behörden, und ii) die erheblich geringere Rechtssicherheit sowohl für Anbieter als auch Nutzer von KI-Systemen im Hinblick darauf, wie bestehende und neue Vorschriften auf solche Systeme in der Union angewandt werden. Angesichts des großen Umfangs des grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehrs lassen sich diese beiden Probleme am besten durch unionsweit harmonisierte Rechtsvorschriften lösen.“
Dieser Argumentation der Europäischen Kommission schließen wir uns an und bitten daher Ihr Ministerium und die Landesregierung dringend darum, im Sinne der Vermeidung einer Fragmentierung des europäischen Binnenmarkts die Notwendigkeit der Einführung des IT-Einsatz-Gesetzes (ITEG) auf der Ebene des Bundeslandes Schleswig-Holstein – also einer Regulierung sogar auf sub-nationaler Ebene! – noch einmal grundsätzlich zu überdenken.
Unsere Bewertung und Stellungnahme im Einzelnen:

Probleme der digitalen Verwaltung

a. Bewertung und Anmerkungen zur Problembeschreibung

Die IHK SH teilt die Einschätzung des Ministeriums einer stark heterogenen Ausprägung des Digitalisierungsgrades der Verwaltung sowohl auf kommunaler als auch auf Landesebene. Die von Ihnen erwähnten Diskontinuitäten im behördlichen Ablauf zahlreicher Prozesse und der damit verbundene ineffiziente Ressourcen- bzw. Personaleinsatz werden durch Erfahrungen unserer Mitgliedsunternehmen in deren vielfältiger Zusammenarbeit mit der Verwaltung widergespiegelt.

b. Bewertung und Anmerkungen zu Lösung, Begründung und Gesetzesänderungen

Die künftige Verfügbarkeit von Onlinediensten und die Kommunikation über Servicekonten wird von der gewerblichen Wirtschaft ausdrücklich begrüßt. Sie ist ein wichtiger Schritt im Zuge der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes. Eine effizientere Interaktion von Wirtschaft und Verwaltung sowie den zugrundeliegenden Prozessen ist auf diese Weise gesichert.
Sinnvoll sind aus unserer Sicht die aufgeführten Änderungen im Landesrecht, dienen sie doch auch der Weiterentwicklung des E-Government, der dafür erforderlichen Infrastruktur und der Verwaltungsstrukturen:
  • So begrüßen wir die geplante Änderung des § 52 b Absatz 2 Landesverwaltungsgesetz, der in Satz 1 die Behörden verpflichtet, die Verwaltungsleistungen auch elektronisch anzubieten und die Übermittlung elektronischer Dokumente über Konten gemäß § 11 Absatz 2 Nr. 11 EGovG i.V.m. § 3 Absatz 2 OZG (Servicekonto) sicherzustellen.
  • Der neu eingefügte Absatz 3, der Behörden verpflichtet, elektronische Formulare in einem dem Stand der Technik entsprechenden, barrierefreien, maschinenlesbaren und offenem Format bereitzustellen legt mit dem 1. Januar 2025 angesichts der OZG-Umsetzung Ende 2022 eine Übergangsfrist fest, die ob ihrer Dauer überdacht werden sollte.
Die generelle Notwendigkeit der Maschinenlesbarkeit als Voraussetzung elektronischer Weiterverarbeitung im Zuge digitaler Prozesse sowie die digitale Aktenhaltung als Regel, sollte nicht allein für die Landesbehörden gelten, sondern auch für die Verwaltung auf Gemeinde- und kommunaler Ebene.

Probleme der geschlossenen Daten

a. Bewertung und Anmerkung zur Problembeschreibung

Die wachsende Bedeutung einer datengetriebenen Ökonomie ist sowohl für den Wirtschafts- wie für den Wissenschafts- und Forschungsstandort Schleswig-Holstein bedeutsam. Denn hieraus erwachsen der im vorliegenden Entwurf aufgezeigte Problemaufriss und Handlungsbedarf.
Vollumfänglich teilen wir die Einschätzung, dass Entwicklungen von innovativen, datenbasierten Produkten und Dienstleistungen einer von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägten schleswig-holsteinischen Wirtschaft erschwert bis unmöglich gemacht werden durch die derzeit bestehende mangelnde Datenverfügbarkeit, durch beschränkte (Weiter-)Nutzung und hohe Kosten für den Erwerb hochwertiger Datensätze.
Hiervon betroffen sind sowohl Schleswig-Holsteins Start-up-Szene als auch etablierte Unternehmen des Mittelstandes. Letztere stehen aufgrund ihrer Marktposition oft gar als Hidden Champion im globalen Wettbewerb dar; die beständige Weiterentwicklung ihrer Produkte, Dienstleistungen und Verfahren ist somit essenziell.
Die im Problemaufriss aufgezeigten Einzelfelder
  • Fehlende Datensouveränität
  • Fehlende Datenaktualität
  • Nicht gesicherte Datenqualität
  • Finanzielle Belastung für kleine und mittelständische Unternehmen
  • Fehlende Impulse für Forschung und Entwicklung
  • Fehlende Transparenz
  • Unwirtschaftliche Datennutzung
und Ihre Ausführungen hierzu im Rahmen einer Bestandsaufnahme teilen wir denn auch. So muss etwa mangelnder Datenaktualität künftig durch die Bereitstellung von Echtzeitdaten in standardisierter Form entgegengewirkt werden.
Auch aus unserer Sicht sind die mit Steuergeldern erhobenen Daten – solange nicht entscheidende Gründe dagegensprechen – Bürgern sowie gleichermaßen Unternehmen und der Wissenschaft und Forschung zur Nutzung unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise können wichtige wirtschaftliche und wissenschaftliche Impulse für den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein generiert werden. Nicht zuletzt ist auch der interne Datenaustausch der Verwaltung und mithin ihre Leistungssteigerung zu forcieren.

b. Bewertung und Anmerkungen zu Lösung, Begründung und Gesetzesänderungen

Die öffentlich zugängliche Bereitstellung zusätzlicher Daten der Verwaltung, sowohl auf Landes- wie auch auf kommunaler Ebene durch das Offene-Daten-Gesetz(ODaG), auf Basis dessen die allgemein anerkannten Open-Data-Grundsätze zu den zentralen Verfahrensgrundsätzen für Landesbehörden werden sollen, findet unsere ausdrückliche Zustimmung.
In diesem Zusammenhang begrüßen wir an dieser Stelle gleichfalls und ausdrücklich die geplante Erweiterung der Nutzungs- und Weiternutzungsmöglichkeiten von offenen Geodaten. Denn für die (Weiter-)Entwicklung von innovativen, datenbasierten Produkten und Dienstleistungen etablierter Unternehmen und insbesondere Start-ups ist die breitere Nutzung georeferenzierter Informationen eine wichtige Voraussetzung.
Gleichfalls begrüßen wir das Vorhaben länderübergreifenden Datenaustausches mittels Portalverbünde.
Gerechtfertigt, weil unabdingbar sehen wir die für eine erfolgreiche Umsetzung des Open-Data-Konzeptes notwendige Anpassung von Prozessen der Datenerhebung sowie die grundlegende Optimierung des Datenmanagements. Als folgerichtig erachten wir denn auch die Etablierung technischer und personeller Infrastruktur in Form eines Open-Data-Portals und einer Open-Data-Leitstelle.
Um den Erfolg des dargelegten Open-Data-Konzeptes sicherzustellen, müssen jedoch zugleich aus unserer Sicht einige entscheidende Punkte des Artikels 10 ODaG nachgeschärft werden:
  • So besteht gemäß § 2 Absatz 2, Satz 1 einerseits für die Träger der öffentlichen Verwaltung keine Verpflichtung vorliegende unbearbeitete Daten über das Open-Data-Portal bereitzustellen. Gemäß § 2, Absatz 1 Satz 2 hingegen sollen Landesbehörden die Möglichkeiten einer Bereitstellung ausschöpfen und nur ausnahmsweise keinen Gebrauch davon machen. Eine Ausweitung eben dieser Regelung auf Kreise, Gemeinden und Ämter würde ggf. in kürzerer Zeit eine umfangreichere Datenbasis schaffen.
  • Zudem sollten Absatz 3, Nr. 1 und Nr. 3 (Wettbewerbsinteressen und Geheimhaltungsbedingungen) klarer definiert werden.
  • Vor Ablehnung im Sinne des Absatzes 3, Nr. 12 muss aus unserer Sicht geprüft werden, ob durch eine vorangestellte Anonymisierung personenbezogener Daten, diese nicht dennoch bereitgestellt werden können.
Kurzum: Im Sinne von Verlässlichkeit und umfangreicher Nutzung offener Daten würden diese Anpassungen die im Problemaufriss genannten positiven Auswirkungen der Open-Data-Strategie auch auf die schleswig-holsteinische Wirtschaft verstärken und etwa der (Weiter-)Entwicklung von innovativen, datenbasierten Produkten und Dienstleistungen zugutekommen.
Der sich aus § 5 Abs. 3 abzuleitende Grundsatz der konzeptionell und standardmäßig offenen Datenhaltung (Open-Data-by-default) in dem Sinne, dass die Bereitstellung von Daten bereits bei deren Erhebung mitgedacht werden muss, ist hingegen ein ebenso wichtiger Punkt wie der Ansatz, die Verantwortung für die Einhaltung der Open-Data-Standards auf die Stellen zu übertragen, die diese Daten erheben.

Probleme des nicht regulierten Einsatzes von sich selbstständig weiterentwickelnden, datenbasierten Informationstechnologien und die Berücksichtigung einer möglichen Übernahme diskriminierender Entscheidungsmuster

a. Bewertung und Anmerkung zur Problembeschreibung

Vollumfänglich teilen wir die Einschätzung, dass auch für die öffentliche Verwaltung vielfältige Einsatzmöglichkeiten von sich selbstständig weiterentwickelnden, datenbasierten Informationstechnologien (KI-Systemen) bestehen und dass der Bedarf für den Einsatz solcher Systeme in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird. Zudem unterstützen wir das Ziel, dass ein zunehmender Einsatz sich selbstständig weiterentwickelnde, datenbasierte Informationssysteme zur Kostenreduzierung in den Landesbehörden beitragen soll. Allerdings teilen wir nicht die Einschätzung, dass – insbesondere auf europäischer Ebene – bisher nur erste Leitlinien oder Empfehlungen zur Regulierung des Einsatzes von KI-Systemen erarbeitet wurden.
Mit ihrem am 21. April 2021 veröffentlichten „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz (Gesetz über künstliche Intelligenz) und zur Änderung bestimmter Rechtsakte der Union“ (COM(2021) 206 final) hat die Europäische Kommission als wesentlichen Teil ihrer Europäischen Strategie für Künstliche Intelligenz einen weit fortgeschrittenen Regulierungsentwurf für denselben Anwendungsbereich auf der europäischen Ebene inzwischen vorgelegt.

b. Bewertung und Anmerkungen zu Lösung, Begründung und Gesetzesänderungen

Von einem zunehmenden Einsatz von sich selbstständig weiterentwickelnden, datenbasierten Informationstechnologien in der öffentlichen Verwaltung werden Wirtschaftsunternehmen – unsere Mitglieder – absehbar auf zweierlei Weise betroffen bzw. daran beteiligt sein:
Einerseits werden auch unsere Mitgliedsunternehmen zunehmend mit Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung konfrontiert werden, die mittels sich selbstständig weiterentwickelnden, datenbasierten Informationstechnologien oder mit deren Unterstützung getroffen werden. Zum anderen werden Mitgliedsunternehmen der Digitalbranche absehbar an der Entwicklung von sich selbstständig weiterentwickelnden, datenbasierten Informationstechnologien zum Einsatz in der öffentlichen Verwaltung innerhalb und außerhalb von Schleswig-Holstein mitwirken (oder sie tun dies bereits heute), bspw. als Zulieferer von Software-Produkten, im Zusammenhang mit Auftragsentwicklungen solcher Produkte für die öffentliche Verwaltung, oder im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften zur Entwicklung solcher Systeme.
Obwohl das geplante ITEG (Artikel 12) für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Träger der öffentlichen Verwaltung im Land Schleswig-Holstein gelten soll (§1 (1)) werden vom ITEG insofern auch unsere Mitgliedsunternehmen zumindest mittelbar tangiert sein.
Im Sinn einer allgemeinen Bürokratieentlastung liegt es aber im Interesse der Wirtschaftsunternehmen, auch künftig nicht in Schleswig-Holstein mit einem anderen bzw. einem zusätzlichen Regulierungsrahmen konfrontiert zu sein als in anderen Bundesländern oder in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Ein Vergleich wesentlicher Stellen beider Texte, des Gesetzesentwurfs der Landesregierung für ein ITEG und des Vorschlags der Kommission für ein Gesetz über Künstliche Intelligenz, führt aber zu dem Ergebnis, dass mit Einführung eines ITEG in Schleswig-Holstein genau dies – und damit als Folge eines schleswig-holsteinischen Sonderwegs auch eine Fragmentierung des Europäischen Binnenmarkts – bevorsteht.
Zwar besteht wesentliche Übereinstimmung im grundsätzlichen Ziel beider Entwürfe, nämlich den Vorrang menschlichen Handelns und menschlicher Aufsicht, technische Robustheit und Sicherheit, die Beachtung von Privatsphäre und Datenqualitätsmanagement, Transparenz, Vielfalt, Nichtdiskriminierung und Fairness sowie die Beachtung des gesellschaftlichen und ökologischen Wohlergehens und die Rechenschaftspflicht rechtlich zu operationalisieren. Deutliche Abweichungen zwischen beiden Entwürfen bestehen aber schon in den Begriffsbestimmungen (ITEG § 3 Begriffe und Automationsstufen versus Artikel 3 Begriffsbestimmungen, Punkt 1. des Vorschlags der Kommission), die im ITEG-Entwurf der Landesregierung formulierten „Automationsstufen“ erinnern zwar an die im Titel III, Kapitel 1 beschriebene Klassifizierung von Hochrisiko-KI-Systemen, weichen im Detail aber deutlich davon ab, usw.
Als ein Vorteil des ITEG-Entwurfs der Landesregierung gegenüber dem Vorschlag der Kommission für ein Gesetz über Künstliche Intelligenz ließe sich anführen, dass der ITEG-Entwurf vermutlich deutlich schneller verabschiedet werden und in Kraft treten kann als ein europäisches Gesetz über Künstliche Intelligenz, dessen Vorschlag der Europäischen Kommission nach Abschluss des kürzlich erst begonnenen Trilogs zwischen Europäischer Kommission, Europäischem Parlament und dem Rat der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor Geltungsbeginn voraussichtlich noch eine Übergangsfrist von bspw. 24 Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung (Artikel 85, Absatz (2) des Vorschlags der Kommission) bevorsteht. Somit lässt sich argumentieren, dass die auch aus Sicht unserer Mitgliedsunternehmen erstrebenswerte Rechtssicherheit für den Einsatz von sich selbstständig weiterentwickelnden, datenbasierten Informationstechnologien mit dem ITEG schneller erreicht werden kann als mit dem geplanten europäischen Gesetz über Künstliche Intelligenz. Freilich gilt dies nur für den recht begrenzten schleswig-holsteinischen Markt und hier nur den Bereich öffentlich-rechtlicher Verwaltungstätigkeit.
Dass die Landesregierung für die Möglichkeit des Einsatzes von sich selbstständig weiterentwickelnden, datenbasierten Informationstechnologien bei öffentlich-rechtlicher Verwaltungstätigkeit mit dem ITEG Rechtssicherheit rasch herstellen möchte ist nachvollziehbar, insbesondere mit Blick auf die kürzlich geradezu rasanten technologischen Entwicklungen in diesem Bereich. Kurzfristig könnte eine mittels des ITEG auf Landesebene geschaffenen Rechtssicherheit sogar dazu führen, dass Schleswig-Holstein beim Einsatz von sich selbstständig weiterentwickelnden, datenbasierten Informationstechnologien bei öffentlich-rechtlicher Verwaltungstätigkeit einen Vorsprung z.B. im Vergleich zu anderen Bundesländern bekommt.
Dennoch sollte nicht übersehen werden, dass sich mittelfristig – nämlich nachdem ein europaweit einheitlicher regulatorischer Rahmen für den Einsatz Künstlicher Intelligenz (nicht nur bei öffentlich-rechtlicher Verwaltungstätigkeit) ebenfalls eingeführt ist – ein schleswig-holsteinisches ITEG als ein Hemmschuh der weiteren Entwicklung des Einsatzes von sich selbstständig weiterentwickelnden, datenbasierten Informationstechnologien im Land (im Vergleich zu anderen Bundesländern oder anderen Mitgliedstaaten der EU) erweisen kann, weil dann in Schleswig-Holstein das ITEG zusätzlich beachtet werden muss, was absehbar zu einem erhöhten Aufwand für Entwicklungen in bzw. für Schleswig-Holstein führen wird. Zur Verhinderung der Fragmentierung des Europäischen Binnenmarkts und des Erhalts der Möglichkeit einer raschen Einführung von KI-basierten Innovationen auch in Schleswig-Holstein raten wir dringend davon ab, auf der nationalen oder der sub-nationalen Ebene in Deutschland oder Schleswig-Holstein Regelungen einzuführen, die über die Anforderungen des kommenden EU-Gesetzes für Künstliche Intelligenz hinausgehen, von diesem Gesetz abweichen oder dieses Gesetz noch ergänzen.
Eine besondere Bedeutung kann vor diesem Hintergrund dem § 13 des ITEG-Entwurfs, Überprüfung und Bericht, einnehmen, der dann allerdings deutlich anders gefasst werden müsste. Falls das ITEG eingeführt wird sollte im § 13 eindeutig formuliert werden, dass eine Überprüfung des ITEG erfolgen wird, sobald ein europäisches Gesetz für Künstliche Intelligenz ebenfalls eingeführt ist, verbunden mit dem eindeutigen Ziel, das ITEG als einen zeitlich befristeten schleswig-holsteinischen Sonderweg zum Zweck einer kurzfristigen Beschleunigung des Einsatzes von sich selbstständig weiterentwickelnden, datenbasierten Informationstechnologien bei öffentlich-rechtlicher Verwaltungstätigkeit dann wieder außer Kraft zu setzen.

Probleme bei Datenschutz und Informationssicherheit

a. Bewertung und Anmerkung zur Problembeschreibung

Die in den Ausführungen dargelegten Risiken mangelnder Kontrolle im Falle des Einsatzes proprietärer Systeme und Programme mögen aus Sicht der Verwaltung nachvollziehbar sein. Inwieweit Quasi-Monopolstellungen von Anbietern hier zu höheren Kosten – etwa für die Inanspruchnahme der angebotenen Dienste – und damit langfristig zu einer höheren Belastung des Landeshaushalts im Gegensatz zur Open-Source-Lösung, die im Zweifel von der Community nicht weiterentwickelt wird, muss gleichwohl abgewogen werden.
Ein gewisses Sicherheits- und Souveränitätsniveau bei cloudbasierten Services der Datenhaltung, -verarbeitung und Softwarebereitstellung bieten zudem nach unserer Einschätzung rechtliche Vereinbarungen im Rahmen von Standardvertragsklauseln (wie sie im Art. 46 Abs. 2 c) DSGVO benannt werden) sowie geeignete Serverstandorte in der EU bzw. Deutschland. Zudem ist ein Teil der aufgezeigten Risiken durch Abhängigkeiten, wie etwa Verfügbarkeiten von Internetverbindungen und Systemen, absichtliche Störungen dieser durch Dritte sowie Zugriff fremder staatlicher Stellen prinzipiell auch auf eigen betriebenen Plattformen vorhanden.
Gleichwohl ist der aufgezeigte grundlegende Ansatz des Landes und der Kommunen zukünftig eigene Wege zu beschreiten (auch mit Blick auf die Bereitstellung und Sammlung neuer Daten, von denen nicht zuletzt die Wirtschaft und Wissenschaft profitieren), richtig.

b. Bewertung und Anmerkungen zu Lösung, Begründung und Gesetzesänderungen

Der geplante Einsatz von offener Software und offenen Standards ist aus Sicht der Verwaltung angesichts der dargelegten Aspekte Datensouveränität (Punkt 2.), aus Kostengründen und aufgrund der Probleme bei Datenschutz und Informationssicherheit (Punkt 4.) – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des EU-Urteils zum Privacy Shield – nachvollziehbar.
Der aufgezeigte Multi-Vendor-Ansatz, der es ermöglichen soll, dass durch überwiegenden Open-Source-Einsatz zukünftig auch kleinere und mittelständische Softwareunternehmen bei der Beschaffung und Auswahl als Anbieter in Ausschreibungen des Landes in Betracht kommen, ist grundsätzlich zu begrüßen.
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass bei der zum Einsatz kommenden Open-Source-Strategie ein hohes Sicherheitsniveau, robuste Systeme und das erwähnte solide Notfallmanagement unabdingbar sind, um das Landesnetz als KRITIS zu schützen und auf diese Weise Datenschutz und Datensicherheit in Richtung der Wirtschaft mithin vollumfänglich zu schützen. Der Aspekt schnellen Handelns, das nicht durch Weisungsbefugnisse und Kompetenzen behindert werden darf, muss dafür sichergestellt sein.
Unabdingbar und Prämisse bei der Ausrichtung auf einen Open-Source-Ansatzbleibt zudem – bei allen Vorteilen, die sich das Land vom Einsatz von Open-Source-Produkten verspricht –, dass bei Verwaltungsprozessen intern, wie auch nach extern stets Interoperabilität durch geeignete Schnittstellen gewährleistet sein muss.
Die vorgesehenen rechtlichen Änderungen im Landesrecht insbesondere mit Blick auf das E-Government-Gesetz (Artikel 4), das den aktuellen Anforderungen der Verwaltung in Bezug auf Interoperabilität, Mindeststandards, Informationssicherheitsstandards sowie Nachhaltigkeit dienen soll, sind aus Sicht der IHK Schleswig-Holstein folgerichtig und zu begrüßen.

Abschließend möchten wir als Interessenvertretung und Selbstverwaltung der gewerblichen Wirtschaft in bewährter Weise unsere Unterstützung und Kooperation im Rahmen der Umsetzung des Digitalisierungsgesetzes anbieten.
Veröffentlicht am 18. Juli 2021