Stellungnahme der IHK Schleswig-Holstein

Neufassung der schleswig-holsteinischen Vergabeverordnung (SHVgVO) zur Umsetzung des Tariftreue- und Vergabegesetzes

Unsere Stellungnahme bezieht sich daher ausdrücklich auf die Regelungen in der Verordnung, die durch Formblatt und Verwaltungsvorschriften näher konkretisiert worden sind.

a) ILO-Kernarbeitsnormen

Gem. § 18 TTG müssen bei Auftragsvergaben zukünftig die „Mindeststandards“ aus den ILO Kernarbeitsnormen berücksichtigt werden. Wir lehnen die Berücksichtigung von vergabefremden Aspekten bei der Auftragsvergabe aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Als besonders problematisch sehen wir an, dass das Vergabeverfahren insgesamt noch bürokratischer wird.
Der Verordnungsentwurf ermöglicht aber, dass die Anforderungen des TTG so umgesetzt werden können, dass der bestehende bürokratische Aufwand nur relativ moderat erhöht wird.
Insbesondere der vorgelegte Ablaufplan, der Teil der Verwaltungsvorschrift ist, ist uE gut dazu geeignet, den Vergabestellen das nötige Rüstzeug zum Umgang mit dem neuen Recht zu verschaffen, so dass eine einheitliche Umsetzung gelingen dürfte.
Für wichtig und richtig halten wir, dass die Vergabestellen verpflichtet sind, klare und eindeutige Vorgaben darüber zu machen, welche Hürden der Bieter nehmen muss. Den Vergabestellen wird es sicherlich helfen, dass sie durch Identifikation von Siegeln über die Seite www.kompass-nachhaltigkeit.de ihren Verpflichtungen abschließend nachkommen können.
Problematisch gestaltet sich aber, dass in einer Verfahrensvariante das Formblatt bereits zu den Ausschreibungsunterlagen gehört und vom Bieter schon bei Abgabe des Angebots ausgefüllt werden muss.
Verfügt ein Bieter nicht über ein gefordertes Siegel, was eine Vielzahl von Ursachen haben kann, die keinen zwangsläufigen Rückschluss darauf zulassen, dass der Bieter an der Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen kein Interesse hätte, hat er jetzt auf andere Weise die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen nachzuweisen.
Wir halten diese Verfahrensvariante bereits aus grundsätzlichen Erwägungen für falsch. Wir lehnen es ab, dass über die Gestaltung des Verfahren ein latenter Druck aufgebaut wird, bestimmte – auch kostenträchtige – Siegel zu erwerben, obwohl die Möglichkeit besteht, die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnorm auch durch geeignete andere Maßnahmen sicher zu stellen.
Aber auch in der konkreten praktischen Umsetzung sehen wir Probleme. Die Rechercheverpflichtung der Vergabestelle bezieht sich nämlich nur darauf, ob einschlägige Zertifikate, Siegel oder eine sonstige Bescheinigung überhaupt existieren. Unklar bleibt aber, nach welchen Kriterien diese Dokumente ausgestellt werden.
Ohne Vorgabe von einschlägigen Kriterien kommt es zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit auf Seiten der Bieter, da nicht ersichtlich ist, welche Unterlagen nun konkret einzureichen sind. Gleichzeitig sieht § 6 Abs. 3 des Entwurfs vor, dass Bieter auszuschließen sind, wenn die geforderten Erklärungen und Nachweise unvollständig eingereicht worden sind. Der Bieter, der über kein einschlägiges Siegel verfügt, wird daher erhebliche Schwierigkeiten haben, einen Zuschlag zu erhalten.
Da umgekehrt die Vergabestelle ohnehin nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen hat, ob die geführten Nachweise den Anforderungen entsprechen, muss sie aber über die Kenntnisse verfügen, welche Nachweise ausreichend sind. Diese Kenntnisse sollten dann zumindest auch transparent gemacht werden.
In den Verwaltungsvorschriften sollte daher geändert werden, dass der Nachweis nicht vom Bieter, sondern nur von demjenigen verlangt werden soll, der im Vergabeverfahren bereits in „Zuschlagsnähe“ gerückt ist. Die Möglichkeit, das Formular bereits zu den Verdingungsunterlagen zu nehmen, sollte gestrichen werden.
Sollte an der Möglichkeit festgehalten werden, das Formular zu den Verdingungsunterlagen zu nehmen, müssen die Kriterien, die regelmäßig zur Siegelerteilung führen, ebenfalls mit den Verdingungsunterlagen bekannt gemacht werden, um Bietern eine angemessene Prüfung ihres Angebots zu ermöglichen. Anderenfalls könnte regelmäßig keine seriöse Einschätzung erfolgen, ob die abgegebenen Erklärungen vollständig sind bzw. würde nur über den Ausschluss vom Vergabeverfahren deutlich, dass die Vergabestelle sich auf den Standpunkt gestellt hat, dass die Unterlagen unvollständig waren.

b) Absenkung der Wertgrenzen

Die vorgezogene Absenkung der Wertgrenzen lehnen wir ab. Um eine Zersplitterung der Rechtslage zu vermeiden, ist es geboten, zumindest im norddeutschen Raum auf einheitliche Wertgrenzen hinzuwirken. Wir regen daher an, die Änderung der Wertgrenzen mindestens mit den Ländern Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern zu koordinieren.
Veröffentlicht am 20. August 2013