Positionspapier der IHK Schleswig-Holstein

Integrierte Stadtentwicklung

Die Innenstädte und Ortskerne sind das Aushängeschild von Städten und Gemeinden. Im Wettbewerb der Regionen können Städte und Gemeinden nur erfolgreich bestehen, wenn sie ein vielfältiges Angebot an Versorgung, Dienstleistung, Kultur und Gastronomie und eine hohe Aufenthaltsqualität mit einem attraktiven städtebaulichen Umfeld bieten. Gerade der Handel und die Nahversorgung sind elementar wichtige Funktionen einer Stadt, die als Magneten für Bevölkerung, aber auch Touristen wirken.
Viele Ortskerne und Innenstädte leiden jedoch an Kaufkraftabfluss und Leerständen. Strukturveränderungen durch Filialisierung, Online-Handel und Konzentrationstendenzen sind nur einige aktuelle Herausforderungen. Hinzu treten – nicht nur für viele Städte und Gemeinden, sondern auch für die Handelsunternehmen selbst von Brisanz – die gesellschaftlichen Umwälzungen des demografischen Wandels mit Bevölkerungsrückgang und -alterung.
Die Kommunen sind deshalb aufgerufen, auf Grundlage der gesetzlichen Grundlagen und der landesplanerischen Vorgaben unter Einbeziehung der Akteure eine planerische Zukunftsperspektive für die gewachsenen Versorgungsstrukturen und die Einzelhandelslagen zu entwickeln.
Um den Wandel im Handel aktiv zu begleiten und die Ortskerne und andere Einkaufslagen strategisch zu entwickeln, sind investitionsfördernde und transparente Rahmenbedingungen wichtig. Ausgehend von den aktuellen Trends und ihren Auswirkungen auf die schleswig-holsteinischen Innenstädte und Ortszentren stellen wir einen Leitfaden für zukünftige Planungsentscheidungen vor, wie Politik und Verwaltung gemeinsam mit der Wirtschaft attraktive und lebendige Städte mit stabilen Versorgungszentren gestalten können.

Stadtentwicklung

Die Tourismuswirtschaft wird in Schleswig-Holstein auch weiterhin einer der wichtigsten Wirtschaftsbereiche sein, der aber auch vor Herausforderungen steht. Für Touristen sind attraktive Stadtzentren und Ortskerne häufig wichtige Anziehungspunkte, andererseits beleben Reisende und Urlauber auch die innerstädtischen Handelslagen. Die herausragenden Synergien zum Einzelhandel gilt es deshalb weiter zu stärken.
Alexandra von Oven-Batsch
Seehuus GmbH
Die historisch gewachsenen Städte und Gemeinden mit ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Vielfalt sind Identifikationskerne für Menschen und Unternehmen bis weit ins Umland eines Zentrums hinaus. Durch strukturelle Veränderungen und den zunehmenden Online-Handel stehen Städte Schleswig-Holsteins, insbesondere kleinere und mittlere Zentren, vor enorme Herausforderungen. Hinzu kommt der demografische Wandel in Schleswig-Holstein, der vielerorts mit einem Rückgang und Alterung der Bevölkerung einhergeht. Verbunden damit ist der Trend, dass sich gerade Senioren vermehrt in Standorten mit ansprechendem Dienstleistungs- und Versorgungsangebot niederlassen.
Für die Attraktivität von Städten und die Ansiedlung von Unternehmen sind deshalb neben den vielseitigen wirtschaftlichen Nutzungen und Funktionen auch lebenswerte Wohnstandorte in den Zentren mitentscheidend. Auch die eigene Bevölkerung schätzt lebendige Stadtquartiere mit vielfältigem Angebot – ein Faktor, der im Wettbewerb um Fachkräfte eine wichtige Rolle spielt. Die Herausforderung lautet deshalb: Wer schafft es, die Vielfalt der Innenstädte mit einem Branchenmix des Handels verschiedener Angebotstypen, des Handwerks und multipler Dienstleistungsfunktionen mit einem attraktiven städtebaulichen Umfeld zu erhalten?
Im Erfolgsfall profitiert auch der Tourismus. Mit einem jährlichen Umsatz von rund 7,5 Milliarden Euro in Schleswig-Holstein ist er wiederum Umsatzbringer für verschiedene Branchen: Neben Beherbergungs- und Gastronomiebetrieben gilt dies insbesondere für den Einzelhandel – gerade der Einkaufstourismus nimmt an Bedeutung zu. Zwar zählt Schleswig-Holstein mit seiner Lage zwischen den Meeren zu den attraktivsten Tourismuszielen Deutschlands, es steht allerdings auch in Konkurrenz zu anderen deutschen, europäischen und außereuropäischen Urlaubsdestinationen. Lebendige und vielseitige Innenstädte und Ortskerne sind deshalb auch für den Erhalt der Attraktivität als Tourismusdestination wesentlich. Gerade gewachsene Strukturen können hierbei mit Individualität punkten.
Fehlentwicklungen, wie Funktionsverluste durch gewerbliche Leerstände, wirken sich negativ auf die Attraktivität der Stadt aus und können zu einer nur schwierig wieder umkehrbaren Abwärtsspirale führen. Aufenthaltsqualität und ein Mehrwert an Erlebnis von Innenstädten oder Ortszentren sind wichtige Standortvorteile, die nur gemeinsam mit den Händlern, Gastronomen, Touristikern, Dienstleistern und Eigentümern vor Ort herausgearbeitet werden können.
Die IHK setzt sich für stabile Stadt- und Ortszentren ein und befördert deshalb kooperative Stadtentwicklungsinitiativen.

Rolle und Trends des Einzelhandels

Für lebendige Innenstädte braucht es ein vielseitiges und attraktives Handelsangebot. Leichte Erreichbarkeit, Aufenthaltsqualität und Einkaufserlebnis laden Kunden zum Verweilen ein. Für den innerstädtischen Handel gilt es, seine Stärken zielgruppengerecht herauszustellen und auch die Chancen des OnlineHandels zu berücksichtigen.
Bernd Behrens
4Care AG
Handel und Nahversorgung zählen seit der Entstehung der Städte zu den zentralen Funktionen einer Stadt. Auch Schleswig-Holstein hat als logistische Drehscheibe für internationale Handelswege eine lange Tradition im Handel. So unterschiedlich die Städte und Zentren auch sein mögen, die Bedeutung einer stabilen und attraktiven Einzelhandelsstruktur ist für alle essentiell. Der innerstädtische Handel ist Frequenzbringer auch für Gastronomie und vielfältige Dienstleistungen und hat somit eine hohe Magnetwirkung. Die Attraktivität des ansässigen Handels ist damit auch heute noch ein wesentliches Aushängeschild von Städten und Gemeinden, beeinflusst touristische Reiseplanungen und garantiert Wertschöpfung und Beschäftigung. So stellen etwa die Unternehmen des Handels seit Jahren rund ein Drittel aller Ausbildungsplätze für junge Menschen.
Anpassungsprozessen sehen sich Handel und Städte seit jeher gegenüber. Aktuell sind es neben technologischen und marktbezogenen Einflussfaktoren insbesondere gesellschaftliche und demografische Veränderungen, die große Auswirkungen auf die Nachfrage im Einzelhandel und seine Fachkräftesicherung haben.
Und: Seit Jahren sinkt der Anteil der Konsumausgaben im Handel zugunsten der Ausgaben in anderen Lebensbereichen. Gleichzeitig ist seit Jahren eine Zunahme der Verkaufsflächen im Handel (insgesamt) zu beobachten. Die Folge: Die Flächenproduktivität im Einzelhandel sinkt kontinuierlich, das Geschäft wird betriebswirtschaftlich immer schwieriger. Immer stärkere Konkurrenz für den städtischen Einzelhandel stellt neben den Verlagerungen von Standorten auf die graue und grüne Wiese, auch der weiter rasant zunehmende Online-Handel dar. Gerade in Verbindung mit vielerorts sinkenden Bevölkerungszahlen resultieren geringere Umsätze für den innerstädtischen Einzelhandel, die zu einem Verlust an Sortimentsbreite und damit zu einer Ausdünnung des Angebots führen. Dies wiederum schlägt auf die Versorgungsfunktion vieler Zentren zurück. Andererseits bietet der Online-Handel aber auch Chancen für die Innenstädte. Zunehmend erkennen beispielsweise Online-Händler, dass ein stationäres Angebot eine sinnvolle Ergänzung ihres Portfolios darstellen kann.

Auf einen Blick: Die IHK-Positionen zur Stadtentwicklung

Stärkung der Zentren

  • Zur Steuerung großflächiger Einzelhandelsvorhaben ist die stringente Einhaltung des Zentrale-Orte-Systems entscheidend
  • Zentrenrelevante Sortimente gehören in die Innenstädte und Ortskerne.
  • Zentrale Versorgungsbereiche sollten definiert und über die Bauleitplanung gesichert werden.
  • Bebauungspläne sollten den aktuellen Entwicklungsvorstellungen angepasst werden.
  • Projekten an ungeeigneten Standorten sind abzulehnen.

Kommunale Steuerung des Einzelhandels

  • Zur Festlegung der zentralen Versorgungs- und Nahversorgungsbereiche und der Leitlinien der Einzelhandelsentwicklung ist die Erarbeitung kommunaler Einzelhandelskonzepte notwendig.
  • Einzelhandels- und Zentrenkonzept sollten als städtebauliches Entwicklungskonzept in der kommunalen Volksvertretung beschlossen werden
  • Eine regionale Abstimmung von Nahversorgungsund Einzelhandelskonzepten ist wünschenswert.

Kooperative Stadtentwicklungsinitiativen und -maßnahmen

  • Eine durch öffentliche Verwaltung und Privatwirtschaft gemeinsam getragene Stadtentwicklung bietet vielfältige Potenziale zur positiven Entwicklung der Standortqualität und ist somit aktiv anzustreben.
  • Die IHK befürwortet und befördert PACT-Initiativen.

Städtebau

  • Zur Sicherung größerer Flächen auch in verdichteten Bereichen sind vorausschauendes Flächenmanagement und Mut zu städtebaulich zulässigen Zwischennutzungen.
  • Eine Trennung von Wohnen und Gewerbe außerhalb von Kern- und Mischgebieten ist notwendig.
  • Geringfügige Erweiterungsmöglichkeiten zur Modernisierung von Bestandsbetrieben müssen erhalten bleiben.

Einkaufzentren

  • Einkaufszentren gehören wegen ihrer zentrenrelevanten Sortimente in die gewachsenen Stadt- und Ortszentren.
  • Innerstädtische Einkaufszentren müssen den bestehenden Branchenmix sinnvoll ergänzen und sich hinsichtlich Größe und Architektur einfügen.
  • Damit bestehende Handelslagen von einem neuen Projekt profitieren können ist eine attraktive Anbindung notwendig.
  • Factory-Outlet-Center sind – wie andere Formen des großflächigen Einzelhandels – anhand ihrer angebotenen Sortimente und ihrer Verkaufsflächen zu beurteilen.

Gewerbegebiete

  • Einzelhandel in Industrie- und Gewerbegebieten ist über die Bauleitplanung auszuschließen – Annex-Handel kann trotzdem ermöglicht werden.

Nahversorgung

  • Standorte für großflächige Nahversorgungsbetriebe gehören in die gewachsenen Orts- und Stadt(teil)zentren.
  • Funktionsschädigende Auswirkungen auf bestehende Versorgungsstrukturen sind zu vermeiden

Mobilität

  • Die Erreichbarkeit von Innenstädten und Ortskernen für ÖPNV, Individual- und Anlieferverkehr muss gewährleistet sein.
  • Ein ausreichendes und kostengünstiges Parkraumangebot in Zentrumsnähe ist notwendig.

Breitband und Digitalisierung

  • Kommunen müssen die Bedarfe der örtlichen Gewerbetriebe kennen und bestehende Fördermöglichkeiten für den Ausbau der Breitbandinfrastruktur nutzen.
  • Städte und Gemeinden sind gefordert, ihre ansässigen Unternehmen bei ihren Bemühungen hinsichtlich einer adäquaten Breitbandanbindung zu unterstützen.

Starke Zentren durch integrierte Stadtentwicklung