Steuerschuldumkehr
Lieferung von Mobilfunkgeräten und integrierten Schaltkreisen
Seit 1. Juli 2011 gilt für die Lieferung von Mobilfunkgeräten und integrierten Schaltkreisen das Verfahren der so genannten Steuerschuldumkehr. Dies bedeutet, dass der Lieferant anders als bislang nicht mehr offen mit Umsatzsteuer abrechnet und der Rechnungsempfänger hieraus die Vorsteuer zieht. Für Lieferungen, die seit 1. Juli 2011 getätigt werden, geht vielmehr die Steuerschuld auf den Abnehmer über. Es wird ohne Steuer abgerechnet. Der Abnehmer muss den Bezug der Ware bei sich versteuern. Sofern er vorsteuerabzugsberechtigt ist, kann er die Steuer jedoch sofort auch wieder als Vorsteuer geltend machen. Sinn dieses im Bereich der Schrottlieferungen bereits seit Januar 2011 ähnlich geltenden Verfahrens ist es, Betrügereien beim Vorsteuerabzug einen Riegel vorzuschieben. Rechtsgrundlage für das neue Verfahren ist § 13b Abs. 2 Nr. 10 in Verbindung mit Abs. 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).
Für welche Waren gilt das neue Verfahren?
Die Neuregelung gilt für Lieferungen von Mobilfunkgeräten sowie von integrierten Schaltkreisen vor Einbau in einen zur Lieferung auf der Einzelhandelsstufe geeigneten Gegenstand, wenn die Summe der für sie in Rechnung zu stellenden Entgelte im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5000 Euro beträgt. Dabei bleiben nachträgliche Minderungen des Entgelts unberücksichtigt.
Nach einem hierzu veröffentlichten Erlass des Bundesfinanzministeriums vom 24. Juni 2011 sind
- Mobilfunkgerät: Geräte, die zum Gebrauch mittels eines zugelassenen Mobilfunk-Netzes und auf bestimmten Frequenzen hergestellt oder hergerichtet wurden, unabhängig von etwaigen weiteren Nutzungsmöglichkeiten. Hiervon werden insbesondere alle Geräte erfasst, mit denen Telekommunikationsleistungen in Form von Sprachübertragung über drahtlose Mobilfunk-Netzwerke in Anspruch genommen werden können, z.B. Telefone zur Verwendung in beliebigen drahtlosen Mobilfunk-Netzwerken (insbesondere für den zellularen Mobilfunk – Mobiltelefone – und Satellitentelefone). Ebenso fällt die Lieferung von kombinierten Produkten (sog. Produktbundle), das heißt gemeinsame Lieferungen von Mobilfunkgeräten und Zubehör zu einem einheitlichen Entgelt, unter die Regelung, wenn die Lieferung des Mobilfunkgeräts die Hauptleistung darstellt. Die Lieferung von Geräten, die reine Daten übertragen, ohne diese in akustische Signale umzusetzen, fällt dagegen nicht unter die Regelung. Zum Beispiel gehören daher folgende Gegenstände nicht zu den Mobilfunkgeräten im Sinne der Regelung:
- Navigationsgeräte;
- Computer, soweit sie eine Sprachübertragung über drahtlose Mobilfunk-Netzwerke nicht ermöglichen (z.B. Tablet-PC);
- mp3-Player;
- Spielekonsolen;
- On-Board-Units.
- integrierte Schaltkreise: auf einem einzelnen (Halbleiter-)Substrat (sog. Chip) untergebrachte elektronische Schaltungen (elektronische Bauelemente mit Verdrahtung). Zu den integrierten Schaltkreisen zählen insbesondere Mikroprozessoren und CPUs (Central Processing Unit, Hauptprozessor einer elektronischen Rechenanlage). Die Lieferungen dieser Gegenstände fallen unter die Regelung, sofern sie (noch) nicht in einen zur Lieferung auf der Einzelhandelsstufe geeigneten Gegenstand (Endprodukt) eingebaut wurden. Ein Gegenstand ist für die Lieferung auf der Einzelhandelsstufe insbesondere dann geeignet, wenn er ohne weitere Be- oder Verarbeitung an einen Endverbraucher geliefert werden kann.
Für die genannte 5000-Euro-Grenze bestimmt derselbe Erlass des Bundesfinanzministeriums, dass für deren Ermittlung auf alle im Rahmen eines zusammenhängenden wirtschaftlichen Vorgangs gelieferten Gegenstände der genannten Art abzustellen ist. Als Anhaltspunkt für einen wirtschaftlichen Vorgang dient danach insbesondere die Bestellung, der Auftrag oder der (Rahmen-)Vertrag.
Weitere Details und Beispiele gibt der seitlich abrufbare Erlass des Bundesfinanzministeriums vom 24. Juni 2011.
Hinweis: Trotz des veröffentlichten Anwendungserlasses bleibt für eine nicht unerhebliche Anzahl von Produkten offen, ob sie unter die neue Regelung fallen oder nicht. In diesen Fällen kann die Regelung des Abschnitts 13b.1 Abs. 23 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses helfen. Dieser regelt, dass wenn in Zweifelsfällen das Reverse-Charge-Verfahren angewendet wird und sich später herausstellt, dass es nicht anzuwenden gewesen wäre, die Handhabung nicht beanstandet wird, sofern die Beteiligten sich über die Anwendung einig waren und - für den Lieferer nicht ganz ohne Risiko - der Leistungsempfänger den Umsatz zutreffend versteuert hat.
Für welche Lieferempfänger gilt das neue Verfahren?
Die Neuregelung gilt für Lieferungen von Unternehmen an Unternehmen. Nicht erfasst werden Lieferungen an Privatpersonen. Über die Unternehmereigenschaft seines Lieferempfängers muss sich der Lieferant also vergewissern, um ohne Haftungsrisiko steuerfrei abrechnen zu können. Zur Frage, welche Nachweisanforderungen die Finanzverwaltung an diese Überprüfung stellt, liegen bislang noch keine Hinweise vor.
Welche Hinweise müssen auf die Rechnung?
Lieferungen, für die sich nach der Neuregelung die Steuerschuld umkehrt, müssen grundsätzlich alle Pflichtangaben wie "normale" Rechnungen enthalten. An Stelle des Steuerausweises hat der Rechnungssteller auf die Umkehr der Steuerschuld nach der Neuregelung hinzuweisen, zum Beispiel durch folgenden Zusatz:
"Steuerschuldübergang gem. § 13b Abs.2 Nr. 10 i.V.m. Abs. 5 UStG" oder
"Lieferung von Mobilfunkgeräten (alt. integrierten Schaltkreisen). Steuerschuldner ist der Rechnungsempfänger".
"Lieferung von Mobilfunkgeräten (alt. integrierten Schaltkreisen). Steuerschuldner ist der Rechnungsempfänger".
Wo sind die Umsätze in der Voranmeldung zu melden?
Für die Meldung in der Umsatzsteuervoranmeldung wurde ein neues Voranmeldeformular, das über die seitliche Linkliste abrufbar ist, veröffentlicht. Danach ist folgendermaßen zu differenzieren.
- Der Lieferer, der die Lieferung ohne Steuer berechnet, meldet den Ausgangsumsatz
- in der Zeile 39, Kennziffer 68 der Umsatzsteuervoranmeldung.
- Der Abnehmer, auf den die Steuerschuld übergeht, meldet für den Eingangsumsatz
- in Zeile 51, Kennziffer 78/79 die Steuer an
- in Zeile 59, Kennziffer 67 macht er sie - soweit er vorsteuerabzugsberechtigt ist - wieder als Vorsteuer geltend.
Abrechnung im Weg der Gutschrift
Soweit Lieferungen im Weg der Rechnung ersetzenden Gutschrift abgerechnet werden, sind die Besonderheiten der Steuerschuldumkehr auch dort zu berücksichtigen. Der Gutschriftenersteller hat in diesem Fall - wie generell bei Gutschriften - zu beachten, dass im Rahmen der Pflichtangaben für Rechnungen die Steuernummer beziehungsweise Umsatzsteueridentifikationsnummer des Lieferanten/Gutschriftenempfängers angegeben wird. Weiterhin ist zu beachten, dass der Gutschriftenersteller den Hinweis auf die Umkehr der Steuerschuld (s. o.) auf die Rechnung aufnimmt. Der Gutschriftenersteller, der zugleich Lieferempfänger ist, nimmt die Versteuerung im Rahmen des § 13b UStG vor.
Was passiert bei Lieferungen ins Ausland?
Die neue Regelung zur Steuerschuldumkehr greift nur bei im Inland steuerbaren und steuerpflichtigen Lieferungen. Bei steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen und Ausfuhren greift die Regelung also nicht. Das heißt, hier findet das neue System keine Anwendung. Die bekannten Regelungen gelten fort. Lieferungen von Mobilfunkgeräten und integrierten Schaltkreisen in die Europäische Union und ins Drittland werden demnach weiterhin wie alle sonstigen Lieferungen dorthin behandelt.
Stand: 1. Juli 2011