Insolvenzrecht
Das Insolvenzverfahren – Hinweise für Gläubiger
- 1. Ziel des Insolvenzverfahrens
- 2. Insolvenzgericht
- 3. Wer ist insolvenzfähig?
- 4. Insolvenzantrag
- 5. Verfahrenskosten
- 6. Insolvenzgründe
- 7. Was ist der vorläufige Gläubigerausschuss?
- 8. Auswahl des Insolvenzverwalters
- 9. Ablauf des Insolvenzverfahrens
- 10. Die Stellung der Gläubiger
- 11. Mitwirkung der Gläubiger im eröffneten Verfahren
- 12. Auswirkung der Verfahrenseröffnung auf Verträge
- 13. Ende des Insolvenzverfahren
- 14. Sanierungswege im Insolvenzverfahren
- 15. Sanierung ohne Insolvenz – Das Restrukturierungsverfahren
1. Ziel des Insolvenzverfahrens
Ziel des Insolvenzverfahrens ist es, die Gläubiger in ihrer Gesamtheit bestmöglich und gleichmäßig zu befriedigen. Zu diesem Zweck erfolgt entweder eine Zerschlagung des insolventen Unternehmens, indem das vorhandene Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt wird, oder es wird eine Sanierung durchgeführt, aus deren Erträge die Gläubiger befriedigt werden können. Als Sanierungswege kommen insbesondere die so genannte „übertragende Sanierung“ (der Verkauf des Unternehmens) oder das Insolvenzplanverfahren in Betracht (siehe unten Ziff. 14.) Im Insolvenzverfahren gilt grundsätzlich das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung. Der Zugriff einzelner Gläubiger auf einzelne Vermögensgegenstände und der damit einsetzende „Wettlauf der Gläubiger“ wird im Insolvenzverfahren ausgeschlossen.
2. Insolvenzgericht
Der Insolvenzantrag ist bei den für Insolvenzsachen zuständigen Amtsgerichten zu stellen. Örtlich zuständig ist das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk das Schuldnerunternehmen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Das ist in der Regel der Geschäftssitz.
Anschriften der Insolvenzgerichte in Schleswig- Holstein finden Sie unter www.insolvenzgerichte.de
3. Wer ist insolvenzfähig?
Ein Insolvenzerfahren kann über das Vermögen jeder natürlichen und juristischen Person eröffnet werden. Insolvenzfähig sind daher unter anderem GmbH, UG haftungsbeschränkt, AG, Genossenschaft, eingetragener Kaufmann (e. K.), OHG, KG, BGB- Gesellschaften, sowie die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung und Societas Europaea (SE), sofern sie ihren Verwaltungssitz in Deutschland haben.
4. Insolvenzantrag
Das Insolvenzverfahren wird nur auf Antrag eröffnet. Der Antrag ist beim zuständigen Insolvenzgericht schriftlich zu stellen. Antragsberechtigt sind Gläubiger und der Schuldner selbst. Der Antrag kann zurückgenommen werden, solange das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet ist. Wird der Antrag zurückgenommen, werden die Verfahrenskosten dem Antragsteller auferlegt.
Antragsvordrucke (mit Hinweisen auf die beizufügenden Unterlagen) finden Sie für
4.1. Schuldnerantrag (§ 15 InsO)
Informationen zum Schuldnerantrag entnehmen Sie bitte unserem Merkblatt „Das Insolvenzverfahren – Hinweise für Schuldner“.
4.2. Gläubigerantrag (§ 14 InsO)
Der Insolvenzantrag eines Gläubigers ist nur dann zulässig, wenn er bestimmte Anforderungen erfüllt. Der Gläubiger muss:
- die ladungsfähige Adresse, ggf. die Rechtform und den/die Vertreter des Schuldners benennen,
- ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens darlegen,
- eine fällige Forderung glaubhaft machen; dabei ist zu beachten: die Forderung darf nicht völlig unbedeutend sein (rückständige Zinsen und Mahnkosten reichen nicht aus, soweit die Hauptforderung beglichen ist),
- einen Eröffnungsgrund (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) glaubhaft machen.
Der antragstellende Gläubiger muss Unterlagen zum Nachweis der Forderung vorlegen. Außerdem ist darzulegen, dass der Schuldner außerstande ist, diese Verbindlichkeiten zu erfüllen. Ausreichend dafür ist beispielsweise das Protokoll eines Gerichtsvollziehers über einen erfolglosen Pfändungsversuch (Fruchtlosigkeitsbescheinigung) oder die eidesstattliche Versicherung des Schuldners über seine Vermögenssituation. Ist die Forderung des Gläubigers die Einzige, die den Insolvenzgrund herbeiführen würde, und wird sie vom Schuldner bestritten, genügt eine bloße Glaubhaftmachung nicht. In diesem Fall ist für den Beleg der Forderung ein rechtskräftiger Titel erforderlich.
Ein rechtliches Interesse ist vor allem dann zu verneinen, wenn der Gläubiger mit dem Antrag insolvenzfremde Zwecke verfolgt, etwa um den Schuldner als Wettbewerber auszuschalten oder um rückständige Forderungen schneller und vor anderen Gläubigern realisieren zu können. Ebenfalls unzulässig ist ein rein vorsorglich gestellter Insolvenzantrag. Um missbräuchliche Insolvenzanträge zu verhindern, hat das Insolvenzgericht den Schuldner bei einem Gläubigerantrag grundsätzlich anzuhören. Im Rahmen der Anhörung kann der Schuldner die Erklärungen des Gläubigers bestreiten, eine Gegenglaubhaftmachung oder Gegenbeweise vorlegen.
5. Verfahrenskosten
Das Insolvenzgericht eröffnet das Insolvenzverfahren nur dann, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich ausreichen wird, um die Verfahrenskosten (Gerichtskosten, Auslagen, Kosten des Insolvenzverwalters) zu decken. Wenn dies nicht der Fall ist, wird der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen. Wenn der Gläubiger die Abweisung mangels Masse verhindern will, kann er einen Massekostenvorschuss leisten (§ 26 Abs. 1 InsO), der die gesamten voraussichtlich entstehenden Kosten des Insolvenzverfahrens abdecken muss. Unter Umständen kann die Erstattung des vorgeschossenen Betrages vom Antragspflichtigen, der die Insolvenz verschleppt hat, verlangt werden (§ 26 Abs. 3 InsO).
Stellt der Gläubiger den Insolvenzantrag, muss er die Gebühr für das Eröffnungsverfahren zahlen. Wird der Antrag abgewiesen oder zurückgenommen, schuldet er auch die entstandenen Auslagen. Das nähere Verfahren und die Ermittlung der Höhe der Kosten ergeben sich aus der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV).
6. Insolvenzgründe
Das Insolvenzverfahren kann eröffnet werden, wenn einer der folgenden Gründe vorliegt:
6.1. Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO)
Zahlungsunfähigkeit des Schuldners liegt vor, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Nur vorübergehende Zahlungsstockungen sind dagegen kein Insolvenzgrund. Eine bloße Zahlungsstockung kann nur dann vorliegen, wenn der Schuldner kurzfristig imstande ist, sich die erforderlichen flüssigen Mittel zu beschaffen, um die Verbindlichkeiten zu begleichen. Ob ein Zeitraum als kurzfristig gilt, ist abhängig vom Einzelfall. In der Regel wird eine Dauer von drei Wochen angenommen.
Die Abgrenzung zwischen Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsstockung kann schwierig sein.
Typische Indizien der Zahlungsunfähigkeit sind:
- Nichtzahlung von Lieferanten
- Nichtzahlung von Löhnen, Gehältern und Sozialversicherungsbeiträgen
- Hingabe ungedeckter Schecks
- Wechselproteste
- Zwangsvollstreckungen / Vorliegen von Vollstreckungsanträgen
- Anträge zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.
6.2. Drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO)
Drohende Zahlungsfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen zum späteren Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Zur Antragstellung wegen drohender Zahlungsunfähigkeit ist nur der Schuldner berechtigt. Damit soll missbräuchlichen Anträgen von Gläubigern vorgebeugt werden.
6.3. Überschuldung (§ 19 InsO)
Bei juristischen Personen (GmbH, AG etc.) kann auch die Überschuldung Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren sein. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Neben der rechnerischen Überschuldung - wenn also das auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesene Vermögen kleiner ist als die auf der Passivseite ausgewiesenen Verbindlichkeiten - ist die Fortführungsprognose für die Beurteilung des Insolvenzgrundes der Überschuldung maßgeblich. Rechnerisch überschuldete Unternehmen können dann der Insolvenzantragspflicht entgehen, sofern sie eine positive Fortführungsprognose aufstellen und diese belegen können.
7. Was ist der vorläufige Gläubigerausschuss?
Sinn und Zweck des vorläufigen Gläubigerausschusses ist die frühzeitige Einbindung der Gläubiger bereits im Insolvenzantragsverfahren. Vor Bestellung des Insolvenzverwalters darf der vorläufige Gläubigerausschuss sich zu den Anforderungen, die an den Verwalter zu stellen sind und zu dessen Person äußern.
Zwingend ist nach § 22a InsO der vorläufige Gläubigerausschuss einzurichten, wenn der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale erfüllt hat:
- mindestens 6.000.000 Euro Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags im Sinne des § 268 Absatz 3 des Handelsgesetzbuchs;
- mindestens 12.000.000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag;
- im Jahresdurchschnitt mindestens 50 Arbeitnehmer.
Auch in Fällen, in denen der vorläufige Gläubigerausschuss nicht verbindlich vorgeschrieben ist, kann es ihn geben: Das Insolvenzgericht soll auf Antrag des Schuldners, des vorläufigen Insolvenzverwalters oder eines Gläubigers einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen. Voraussetzung ist, dass in dem Antrag Personen benannt werden, die als Mitglieder in Betracht kommen und dass deren Einverständniserklärungen beigefügt werden. Ein vorläufiger Gläubigerausschuss darf nicht eingesetzt werden, wenn der Geschäftsbetrieb des Schuldners eingestellt ist, die Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses im Hinblick auf die zu erwartenden Insolvenzmasse unverhältnismäßig ist oder die mit der Einsetzung verbundene Verzögerung zu einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners führt.
8. Auswahl des Insolvenzverwalters
Der Schuldner oder ein Gläubiger können einen Verwalter vorschlagen. Das Gericht kann den Verwalter dann durch Beschluss bestellen oder ablehnen.
Durch den vorläufigen Gläubigerausschuss können - zumindest in wirtschaftlich bedeutenden Verfahren - die Gläubiger den Insolvenzverwalter aussuchen bzw. die Anforderungen an ihn festlegen. Einstimmige Vorschläge des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des Verwalters sind für das Gericht bindend, außer wenn der Kandidat für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist. Als Insolvenzverwalter kann auch eine Person in Frage kommen, die von Gläubigern oder dem Schuldner vorgeschlagen wurde. Auch die Tatsache, dass die Person den Schuldner vor dem Insolvenzeröffnungsantrag in allgemeiner Form über den Ablauf des Insolvenzverfahrens und dessen Folgen beraten hat, schließt die Bestellung der Person als Verwalter nicht prinzipiell aus.
9. Ablauf des Insolvenzverfahrens
Das Schutzschirmverfahren kann ein Schuldner unter bestimmten Umständen im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens gleichzeitig zum Insolvenzantrag beantragen. Das Schutzschirmverfahren (§ 270d InsO) vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens soll dem Schuldner ermöglichen, geschützt vor Vollstreckungsmaßnahmen durch Gläubiger, einen Sanierungsplan auszuarbeiten. Auf Antrag des Schuldners hat das Insolvenzgericht Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zu untersagen oder einstweilen einzustellen.
Einzelheiten zum Schutzschirmverfahren, zur Eigenverwaltung, zu den Wirkungen des Eröffnungsbeschlusses und zum Ablauf des sich anschließenden Insolvenzverfahrens entnehmen Sie bitte unserem Merkblatt „Das Insolvenzverfahren - Hinweise für Schuldner”.
9.1. Berichts-, Prüfungs- und Schlusstermin
Im Berichtstermin wird die Situation des Unternehmens dargestellt und entschieden, ob das Vermögen des Schuldners liquidiert wird oder ob Aussichten bestehen, das Unternehmen (teilweise) zu erhalten. Im späteren Prüfungstermin werden die von den Gläubigern angemeldeten Forderungen nach Betrag und Rang geprüft. Der Schlusstermin ist in der Regel die abschließende Gläubigerversammlung nach Abwicklung des Insolvenzverfahrens. Danach erfolgt die Schlussverteilung der Insolvenzmasse an die Gläubiger.
9.2. Forderungsanmeldung
Im Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts werden die bekannten Gläubiger aufgefordert, ihre Forderungen binnen einer Frist (zwischen 2 Wochen und 3 Monaten) beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anzumelden. Diese Frist ist keine Ausschlussfrist. Auch später angemeldete Forderungen sind bis zum Schlusstermin zu berücksichtigen. Sofern durch die verspätete Forderungsanmeldung ein besonderer Prüfungstermin erforderlich wird, werden die Kosten hierfür dem verspäteten Gläubiger auferlegt. Es kann passieren, dass eine Zustellung an einzelne Gläubiger unterbleibt. In solchen Fällen empfiehlt es sich, nicht lange auf eine Aufforderung zu warten, sondern die Forderungen unaufgefordert beim Insolvenzverwalter anzumelden. Der Insolvenzverwalter berücksichtigt nicht-angemeldete Forderungen nicht, selbst, wenn sie sich eindeutig aus der Buchhaltung des Schuldners ergeben. Gibt es einen Insolvenzplan zur Unternehmenssanierung, sollte der Gläubiger seine Forderung bis zum Termin zur Abstimmung über den Insolvenzplan angemeldet haben, andernfalls verjährt sie in einem Jahr nach Rechtskraft der Planbestätigung (§ 259b InsO).
Die Forderungsanmeldung ist grundsätzlich formlos schriftlich möglich. Oft stellen Insolvenzverwalter ein Formblatt zur Verfügung. Die Forderung muss nach Art und Höhe benannt werden. Der Rechtsgrund der Forderung ist anzugeben und mit Belegen/Urkunden in Kopie nachzuweisen. Nicht auf Geldzahlung gerichtete Forderungen sind mit ihrem Gegenwert anzugeben. Zinsen können nur bis zum Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden. Wird die Forderung nicht vom Gläubiger selbst angemeldet, ist eine Vollmacht beizufügen.
Nach Eingang beim Insolvenzverwalter wird die angemeldete Forderung in die Insolvenztabelle eingetragen. Diese ist beim Insolvenzgericht einsehbar. Anschließend werden die Forderungen vom Verwalter ausschließlich anhand der Unterlagen, die der Forderungsanmeldung beigefügt wurden, geprüft. Die Forderung wird festgestellt oder (teilweise) bestritten. Bestrittene Forderungen werden im Prüfungstermin einzeln erörtert.
10. Die Stellung der Gläubiger
Die Insolvenzordnung unterscheidet verschiedene Gruppen von Gläubigern, die unterschiedliche Rechte und Befriedigungsaussichten haben. Differenziert wird zwischen aussonderungsberechtigten Gläubigern, absonderungsberechtigten Gläubigern, Insolvenzgläubigern und nachrangigen Insolvenzgläubigern.
10.1. Aussonderungsberechtigter Gläubiger (§ 47 InsO)
Der aussonderungsberechtigte Gläubiger kann vom Insolvenzverwalter Herausgabe eines Gegenstands (Sache oder Recht) verlangen. Aussonderungsberechtigte Gläubiger sind Gläubiger, die aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen können, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört. Sie sind keine Insolvenzgläubiger, die ihre Forderung zur Insolvenztabelle anmelden müssen. Aussonderungsrechte begründen z.B. das Eigentum oder das Besitzrecht. Der Aussonderungsberechtigte sollte so früh wie möglich dem Insolvenzverwalter mitteilen, dass er ein Aussonderungsrecht hat.
Ein (einfacher) Eigentumsvorbehalt gewährt dem Lieferanten zwar grundsätzlich ein Aussonderungsrecht. Dem Insolvenzverwalter steht allerdings ein Wahlrecht zu, ob er den Kaufvertrag erfüllen oder die Erfüllung ablehnen will. Die Ausübung dieses Wahlrechts kann er bis zum Berichtstermin herausschieben und die Entscheidung der Gläubigerversammlung über Sanierung oder Liquidation des Schuldnerunternehmens abwarten. Der Gläubiger muss also unter Umständen die Sache noch bis zum Berichtstermin bei der Insolvenzmasse belassen. Eine Ausnahme gilt nur, wenn in der Zeit bis zum Berichtstermin eine erhebliche Wertminderung der Sache zu erwarten ist (zum Beispiel verderbliche Ware, Saisonware) und der Gläubiger den Verwalter auf diesen Umstand hingewiesen hat. Sinn der Regelung ist es, die Fortführungschancen des Schuldnerunternehmens zu verbessern und eine vorzeitige Zerschlagung des Unternehmens zu verhindern.
10.2. Absonderungsberechtigte Gläubiger (§§ 49 – 52 InsO)
Der absonderungsberechtigte Gläubiger ist berechtigt, sich aus dem Erlös eines bestimmten Gegenstands der Insolvenzmasse vorab zu befriedigen. Zu den absonderungsberechtigten Gläubigern gehören insbesondere Lieferanten, die einen verlängerten Eigentumsvorbehalt mit Verarbeitungs-, Verbindungs-, Vermischungs- oder Vorausabtretungsklausel vereinbart haben. Außerdem gehören dazu Gläubiger, die über ein Pfandrecht an einer Sache im Schuldnervermögen verfügen und Gläubiger, die sich zur Sicherung eines Anspruchs Sachen übereignen oder Forderungen abtreten ließen. Absonderungsberechtigt ist ferner derjenige, dem ein Recht auf Befriedigung aus einer Immobilie zusteht. Auch der Absonderungsberechtigte sollte dem Insolvenzverwalter möglichst bald schriftlich das Bestehen seines Rechts anzeigen.
Der Insolvenzverwalter darf grundsätzlich den Gegenstand verwerten, an dem ein Absonderungsrecht besteht. Der zur Absonderung berechtigte Gläubiger kann jedoch bis zur Höhe seiner Forderung aus dem Verwertungserlös eine bevorrechtigte Befriedigung verlangen. Vor der Verwertung durch Veräußerung muss der Insolvenzverwalter dem Gläubiger die Verwertungsabsicht mitteilen und ihm die Gelegenheit geben, innerhalb einer Woche auf eine günstigere Verwertungsmöglichkeit hinzuweisen. Benennt der Gläubiger eine günstigere Verwertungsmöglichkeit, so muss der Verwalter sie wahrnehmen oder den Gläubiger so stellen, als ob er sie wahrgenommen hätte. Der Gläubiger kann den Gegenstand auch selbst übernehmen.
10.3. Massegläubiger (§§ 53- 55 InsO)
Massegläubiger sind diejenigen Gläubiger, deren Ansprüche erst nach Verfahrenseröffnung begründet und durch das Verfahren selbst veranlasst worden sind.
Hierzu gehören:
- die Verfahrenskosten, d.h. Gerichtskosten sowie Vergütung und Auslagen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters und der Mitglieder des (vorläufigen) Gläubigerausschusses,
- Ansprüche, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden (z.B. auch durch Eigenverwaltung/ggf. im Schutzschirmverfahren),
- Ansprüche aus bei Verfahrenseröffnung noch nicht erfüllten Verträgen, die der Insolvenzverwalter erfüllen will oder muss,
- Sozialplanansprüche der Arbeitnehmer sowie
- Unterhaltsansprüche des Schuldners und seiner Familie.
Masseverbindlichkeiten werden vorab in voller Höhe befriedigt, soweit das der Umfang der Insolvenzmasse zulässt. Der Insolvenzverwalter kann dem Massegläubiger unter Umständen persönlich zum Schadensersatz verpflichtet sein, z.B. wenn er nicht rechtzeitig die Masselosigkeit angezeigt hat.
10.4. Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO)
Als Insolvenzgläubiger werden alle Gläubiger bezeichnet, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Der Anspruch braucht zu diesem Zeitpunkt nur begründet, nicht aber fällig zu sein. Die Forderungen der Insolvenzgläubiger werden quotal aus der verbleibenden Insolvenzmasse bedient, wenn sie zur Insolvenztabelle angemeldet und festgestellt wurden. Die Quote ergibt sich aus dem Verhältnis der noch vorhandenen Vermögenswerte zur Summe aller Verbindlichkeiten.
Beispiel: Beläuft sich die zur Verfügung stehende Masse auf € 100.000 und stehen ihr Verbindlichkeiten in Höhe von € 800.000 gegenüber, so beträgt die Quote 1/8 = 12,5 %. Beträgt die Forderung eines Insolvenzgläubigers € 5.000, erhält er von dieser Summe 12,5 %, also € 625.
10.5. Nachrangige Insolvenzgläubiger (§ 39 InsO)
Nachrangige Insolvenzgläubiger werden nur noch bedient, wenn nach Befriedigung aller anderen Gläubiger noch etwas von der Insolvenzmasse übrigbleibt (was jedoch so gut wie nie der Fall ist). Nachrangige Insolvenzforderungen sind z.B. die seit Verfahrenseröffnung laufenden Zinsen oder die Kosten, die den einzelnen Gläubigern durch ihre Teilnahme am Insolvenzverfahren entstehen, oder Forderungen auf unentgeltliche Leistung.
11. Mitwirkung der Gläubiger im eröffneten Verfahren
Die Insolvenzordnung räumt den Gläubigern nicht nur durch den vorläufigen Gläubigerausschuss (siehe oben Ziffer 7), sondern auch im eröffneten Insolvenzverfahren erhebliche Mitspracherechte und Entscheidungsbefugnisse ein. Zu unterscheiden sind die Gläubigerversammlung und der Gläubigerausschuss.
11.1. Gläubigerversammlung
In der Gläubigerversammlung können die Gläubiger ihren Einfluss auf das Insolvenzverfahren ausüben. Sie wird zum Berichtstermin, zum Prüfungstermin und zum Schlusstermin durch das Insolvenzgericht einberufen (§ 74 InsO). Die Einberufung kann darüber hinaus auf Antrag des Insolvenzverwalters, des Gläubigerausschusses, bestimmter einzelner Gläubiger oder einer bestimmten Anzahl von Gläubigern erfolgen (§ 75 InsO). Eine Teilnahmepflicht besteht für einen Gläubiger nicht, allerdings sind in seiner Abwesenheit getroffene Beschlüsse auch für ihn bindend.
Die Gläubigerversammlung ist berechtigt, vom Insolvenzverwalter einzelne Auskünfte und einen Bericht über den Sachstand und die Geschäftsführung zu verlangen. Auch kann sie den Geldverkehr und - bestand des Insolvenzverwalters prüfen, wenn kein Gläubigerausschuss bestellt ist. Die Gläubigerversammlung trifft zum Beispiel folgende wichtige Entscheidungen:
- Bestätigung oder Ersetzung des bestellten Insolvenzverwalters,
- Einsetzen eines Gläubigerausschusses,
- Entscheidung über Stilllegung oder Fortführung des insolventen Unternehmens,
- Zustimmung zu besonders bedeutsamen Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters (sofern kein Gläubigerausschuss bestellt ist), z.B. Erhebung einer Klage mit erheblichem Streitwert,
- Zustimmung zur Veräußerung des Unternehmens oder eines Betriebs an besonders Interessierte (Schuldner oder ihm nahestehende Personen) oder unter Wert.
Abstimmungsberechtigt sind nur die absonderungsberechtigten Gläubiger und die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger. Der Stimmanteil eines Gläubigers richtet sich nach der Summe seiner Forderungen im Verhältnis zur Gesamtsumme aller Forderungen der anwesenden abstimmungsberechtigten Gläubiger. Nicht stimmberechtigt sind Gläubiger, deren Forderungen vom Insolvenzverwalter oder einem anderen Gläubiger bestritten werden.
11.2. Gläubigerausschuss
Der Gläubigerausschuss soll die Beteiligung der Gläubiger insbesondere bei eiligen oder komplexen Sachfragen sicherstellen. Deshalb können das Insolvenzgericht (schon vor der ersten Gläubigerversammlung) und die Gläubigerversammlung einen Gläubigerausschuss einsetzen und die Mitglieder wählen (§§ 67, 68 InsO). Wegen des zusätzlichen Aufwands und zusätzlicher Kosten werden Gläubigerausschüsse meist nur in umfangreicheren Insolvenzverfahren eingesetzt. In einem Gläubigerausschuss wirken Vertreter der absonderungsberechtigten Gläubiger, der Insolvenzgläubiger mit den höchsten Forderungen und der Kleingläubiger mit. Außerdem sollen die Arbeitnehmer vertreten sein. Meist besteht der Ausschuss nur aus wenigen Personen.
Die wichtigste Aufgabe dieses Gremiums besteht darin, den Insolvenzverwalter bei seiner Geschäftsführung zu unterstützen und zu überwachen. Es besteht zwar kein Weisungsrecht, die Mitglieder sind aber gehalten, sich über die Tätigkeit des Insolvenzverwalters zu informieren, ihn zu beraten, ihr Knowhow zur Verfügung zu stellen und notfalls das Insolvenzgericht einzuschalten. Besonders wichtige Maßnahmen des Insolvenzverwalters bedürfen der Zustimmung des Gläubigerausschusses. Der Gläubigerausschuss kann nahezu unbeschränkt die Bücher und Geschäftspapiere des Insolvenzverwalters einsehen und den Geldverkehr und –bestand prüfen.
Der Ausschuss entscheidet mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wenn die Mehrheit seiner Mitglieder an der Abstimmung teilgenommen hat. Seine Mitglieder haften bei schuldhaften Pflichtverletzungen auf Schadensersatz. Für seine Tätigkeit im Gläubigerausschuss hat das Mitglied einen Anspruch auf Vergütung und Erstattung angemessener Auslagen.
12. Auswirkung der Verfahrenseröffnung auf Verträge
Trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens bleiben zum Schutz der Gläubigerinteressen Vertragsverhältnisse bestehen. Im Einzelnen gilt:
12.1. Nur von einer Partei erfüllte Verträge
Hat bei einem Geschäft nur der Schuldner seine Leistung bereits vollständig erbracht, ist der Gläubiger verpflichtet, seine Gegenleistung nach Eröffnung des Verfahrens an den Insolvenzverwalter zu leisten. Diesen Anspruch kann der Insolvenzverwalter durchsetzen. Hat nur der Gläubiger seine Leistung vollständig erbracht, kann er nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine Gegenforderung nur noch zur Insolvenztabelle anmelden.
12.2. Von beiden Parteien nicht erfüllte Verträge
Bei Verträgen, bei denen beide Parteien ihre Leistungen noch nicht vollständig erbracht haben, hat der Insolvenzverwalter grundsätzlich ein Wahlrecht (§ 103 InsO). Er kann vom Vertragspartner Erfüllung verlangen oder sie ablehnen. Entscheidet sich der Verwalter für die Erfüllung des Vertrages, werden die Gegenleistungsansprüche des Vertragspartners zu Masseverbindlichkeiten, d.h. dieser kann grundsätzlich Befriedigung in voller Höhe verlangen. Verweigert der Insolvenzverwalter die Erfüllung -was bei für den Schuldner nachteiligen Geschäften regelmäßig der Fall sein wird-, erlöschen die gegenseitigen Leistungspflichten. Der Gläubiger kann dann zwar wegen der Nichterfüllung des Vertrages Schadensersatz verlangen, allerdings nur als Insolvenzgläubiger, der die Forderung zur Insolvenztabelle anmelden muss. Dieses Wahlrecht gilt allerdings nicht für Miet- und Pachtverträge über Räume und unbewegliche Gegenstände sowie Dienstverträge, s.u.
12.3. Dauerschuldverhältnisse wie Miet- und Pachtverhältnisse
Miet- oder Pachtverhältnisse über Immobilien oder Räume sowie Dienstverträge bestehen nach Insolvenzeröffnung fort (§§ 108 –113 InsO). War der Insolvenzschuldner Vermieter, muss der Insolvenzverwalter das Mietobjekt dem Mieter überlassen und das Entgelt zur Masse ziehen. Ein Sonderkündigungsrecht steht weder dem Mieter/ Pächter noch dem Insolvenzverwalter zu. Wenn der Insolvenzverwalter die Immobilie veräußert und ein Erwerber in das Mietverhältnis eintritt, hat der Erwerber ein Sonderkündigungsrecht. War das insolvente Unternehmen Mieter oder Pächter eines Grundstücks oder von Räumen, kann der Insolvenzverwalter den Mietvertrag weiter fortführen, um das Mietobjekt weiterhin zu nutzen. Dann muss er den Mietzins als Masseverbindlichkeit zahlen. Der Verwalter hat aber ein Sonderkündigungsrecht. Er kann das Miet- oder Pachtverhältnis ohne Rücksicht auf eine vertraglich vereinbarte feste Vertragslaufzeit kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt 3 Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere maßgeblich ist.
12.4. Aufträge, Geschäftsbesorgungsverträge und Vollmachten
Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge, die der Insolvenzschuldner als Auftraggeber bzw. Geschäftsherr geschlossen hat, erlöschen mit Verfahrenseröffnung automatisch (§§ 115, 116 InsO). Dazu gehören z.B. Anwalts-, Steuerberater- oder Handelsvertreterverträge. Ebenso erlöschen die vom Schuldner erteilten Vollmachten (§ 117 InsO).
12.5. Kaufverträge unter Eigentumsvorbehalt (§ 107 InsO)
Hat der Gläubiger als Verkäufer Ware unter einfachem Eigentumsvorbehalt geliefert und stehen noch Zahlungen des Schuldners aus, kann der Insolvenzverwalter Erfüllung verlangen. Er muss dann die noch ausstehenden Raten als Masseschuld bezahlen. Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, hat der Gläubiger ein Aussonderungsrecht. Der Insolvenzverwalter muss die Ware herausgeben.
12.6. Aufrechnung
Die Möglichkeit zur Aufrechnung von Forderungen besteht grundsätzlich auch in der Insolvenz (§ 94 InsO). Durch eine Aufrechnung kann der Gläubiger sich ohne Beschränkung auf die Insolvenzquote befriedigen. Da dies eine bevorzugte Behandlung solcher Gläubiger darstellt, ist die Möglichkeit zur Aufrechnung an einige Bedingungen geknüpft (§ 96 InsO):
Voraussetzung ist zunächst, dass die Aufrechnung auch außerhalb der Insolvenz möglich wäre. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach der Art der Forderung, ihrer Fälligkeit und der Erfüllbarkeit der sich gegenüberstehenden Forderungen. Waren die sich gegenüberstehenden Forderungen bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig, steht einer Aufrechnung nichts im Wege.
Mit Forderungen gegen den Gläubiger, die erst nach der Verfahrenseröffnung entstanden sind, kann nicht aufgerechnet werden. Gleiches gilt, wenn der Gläubiger seine Forderung von Dritten erst nach der Verfahrenseröffnung erworben hat oder die Forderung des Gläubigers nicht aus der Insolvenzmasse zu erfüllen ist (sondern aus dem freien Vermögen des Schuldners), er aber seinerseits die Gegenforderung zur Masse leisten muss.
12.7. Anfechtung
Der Insolvenzverwalter kann (und muss) Rechtshandlungen (Zahlungen, Leistungen, Unterlassen etc.), die das insolvente Unternehmen in bestimmten Zeiträumen vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat, unter gewissen Voraussetzungen anfechten (§§ 129 ff. InsO). Relevant ist vor allem der Dreimonatszeitraum vor dem Insolvenzantrag. Je näher eine Rechtshandlung dem Zeitpunkt des Insolvenzantrags kommt, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein Anfechtungstatbestand erfüllt ist. Zahlungen, die im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt sind, sind ohne weitere Voraussetzungen anfechtbar.
Eine erfolgreiche Anfechtung hat zur Folge, dass der Insolvenzverwalter die Rückgewähr des Erlangten an die Insolvenzmasse verlangen kann. Der Anfechtungsgegner kann nach der Rückgewähr seine wieder aufgelebte Forderung zur Insolvenztabelle anmelden. Die Anfechtungsansprüche des Insolvenzverwalters verjähren drei Jahre nach ihrer Entstehung.
13. Ende des Insolvenzverfahren
Eine Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach § 200 InsO ist erst nach vollständiger Verwertung der Insolvenzmasse möglich. Es müssen alle Rechtsstreitigkeiten beendet und sämtliche Vermögenswerte eingezogen sein. Das Verfahren kann daher oft mehrere Jahre dauern. Am Ende des Insolvenzverfahrens wird das Schuldnervermögen nach einer Befriedigung der Verfahrenskosten und sonstigen Masseverbindlichkeiten verteilt (Schlussverteilung). Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens könnte theoretisch eine in die Tabelle eingetragenen Forderung mittels Zwangsvollstreckung beim Schuldner eingetrieben werden. Allerdings werden juristische Personen (GmbH, AG, Verein etc.) nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gelöscht, sodass sie nicht mehr existent sind. Bei natürlichen Personen schließt sich oft ein Restschuldbefreiungsverfahren an, sodass danach auch gegen sie häufig nicht mehr vorgegangen werden kann.
Für weitere Informationen zur Restschuldbefreiung lesen Sie „Das Insolvenzverfahren – Hinweise für Schuldner “.
14. Sanierungswege im Insolvenzverfahren
Um die Insolvenz eines Unternehmens als Sanierungschance nutzen zu können, sollte in der Unternehmenskrise möglichst frühzeitig ein Insolvenzantrag gestellt werden. Seit dem 01.01.2021 kann damit zugleich ein Antrag auf ein Schutzschirmverfahren gestellt werden (§ 270d InsO). Es handelt sich dabei um ein Verfahren zur Vorbereitung einer Sanierung durch Insolvenzplan in Kombination mit Eigenverwaltung, d.h. durch den Schuldner selbst unter Aufsicht eines Sachwalters.
Näheres zum Schutzschirmverfahren entnehmen Sie bitte unserem Merkblatt „Das Insolvenzverfahren – Hinweise für Schuldner“.
Ist ein insolventes Unternehmen sanierungsfähig, kommen insbesondere folgende Sanierungswege in Betracht:
14.1. Die übertragende Sanierung
Anstatt einer Zerschlagung des insolventen Betriebes kann im Wege der sogenannten übertragenden Sanierung der Betrieb oder ein Teilbetrieb an ein anderes Unternehmen veräußert werden. Die Veräußerung erfolgt durch Verkauf der einzelnen Sachen, Rechte und sonstigen Vermögenswerte (sogenannter „Asset Deal“). Durch diese Konstruktion verbleiben die gesamten Verbindlichkeiten beim insolventen Unternehmen. Das insolvente Unternehmen durchläuft das Insolvenzverfahren und wird im Anschluss zerschlagen.
14.2. Der Insolvenzplan
Der Insolvenzplan soll die Möglichkeit eröffnen, eine Insolvenz einvernehmlich und durch den Schuldner/die Gläubiger gesteuert abzuwickeln (§§ 217 ff. InsO). Er kann vielfältige Ausgestaltungen haben, ermöglicht ein hohes Maß an Flexibilität und beteiligt die Gläubiger umfassend am Verfahren. Im Insolvenzplan kann auch eine Liquidation, eine übertragende Sanierung oder die Reorganisation des Unternehmens geregelt werden. Im Gegensatz zur übertragenden Sanierung bleibt der alte Unternehmensträger bei der Sanierung durch Insolvenzplan erhalten und wird fortgeführt.
Der Schuldner und der Insolvenzverwalter sind zur Erstellung und Vorlage eines Insolvenzplans berechtigt. Den Gläubigern steht kein eigenes Initiativrecht zu. Die Gläubigerversammlung kann aber den Insolvenzverwalter unter Vorgabe bestimmter Planziele beauftragen, einen Insolvenzplan auszuarbeiten und durch diese Vorgaben starken Einfluss auf die Ausgestaltung des Plans nehmen.
Der Insolvenzplan ist dem Insolvenzgericht vorzulegen, das ihn auf Formalia überprüft. Anschließend wird der Plan dem Gläubigerausschuss und dem Schuldner bzw. Insolvenzverwalter (je nachdem wer ihn vorgelegt hat), zur Stellungnahme übersandt. In einem Erörterungs- und Abstimmungstermin muss der Insolvenzplan durch einen Beschluss der Gläubiger angenommen werden. Die Gläubiger stimmen in festgelegten Gruppen ab. Auch die Zustimmung des Schuldners ist erforderlich. Abschließend muss der Plan vom Insolvenzgericht bestätigt werden.
Die Wirkungen eines rechtskräftig bestätigten Insolvenzplans treten für und gegen alle Beteiligten ein, also auch gegenüber Insolvenzgläubigern, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben und gegenüber Beteiligten, die dem Plan widersprochen haben. Gerät allerdings der Schuldner mit der Erfüllung des Plans gegenüber einem Gläubiger erheblich in Rückstand, werden für diesen Gläubiger im Plan vorgesehene Stundungen oder ein teilweiser Erlass von Forderungen hinfällig. Die Gläubiger können aus dem Plan in Verbindung mit der Eintragung in die Tabelle wegen festgestellter Forderungen die Zwangsvollstreckung betreiben. Im Insolvenzplan kann vorgesehen werden, dass die Erfüllung des Plans durch den Insolvenzverwalter überwacht wird.
15. Sanierung ohne Insolvenz – Das Restrukturierungsverfahren
Unternehmen können ihren Betrieb auch ohne Insolvenzverfahren sanieren. Das Restrukturierungsverfahren richtet sich an alle Unternehmen, denen Zahlungsunfähigkeit droht. Voraussetzung ist, dass der Schuldner voraussichtlich in den nächsten zwei Jahren zahlungsunfähig wird und die Aussicht auf Sanierung gut ist (positive Fortführungsprognose).
Für weitere Informationen zum Restrukturierungsverfahren lesen Sie bitte „Das Insolvenzverfahren – Hinweise für Schuldner“.
Hinweis: Die Veröffentlichung von Merkblättern ist ein Service der IHK Flensburg und IHK zu Lübeck für Ihre Mitgliedsunternehmen. Dabei handelt es sich um eine zusammenfassende Darstellung der rechtlichen Grundlagen, die nur erste Hinweise enthält und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Es kann eine anwaltliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Hinweis: Mit freundlicher Genehmigung der IHK München.