Sitten und Gebräuche
Geschäftskultur in Norwegen
Die Norweger werden von Deutschen gemeinhin als freundlich wahrgenommen und die persönlichen Eigenschaften meistens als positiv bewertet. Die Geschäftskultur unterscheidet sich allerdings erheblich, worüber man sich im Klaren sein sollte.
Der offensichtlichste Unterschied ist, dass die Norweger weit weniger formell sind. So ist es durchaus üblich, in Freizeitkleidung bei Geschäftsterminen zu erscheinen, das Duzen ist in Norwegen die gewöhnliche Anredeform. Auch andere förmliche Sitten sind weniger verbreitet, so ist beispielsweise der Handschlag nur beim Kennenlernen einer Person oder nach längerem Nichtsehen üblich.
Dieses Weniger an Förmlichkeiten ist zum Teil mit dem in Norwegen sehr verbreiteten Gleichheitsgedanken zu erklären, der es nahe legt, sich nicht durch die Kleidung oder das Verhalten von anderen Menschen abzuheben. Diese Gesellschaftsauffassung führt auch dazu, dass die Hierarchien in Unternehmen deutlich flacher als in Deutschland sind, was wiederum dazu führt, dass auch in der Hierarchie relativ niedrig gestellte Angestellte bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Von norwegischer Seite wird dementsprechend häufig bemängelt, dass dies bei deutschen Unternehmen nicht der Fall sei, sondern vielmehr stets Rücksprache mit dem Vorgesetzten gehalten werde. Die flachen Hierarchien in Norwegen können einerseits eben dazu führen, dass Entscheidungen schneller gefällt werden, andererseits aber auch langwierige Entscheidungsprozesse mit sich führen, da die Geschäftsführer sehr um Konsens bemüht sind. Der Wunsch nach Einigkeit zieht sich durch die gesamte norwegische Gesellschaft, die höher bewertet wird als der Einzelne. Ergo sollte man in Diskussionen nicht zu stark auf die eigene Meinung beharren und diese vor allem nicht zu offensiv vortragen. Als Arbeitgeber in Norwegen sollte man sich dessen bewusst sein, dass Entscheidungen in der Gruppe gefällt werden.
Allgemein gilt, dass Norweger optimistisch und eher dazu bereit sind, geschäftliche Risiken einzugehen, was mit teilweise unrealistischer Einschätzung des deutschen Marktes einhergeht, aber auch eine Vielzahl an Innovationen mit sich bringt. Dieser Optimismus bringt allerdings auch einen gewissen Mangel an Zielstrebigkeit mit sich, Geschäftsvorhaben werden häufig nicht sehr detailliert geplant, sondern es wird davon ausgegangen, dass sich eventuelle Probleme von selbst lösen werden. Deswegen sollte man das Wirken des Geschäftspartners überprüfen und sich nicht zu sehr auf Versprechen verlassen, denn die sind als nicht so verbindlich anzusehen, wie bei uns. Die "lässige" Herangehensweise der Norweger bringt zum Beispiel mit sich, dass es passieren kann, dass Zeitpläne nicht eingehalten werden und der Geschäftspartner darüber nicht informiert wird. Auch ist es nicht üblich, sich auf Geschäftstreffen umfassend vorzubereiten.
Durch die blühende Wirtschaft und die damit einhergehenden niedrigen Arbeitslosenzahlen ist der Konkurrenzkampf unter den norwegischen Arbeitnehmern weit geringer ausgeprägt als dies in Deutschland der Fall ist. In Norwegen herrschen kürzere Arbeitszeiten vor, was für manche deutsche Firmen ein Problem ist, wenn sie versuchen, nachmittags einen Geschäftspartner zu erreichen. Allerdings ist es üblich in diesem Fall die Geschäftspartner auch privat anzurufen.
Die Art der Kommunikation unterscheidet sich sehr von der deutschen; der Norweger spricht stets in kurzen Sätzen, ruhig und langsam. Eine aufgeregte Sprechweise wird als negativ empfunden, viel zu sprechen kann ebenfalls negativ aufgefasst werden. Die kurzen Sätze kommen dadurch zustande, dass Einschränkungen weniger oft als im Deutschen ausgedrückt werden, was auch ein Ausdruck der oben beschriebenen Lässigkeit und Positivität ist. Leider führt diese Sprechweise zu Missverständnissen, weil Zusagen oder positive Prognosen eine geringere Gültigkeit haben. Es ist in Norwegen nicht der Normalfall, dass geschäftliche Vereinbarungen schriftlich festgehalten werden.
Der Norweger ist sehr ehrlich, was bedeutet, dass er bei Verhandlungen die tatsächlichen Verhältnisse offen legt, was ihm durchaus häufig zum Nachteil gereicht. Auch fällt es ihm schwer, Taktiken der anderen Gesprächsteilnehmer zu durchschauen. Der Geschäftspartner kann aber davon ausgehen, dass Diskussionen wirklich offen geführt werden.
Dies gilt allerdings nicht für Kritik, die eher verklausuliert vorgetragen werden sollte, da viele Norweger sich durch die direkte Art der Deutschen, diese zu formulieren, persönlich angegriffen fühlen. Auch ist der Norweger stolz auf seine Herkunft, ein Gefühl, das es ebenfalls nicht zu verletzen gilt.
Zusammengefasst sind die Norweger ruhige, ehrliche Menschen, deren Geschäftskultur deutlich weniger formell und strukturiert ist als die deutsche.