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Rückgrat des Welthandels
Schleswig-Holstein, Drehscheibe und Knotenpunkt für die maritime Logistik zwischen Nord- und Ostsee: 116.000 Beschäftigte und ein Umsatz von 18 Milliarden Euro. Trotzdem ist die Branche angespannt. In immer kürzeren Zeiträumen müssen auf begrenzten Routen Güter über den Seeweg transportiert, gelagert und umgeschlagen werden.
“Die maritime Logistik ist das Rückgrat des weltweiten Handels”, sagt Martin Schwemmer von der Fraunhofer- Arbeitsgruppe für Supply Chain Services. Schiffe, Frachter oder Container sind im maritimen Transport miteinander verknüpft und bewegen mehr als 90 Prozent der interkontinentalen Güter auf dem Wasserweg. Und die Nachfrage nach Transport-, Lager- und Umschlagleistungen steigt. Dabei steht die maritime Logistik vor enormen Herausforderungen: Es sind Insolvenzen wie die der Reederei Hanjin Shipping Co. 2016, wachsender Protektionismus oder Carrier-Kooperationen, die Planungen unsicher machen und Auslastungen schwanken lassen. Auch die globale Corona-Pandemie lässt die Branche nicht unberührt, vor allem Ladungsrückgänge bereiten Kostendruck.
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“Das Problem der Überkapazitäten ist hausgemacht. Da immer größere Schiffe mit immer höheren Ladekapazitäten angeschafft wurden, liegen die Kapazitäten deutlich über der Transportnachfrage”, urteilt Schwemmer. “Mit Blick auf die Pandemie ist die Branche zudem indirekt vom verringerten Ausstoß der produzierenden Industrie betroffen - und in den Häfen kann je nach Rechtslage zu Kontaktbeschränkungen nur verlangsamt abgefertigt werden.”
Infrastruktur
Die maritime Logistik ist komplex, es sind deutlich mehr Partner beteiligt als beim reinen Landverkehr, betont Rüdiger S. Grigoleit, Vorstandsmitglied der Logistik Initiative Schleswig- Holstein: “Spediteure, Makler, Verzoller, Trucker und der Umschlagbetrieb im Abgangs- wie im Ankunftshafen. Das Meer ist unberechenbar - und oft auch das Schleusen. Covid-19 hat die Herausforderungen, die in der Branche sowieso vorherrschen, vor diesem Hintergrund nur verstärkt.” Problematisch sei vor allem die in die Jahre gekommene Infrastruktur. “Die Maßnahmen der Ahrensburger Liste zu vordringlich zu realisierenden Verkehrsprojekten in den Küstenländern werden Abhilfe schaffen - doch wann?
Schnelle Lösungen sind nicht zu erwarten, auch aufgrund der langen Planungszeiten und der geringen Akzeptanz der Bevölkerung. Logistik ist nicht erwünscht, obwohl weiterhin gilt: ohne Logistik keine Lebensmittel in den Geschäften, keine Produktion, kein Umsatz”, sagt Grigoleit.
Rüdiger S. Grigoleit, Logistik Initiative SH
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Transparenz
Andere Hürden sieht Tobias Redweik, Vice President für Marketing & Sales beim Luft- und Seefrachtunternehmen CS4 Logistics GmbH: “In der Seefracht gibt es beispielsweise Produkte wie Verschiffungsgarantien, die im Prinzip keine sind: Wenn nicht verschifft wird, wird es eine Kompensation. Die wird aber im Hafen, wo entladen wird, mit höheren Demurrage- und Detentionssätzen, also Lagergeld und Containermiete, getilgt. Das ist ein Spiel von ,linke Tasche, rechte Tasche‘; hier sehe ich Reputations- sowie Vertrauensverlust aufseiten der Reeder.” Dass nun weltweit Lieferketten im Handelsgeschehen unterbrochen würden, habe die Diskussion über Transparenz präsenter werden lassen.
Schwemmer: “Datenorientierte Lieferketten mit frühzeitiger Information über den Lieferverlauf sollten unbedingt entwickelt werden. Die technischen Möglichkeiten sind da: Lokalisierung, Cloud-Technologien, Zustandsüberwachung per Sensorik.” Berechnungen können zum Beispiel die aktuelle Lage eines Schiffs anzeigen, den Tiefgang und den gesamten Routenverlauf beobachten. Auch Vorhersagen über das Wetter, die Strömung, Schleusenöffnungen oder das Verkehrsaufkommen können helfen, logistische Herausforderungen in die Zukunft zu überführen.
“Digitale Services werden für den Kunden wichtiger. Und natürlich kommt der Wandel, wenn autonom fahrende Schiffe bald Realität sein können.” Trotzdem gebe es Vorbehalte, auf Technik zu setzen: „Manchmal ist man zufrieden mit etwas Intransparenz bei einem Transportverlauf.” Startups wie Flexport und Forto stellen offensiv Echtzeitverfolgung von Frachten als Leistungsversprechen dagegen.
Tobias Redweik, CS4 Logistics GmbH
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Prozesse
Positive Folgen der Krise sieht auch Grigoleit: “Während früher alle Papiere für den internationalen Seeverkehr im Original ausgetauscht werden mussten, reicht jetzt ein PDF. IBM und Maersk haben die Basis für Trade- Lens, ein plattformbasiertes System, gelegt, in das jeder Teilnehmer der Supply Chain Statusveränderungen und die entsprechenden Dokumente hochladen kann.” In den kommenden Monaten müsse sich die maritime Logistik unabhängig vom technologischen Wandel darauf einstellen, das Hinterland an den Planungshorizont anzubinden, sagt Schwemmer, denn “ein Hafen ist niemals Ziel einer Sendung, sondern nur eine Zwischenstation auf dem Weg in eine Produktionsstätte, zum Händler oder zum Konsumenten”.
Solche Prozesse, die die maritime Logistik langfristig verändern und verbessern werden, sollten den Vorrang vor neuen Produkten bekommen, meint Redweik. “Die beschleunigte Umstellung von Schweröl auf schwefelarmen Treibstoff durch die International Maritime Organization ist eine im wahrsten Sinne des Wortes saubere Sache und steht beispielhaft dafür, dass Verbesserungsprozesse kontinuierlich in der Seefahrt verankert sein sollten.” Trotzdem, betont der Vice President Marketing & Sales von CS4 Logistics, sei er ein Freund des Ansatzes, alles zu seiner Zeit zu machen: „Zu viele Prozesse anzustoßen, ohne parallel welche fertigzustellen - das wäre nicht der Duktus hanseatischer Kauffrauen und -männer.”
Autorin: Julia Romanowski
Veröffentlicht: September 2020
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