Verkehrsprojekte in Schleswig-Holstein

Aufbruch im Norden

In diesem Jahr geht es in Schleswig-Holstein bei mehreren Projekten für die Verkehrsinfrastruktur voran. Dazu gehören der Ausbau des Bundestraße 5, der Ersatzneubau der Eiderbrücke in Rendsburg und das Großprojekt feste Fehmarnbelt-Querung, das Anfang November höchstrichterlich grünes Licht erhielt. An diesen Vorhaben sind auch Firmen aus Schleswig-Holstein beteiligt - beim Bau selbst, aber auch in Projekten, die die Baustellen vorbereiten und damit erst möglich machen.
Endlich nimmt die bessere Anbindung der Westküste Fahrt auf - doch zunächst steht die Bauphase an: Nach langem Vorlauf ist der Startschuss für den dreispurigen Ausbau der Bundesstraße 5 zwischen Tönning und Husum gefallen. Über die nordfriesische Verbindung nach Dänemark fahren je nach Jahreszeit 5.000 bis 17.000 Pkw und Lkw täglich. Der Ausbau der B 5 in fünf Abschnitten soll 130 Millionen Euro kosten. Die nordfriesische Zweigstelle des Straßen- und Tiefbaukonzerns Eurovia in Langenhorn hofft, nach den Ausschreibungen den Zuschlag für den Ausbau zu bekommen. Schon jetzt arbeitet sie an einem Projekt, das den Weg dafür bereitet. Am südlichen Stadtrand von Husum entsteht für die Zufahrt zur B 5 eine neue Straße. Sie führt durch Felder, die dann nicht mehr erreichbar wären. Damit der Landwirt weiterhin auf seine Flächen kommt, errichtet Eurovia einen 180 Meter langen Wirtschaftsweg.
Im Sommer 2020 zogen drei Mitarbeiter zuerst mit 24-Tonnen- Kettenbagger, Radlader und Lkw für die Sandversorgung die Grasnarbe ab. Auf einem Trennvlies brachten sie dann 30 Zentimeter Sand auf, darüber ein elastisches Kunststoff- Geogitter und eine 40 Zentimeter dicke Schotterschicht. “Nun warten wir, bis der Weg sich gesetzt hat”, sagt Oberbauleiter Stefan Lüdtke. Geplant ist, dass der Weg mit einer Kiesdecke und seitlichen Mulden, über die Wasser abfließen kann, im Mai fertiggestellt wird. Der Wirtschaftsweg ist, wie auch die B 5, auf Moorboden gebaut. “Das wird beim Ausbau der B 5 wahrscheinlich die größte Herausforderung”, vermutet Lüdtke. “Der Untergrund muss entweder ausgetauscht oder mit Pfählen stabilisiert werden. Weil Sand knapp und teuer ist, wird es wahrscheinlich die zweite Variante.”
Neue Eiderbrücke
Auch die Arbeiten für den Ersatzneubau der Eiderbrücke in Rendsburg, über die die Bundesstraße 77 führt, haben in diesem Jahr begonnen. Sie ist eine von nur drei Autobrücken in der Stadt, an vielen Stellen gibt es Fähren für die Überquerung der Eider. Damit der Verkehr weiterlaufen kann, wurde bereits eine Ausweichbrücke aus Fertigteilelementen gebaut. “So haben wir sehr geringe Einschränkungen. Statt mit 100 fahren die Leute dort mit 60 Kilometern pro Stunde”, sagt Volker Brandt, Geschäftsführer der für den Straßenbau und die Verkehrssicherung verantwortlichen Tiefbaufirma Heinrich Brandt Stahlbeton- und Tiefbau GmbH & Co. KG in Westerrönfeld. Jetzt beginnt der schwierigste Teil des Neubaus: “Zurzeit laufen die Vorbereitungen für den Abbruch der vorhandenen vierspurigen Brücke. Nach dem Abbruch werden die Pfähle für die Gründung des Neubaus hergestellt. Dabei könnte es Probleme geben, da die neuen Pfähle im Bereich der vorhandenen Gründung gebohrt werden.” Danach kann die Bauzeit verlässlich geschätzt werden. Für den Brückenbau ohne Anschlüsse und Ausweichbrücke wurden 17 Millionen Euro veranschlagt. “Als Firma aus der Region haben wir ein besonderes Interesse daran, dass alles gut vorangeht”, sagt Brandt. Er verrät, wie die neue Querung aussehen wird: “Sie wird filigraner sein als die vorhandene Brücke, eine Stahlverbundbrücke mit einer Fahrbahn aus Beton und zwei getrennten Doppelspuren.”
Naturschutz am Belt
Das größte Verkehrsprojekt im Norden ist der geplante 18 Kilometer lange Tunnel für Bahn- und Straßenverkehr zwischen Fehmarn und der dänischen Insel Lolland. Anfang November 2020 hat das Bundesverwaltungsgericht die Klagen gegen den deutschen Teil der Querung abgewiesen und damit den Weg für die nächsten Schritte frei gemacht. Damit der Bau der festen Fehmarnbelt-Querung jetzt vorangehen kann, müssen andere Arbeiten bereits abgeschlossen sein: “Wir sind oft die Ersten, die kommen”, sagt Matthias Riese, Geschäftsführer der Claus Rodenberg Forstund Landschaftspflege GmbH in Kastorf im Kreis Herzogtum Lauenburg. Biologen und Landschaftspfleger laufen die künftige Trasse der Tunnelzufahrt ab und machen eine Erhebung der Tiere und Pflanzen, die dort leben.
“Immer wenn gebaut wird, greift das in den Naturhaushalt ein, das muss ausgeglichen werden”, sagt Riese. Es gibt Ausgleichsmaßnahmen für den Bau und solche für das Projekt insgesamt. Zur ersten Kategorie gehören Amphibienzäune, die Mitarbeiter des Geschäftsfelds Forst- und Landschaftspflege der Firma Claus Rodenberg im Bereich der späteren Tunnelzufahrt im Norden Fehmarns angelegt haben. Die 50 Zentimeter hohen Barrieren sollen über eine Länge von rund zwei Kilometern Kammmolche vom Baustellenbereich fernhalten. Dahinter wurden für die Tiere Ausweichlebensräume angelegt.
Die Landschaftsplaner haben außerdem Brutkästen für Hohltauben aufgehängt. Weitere Ausgleichsflächen auf der Landseite werden auch für Sandregenpfeifer, Feldlerche und Schafstelze angelegt, sagt die Deutschland- Pressesprecherin der dänischen Betreiberfirma Femern A/S Denise Juchem.
Ein anderes Projekt, an dem die Claus Rodenberg GmbH noch einige Monate arbeiten wird, sind Kunststoffzäune für Zauneidechsen, die entlang der Bahnstrecke durch Fehmarn im Schotter der Gleisbetten leben. Die Strecke wird von der DB Netz AG als Teil der Hinterlandanbindung zweispurig ausgebaut. “Gegen die Bagger haben die Eidechsen keine Chance”, sagt Riese. “Deshalb bauen wir Zäune, die sie nur in eine Richtung überqueren können, und auf der anderen Seite erhalten sie ‚Wochenendhäuser‘ als Habitate.” Diese werden nach dem Ausbau der Bahnstrecke wieder abgebaut. Ab 2029, so der Plan, soll durch den Tunnel die Fahrt nach Skandinavien 45 Minuten schneller gehen. Für Mirko Schönfeldt wird er dann “die Hauptschlagader der Großregion” sein. Schönfeldt ist Geschäftsführer der Baltic Facility Solutions GmbH & Co. KG in Neustadt/Beusloe, eines Zusammenschlusses von Unternehmen aus der Region mit dem Ziel, ein breites Spektrum an Leistungen rund um den Bau der festen Querung anzubieten und langfristig am Aufschwung durch das Großprojekt teilzuhaben. Seine Prognose: Wenn durch den Klimawandel die Nordost-Passage frei wird, fahren Handelsschiffe nicht mehr durch den Suez-Kanal, sondern umschiffen Russland. “Dadurch kann sich die gesamte globale Wirtschaftstektonik verschieben - und die Ostsee als Wirtschaftsraum wird noch wichtiger.”
Friederike Grabitz
Veröffentlicht am 1. April 2021