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Smart ans Ziel
Dem Transportsektor steht ein tiefgreifender Wandel bevor. Immer mehr physische Abläufe werden von digitalen, vernetzten und hochtechnisierten Unternehmensprozessen und Transportmitteln abgelöst. Dabei zeichnet sich ein evolutionärer Weg ab. Viele Neuerungen sind bereits im Einsatz, andere müssen noch Akzeptanz finden, an weiteren arbeiten Industrie und Forschung.
Mercedes-Benz Vision Van auf der IAA
© IAA
Der Wandel basiert auf gesellschaftlichen Entwicklungen und damit einhergehenden wirtschaftlichen Anforderungen. Die Weltbevölkerung umfasst heute rund 7,3 Milliarden Menschen, von denen rund 50 Prozent in Groß- und Megastädten leben. Diese Bevölkerung muss versorgt werden, parallel entwickelt sich der E-Commerce mit seinen Warenflüssen rasant weiter. Derzeit wird in der Logistikbranche der Begriff Sofortness zum Trend: die sofortige Lieferung am Bestelltag. Die Same-Day-Delivery wird bereits von der Now-Delivery überholt. Damit versprechen Internetanbieter die Lieferung innerhalb von Stunden. Mit seiner Prime-Air-Drohne will Amazon gar innerhalb einer halben Stunde liefern. Bei Mercedes-Benz sind Drohnen schon im Einsatz. Als erster Transporter überhaupt verfügt der neue Vision Van über einen vollautomatisierten Laderaum und integrierte Lieferdrohnen. Gemeinsam mit Matternet, führender Entwickler von Drohnensystemen aus dem Silicon Valley, hat Mercedes-Benz Drohne und Fahrzeug für die Zustellung auf den letzten Kilometern im urbanen und suburbanen Raum aufeinander abgestimmt. Zudem ist der Van vollelektrisch. Damit schont er die Umwelt und ist so leise, dass sogar nächtliche Zustellungen im Stadtgebiet möglich sind. Alternative Antriebsenergien sind gefragt bei den künftigen Transportern und Lkw in der Citylogistik, aber auch im Verteilerverkehr. Elektromobilität wird immer mehr für Nutzfahrzeuge erprobt.
Elektrischer Lkw im Dienst von BMW
© BMW Group
Erste Hersteller haben hierzu Lösungen entwickelt. Die BMW Group nutzt seit 2015 als erster Autohersteller in Europa einen 40-Tonnen-Elektro-Lkw für Materialtransporte im öffentlichen Verkehr. Auch in den Fahrerkabinen und in den Laderäumen findet der Technologietransfer statt. Im Laderaum minimieren vernetzte Laderaumsysteme die Zeiten der Be- und Entladung deutlich. Die Systeme zeigen dem Zusteller die richtige Ladungsanordnung und stellen ihm je nach Standort das richtige Paket zur Verfügung. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Zustellung nicht mehr per Menschenhand erfolgt.
Als erster Transporter weltweit vernetzt der Mercedes Vision Van komplett digital alle Beteiligten und Prozesse - vom Warenverteilzentrum bis zum Empfänger. Mit dieser neuen adVANce- Strategie richtet Mercedes-Benz Vans seine Aufmerksamkeit auf das komplette Geschäftsumfeld des Kunden. In den Fernverkehren sind Digitalisierung und Vernetzung ebenfalls ein großes Thema. Vernetzte Fahrzeuge fahren in Kolonnen, brauchen weniger Platz und Antriebsmittel. Der Zwang zum Sparen führt zur Optimierung der Fahrzeuge. "Es ist auch eine Basis für unsere Bestrebungen, automatisiertes Windschattenfahren mit geringeren Fahrzeugabständen so schnell wie möglich in die Serie zu bringen", sagte Dr. Elmar Degenhart, Vorstandsvorsitzender von Continental, auf der IAA. Das automatisierte Fahren wird wohl nur noch eine Frage der Zeit sein. Beim Transport auf Schiene und Schiff ist es greifbar.
Der DHL-Paketkopter transportiert Medikamente auf Juist.
© Deutsche Post AG
"Technologien, mit denen sich Transporte überwachen und Prozesse steuern lassen, werden in der Logistik immer wichtiger. Warenlieferungen lassen sich so besser sichern, Abläufe effizienter gestalten. Daher wird sich eine umfassende Digitalisierung in der Logistik bald durchsetzen", hatte das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF vor zwei Jahren vorausgesagt. Als Technologien stehen Entwicklungen wie das Internet der Dinge, Cloud-Computing und Big Data bereit. Untersuchungen belegen, dass Logistikfirmen in der digitalen Transformation hinter anderen Branchen hinterherhinken, aber Bereitschaft zur Weiterentwicklung mitbringen. Die internationale Studie von Capgemini Consulting und GT Nexus "Digitale Transformation der Supply Chain – Stand heute und in 5 Jahren" kommt zu dem Schluss, dass viele Unternehmen mit der digitalen Transformation bereits begonnen hätten, aber ihre Frustration über den derzeitigen Fortschritt enorm sei. Innerhalb von nur fünf Jahren erwarten sie erhebliche Verbesserungen ihrer Prozesse - von der Automatisierung bis hin zur Zusammenarbeit. Hierzu gehören auch digitale Datenübertragung ohne Medienbrüche und die Supply Chain Visibility – Transparenz in globalen Lieferketten. Die Befragten stellen sich eine Zukunft mit einer nahtlosen Digitalisierung zwischen allen Partnern entlang der kompletten Wertschöpfungskette vor. In Schleswig-Holstein hat das Unternehmen der Medizin- und Sicherheitstechnik Dräger in den Lübecker Standort und dort in eine Zukunftsfabrik investiert, um Produktion und zentrales Logistikzentrum zusammenzufassen. "Wir haben umgestellt auf eine nachfragegesteuerte Zulieferung aus dem Lager über einen Logistik-Highway in die Produktion", heißt es bei Dräger.
Hilke Ohrt
Veröffentlicht am 4. November 2016
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