Fridays For Future

"Wir brauchen eine Renaissance der Schiene“

Sophia Marie Pott ist Klimaaktivistin bei Fridays For Future. Welche Wege die Lübeckerin für eine grünere Mobilität im Norden sieht, erzählt sie im Interview.
Kurz und knapp: Was sind die Ziele von Fridays for Future?
Unsere Gesellschaft braucht eine Kehrtwende weg vom Status quo! Die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen und damit das Pariser Klimaabkommen von 2015 einzuhalten, ist Kernforderung von Fridays for Future und gleichzeitig eine Mammutaufgabe. Um das zu schaffen, müssen wir sofort anfangen auf Klimakurs umzusteuern, und das in jedem Ressort - radikal.
Welche Wege sehen Sie, Ihre Forderungen umzusetzen?
 Wir brauchen den politischen Paradigmenwechsel auf allen Ebenen. Gleichzeitig gibt es ein riesiges Potenzial im Norden: die Energiewende! Durch die günstige geografische Lage birgt der Leitungsausbau für Windenergie ein enormes Potenzial für die Versorgung von ganz Deutschland mit erneuerbaren Energien. Schleswig-Holstein muss mehr leisten als der Durchschnitt: Wir fordern drei Prozent der Landesfläche für die Ausweisung von Windkraftflächen. Gleichzeitig müssen auch im Bau- und Verkehrssektor alle landespolitischen Spielräume ausgenutzt werden, um Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen.
Eines Ihrer Ziele ist die Reduktion des motorisierten Individualverkehrs in den Städten.
Der motorisierte Individualverkehr muss überall überholt werden. Wir wollen die Fahrzeuge reduzieren und Städte sind dafür der erste Angriffspunkt. Die Alternative? ÖPNV und Radverkehr. Eine Mobilitätswen[1]de darf nicht bedeuten, dass die Innenstädte sterben, sondern soll auch dort für mehr Lebensqualität sorgen. Deswegen müssen wir investieren: Eine enge Taktung und erschwingliche Preise für Bus und Bahn brauchen wir besser gestern als heute. Beim Radverkehr geht es vor allem um erhöhte Sicherheit durch breite und gut sanierte Wege mit einer klaren Abtrennung zur Fahrbahn. Die Absage an das Auto geht nur mit klaren Zusagen für Bus, Bahn und Fahrrad!
Wie stehen Sie zum Ausbau der Schieneninfrastruktur?
Wir brauchen eine Renaissance der Schiene. In den vergangenen Jahrzehnten wurde massiv zurückgebaut – aus heutiger Sicht ein Rückschritt. Dabei ist die Schiene viel ressourcen- und energieeffizienter als die Straße. Reaktivierung, Elektrifizierung und Neubau der Schieneninfrastruktur - das ist unsere Leitlinie. Der Umstieg auf die Schiene ist die einzige Möglichkeit, aus der Verkehrswende nicht nur eine Antriebswende, sondern eine echte Mobilitätswende zu machen!
Was sind Ihre Vorstellungen in Bezug auf die künftige Flächenentwicklung und -nutzung?
Boden ist keine nachwachsende Ressource. Daher wollen wir ein neues Leitbild für die Flächenentwicklung schaffen: Um Flächen zu entwickeln und nicht zu verbrauchen, braucht es Nachverdichtung, Entsiegelung und Recycling – auch in der Landschafts- und Stadtplanung. Kombinierte Nutzungen und vielschichtige Lösungen müssen in maßgebenden Plänen wie den Flächennutzungsplänen abgebildet werden. Die Maßgabe muss sein: keine Neuversiegelung mehr ohne Ausgleichsentsiegelung! Dafür braucht es klare baupolitische Ansagen: Bauen und Wohnen darf nicht so viel Fläche fressen und Wohnqualität muss grundlegend neu gedacht werden.
Benjamin Tietjen
Veröffentlicht am 1. April 2022