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"Die Vorreiterrolle zahlt sich aus"
Der sogenannte Dieselskandal dreht sich um Pkw-Motoren. Warum aber sind keine Lkw betroffen, wo liegen die Unterschiede und welche Potenziale gibt es für Lkw? Im Gespräch klärt Professor Dr. Bert Buchholz, Lehrstuhlinhaber Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren an der Universität Rostock, über die wesentlichen Aspekte auf.
Beim Dieselskandal geht es um Pkw, von Lkw hört man nichts. Wieso blieb diese Fahrzeugsparte vom Skandal weitgehend verschont?
Professor Dr. Bert Buchholz
© Universität Rostock/Thomas Rahr
Bert Buchholz: Für schwere Nutzfahrzeuge gilt seit 2013 die Emissionsstufe Euro VI. Neben strengen Grenzwerten hat die Euro VI auch einen neuen Prüfzyklus eingeführt, den WHTC. Dieser deckt das gesamte Kennfeld eines Motors ab. Bereits mit der Euro VI wurden für Lkw Messfahrten unter realen Bedingungen, die Überprüfung der Real Driving Emissions (RDE), eingeführt. Damit sind sie seit 2013 Überwachungskriterien unterworfen, wie sie für Pkw erst jetzt eingeführt werden. Diese Vorreiterrolle zahlt sich nun aus.
Wie unterscheiden sich gesetzliche Vorgaben, Zulassung und Tests bei der Abgasreinigung für Lkw-Diesel von denen für Diesel-Pkw?
Buchholz: Prinzipiell sind für Lkw-Dieselmotoren die gleichen Schadstoffe limitiert wie bei Pkw. Im Gegensatz zu Pkw-Motoren, bei denen die Grenzwerte in Gramm Schadstoff pro Kilometer Fahrstrecke definiert sind, beziehen sich die Grenzwerte für Lkw auf die vom Motor geleistete Arbeit und werden in Gramm Schadstoff pro Kilowattstunde festgelegt. Damit ist ein direkter Vergleich der Grenzwerte schwer. In der Praxis sind die kilometerbezogenen Emissionen von Lkw auf dem gleichen Niveau wie bei normkonformen Pkw- Diesel - obwohl Trucks größere Fahrzeuge mit enormen Transportkapazitäten sind. Die aktuellen Testzyklen für Lkw decken - im Gegensatz zu Pkw - das gesamte Kennfeld des Fahrzeugmotors ab.
Wie unterscheiden sich die Maßnahmen zur Abgasreinigung bei Lkw von denen bei Pkw?
Buchholz: Mit Einführung der Euro VI kommt ein Paket modernster Verfahren zur Emissionskontrolle zum Einsatz. Die motorinterne Entstehung von Schadstoffen wird durch Maßnahmen wie Hochaufladung, Höchstdruck-Common- Rail-Einspritzung und Abgasrückführung minimiert. Die verbleibenden Emissionen werden durch komplexe Abgasnachbehandlungssysteme auf Werte unterhalb der Grenzwerte reduziert.
Die aktuellen Testzyklen für Lkw decken - im Gegensatz zu Pkw - das gesamte Kennfeld des Fahrzeugmotors ab.
Der Dieselmotor wird Nutzfahrzeuge noch einige Zeit antreiben. Welche Potenziale bei Effizienz und Abgasreinigung hat er technisch noch? Sind Hybridantriebe denkbar?
Buchholz: Der Lkw-Diesel ist bereits heute hocheffizient und hat erhebliche Zukunftspotenziale. Die Emissionen werden weiter sinken, etwa beim Kaltstart unter niedrigsten Temperaturen und während langem Betrieb im Niedriglastbereich wie bei Leerfahrten. Auch die spezifischen Kraftstoffverbräuche werden weiter sinken. Erhebliche Verbrauchssenkungen werden künftig vor allem eine verstärkte systemische Optimierung des gesamten Antriebsstrangs erforderlich machen. Hierbei können hybride Antriebsstränge eine größere Rolle spielen. Vor allem im Verteilerverkehr sind Verbrauchsreduzierungen und geräuscharme Nachtanlieferungen möglich.
Welche alternativen Entwicklungen gibt es noch im Bereich der Motorentechnik, um umweltbewusst und klimaschonend zu transportieren?
Buchholz: Erdgaskraftstoffe können eine CO2-Reduzierung von bis zu 20 Prozent ermöglichen und werden an Bedeutung gewinnen. Die Erdgasmotor-Technologie ist grundsätzlich vorhanden. Die Infrastruktur für die Erdgasformen LNG und CNG soll laut EU-Vorgaben entlang der europäischen Haupttransportachsen, in Ballungszentren sowie in Binnen- und Seehäfen zügig ausgebaut werden. Für geschlossene Flotten ist auch die Nutzung von flüssigen Biokraftstoffen eine Alternative, um CO2-Senkungen zu erreichen. Der Anbau von Energiepflanzen ist in der EU überwacht und zertifiziert.
Interview: Benjamin Tietjen
Veröffentlicht am 3. November 2017
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