Ökologie und Transport

Lieferkette unter Strom

Um die Klimaziele zu erreichen, reicht es nicht, den Individualverkehr emissionsfreier zu gestalten, denn ein großer Teil der Abgase stammt von Lkw, der Bahn und
Schiffen. Doch die Transportlogistik stellt sich den ökologischen Herausforderungen.
Die Klimaschutzziele sind eindeutig: Bis 2050 muss der Verkehr in Deutschland treibhausgasneutral werden. Nicht zuletzt der Dieselskandal hat die Debatte weiter angeheizt: Die Bundesregierung will die Entwicklung alternativer Motoren und Kraftstoffe zusätzlich fördern. In diesem Herbst startet ein Forschungsprojekt, das die "technischen und regulatorischen Hemmnisse für die Elektromobilität" beseitigen soll. Außerdem werden zehn Millionen Euro für die Entwicklung konkurrenzfähiger Elektro-Lkw im Innenstadtverkehr bereitgestellt. Man setzt also vor allem auf die Elektromobilität, um die Abgase in den Griff zu bekommen. Zu Recht, sagt eine Studie des Öko-Instituts, deren Autoren berechnet haben, dass E-Mobilität volkswirtschaftlich die geringsten Mehrkosten für die Energiewende im Straßenverkehr verursacht. Zwar hätten sich Erdgasantriebe ebenfalls zu einer Alternative für leichte Nutzfahrzeuge entwickelt, aber es fehle derzeit noch an einer LNG-Struktur zum Tanken, so die Studie.
Auch Professor Dr. Christoph Weber, Dekan des Fachbereichs Informatik und Elektrotechnik an der FH Kiel, sieht keine andere Auswegtechnologie als die E-Mobilität. Er verweist auf die Erfolge des Streetscooters der Post. Der Experte vom Kompetenzzentrum Elektromobilität ist sich sicher, dass auch andere Paketdienstleister auf den Zug aufspringen, denn gerade für den urbanen Verteilungsverkehr seien Elektromotoren ideal. Um auch auf der Langstrecke eingesetzt zu werden, müssten sowohl die Batterietechnologie als auch der Strom günstiger werden: "Erst mit einer Halbierung der Preise sind wirkliche Auswirkungen zu spüren." Bisher seien Verbrennungsmotoren am ertragreichsten für die Hersteller, so Weber. Um die Entwicklung der E-Mobilität zu beschleunigen, müsse der Staat mehr Anreize bieten: "Das Beispiel China zeigt, wie der Druck durch die Politik den Markt in Bewegung gebracht hat."
Ein zukunftsweisendes Projekt sind laut Weber E-Highways, bei denen sich Lkw auf der Autobahn in Oberleitungen einklinken und elektrisch fahren, während der Fahrt die Batterie aufladen, sodass sie dann auch abseits der Autobahn bis zum Zielort weitgehend batteriebetrieben fahren können: Perfekt für den Lkw-Verkehr geeignet, so Weber. Teststrecken für E-Highways gibt es in Schweden und Kalifornien - und ab Mai 2018 auf der A 1 zwischen Reinfeld und Lübeck. Dort soll eine fünf Kilometer lange Oberleitung gebaut werden, im Herbst 2018 sollen die ersten Lkw auf diesem Abschnitt rollen. Gespeist werden die Oberleitungen mit Windstrom, den es für das Projekt gratis gibt. Spezielle Hybrid-Lkw sollen hier die Strecke testen. Die Reinfelder Spedition Bode ist der erste Projektpartner und setzt ab nächstem Herbst zwei Lkw auf der Strecke ein, die den Reinfeldern leihweise zur Verfügung gestellt werden. "Wir stellen uns damit als Spedition den Herausforderungen des Klimawandels", so Bode-Geschäftsführer Kai Bode. Es gehe darum, einen Teil zum Klimaschutz beizutragen und aktiv zu werden.
Personenverkehr
Auch den Bussen im öffentlichen Nahverkehr kommt bei den Emissionen eine wichtige Rolle zu. Immer mehr Kommunen setzen auf Elektromobilität, so wie der Stadtverkehr Lübeck, der jüngst zwei neue Linienbusse erworben hat, die zu 100 Prozent elektrisch betrieben werden. Die Batterien der neuen Busse haben eine Reichweite von 350 Kilometern, ausreichend für die Tagesleistung eines Stadtverkehr- Busses. Aufgeladen wird nachts an extra eingerichteten 63-Ampere-Steckdosen. Bis 2030 wollen die Lübecker die gesamte Busflotte auf elektrisch betriebene Fahrzeuge umstellen. Knackpunkt bei der Umrüstung des öffentlichen Nahverkehrs auf Elektromotoren sei das Ladeproblem, so Experte Weber: "Die Herausforderung ist, wie man alle Busse gleichzeitig lädt - dafür ist das Stromnetz derzeit nicht ausgelegt." Bei zwei Bussen kein Problem, bei einer kompletten Fahrzeugflotte hingegen muss die Infrastruktur erst geschaffen werden. Bereits auf Strom setzt die Bahn - zumindest im Fernverkehr. Doch nicht für jede Strecke lohnt sich die Elektrifizierung. Um die Kosten für Oberleitungen zu decken, muss eine gewisse Frequenz der Bahnstrecke gegeben sein. 70 Prozent der Strecken in Schleswig-Holstein etwa sind auf Dieselbetrieb ausgelegt. Die Deutsche Bahn setzt deshalb auf zwei Technologien: die Entwicklung eines Brennstoffzellenantriebs per Wasserstoff (Hydrail, und die Entwicklung eines dieselelektrischen Hybridantriebs, bei dem ein Generator die vom Dieselmotor erzeugte oder beim Bremsen entstehende kinetische Energie in elektrische Energie umwandelt.
Schifffahrt
Auch in der Schifffahrt ließen sich die ökologischen Herausforderungen nicht nur mit E-Mobilität beantworten, so Christoph Weber. Dabei hat die Schifffahrt den größten Anteil an den weltweiten Emissionen. Das liege unter anderem an den laxen Filtervorschriften für Schiffe - hier müsse dringend eine weltweite Regelung her. Zwar gebe es in immer mehr Häfen die Möglichkeit, Landstrom zu beziehen und so im Hafen auf Dieselmotoren zu verzichten, in der Realität werde dieses Angebot nur selten angenommen: "Der Landstrom ist schlicht teurer als das Erzeugen von Strom mit den Dieselmotoren." Hier sei auch die Politik gefragt, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Doch auch langfristig sieht Weber im Schiffsverkehr keine Alternative zum Verbrennungsmotor.
Einzelne Reedereien reagieren schon; so setzt die Green Delta Shipping GmbH auf eine Optimierung der Routen, um Treibstoff zu sparen. Die Wyker Dampfschiffs-Reederei Föhr- Amrum fährt mit Marinegasöl und hat die Bauart der Schiffe auf Sparsamkeit beim Verbrauch optimiert, so Frederik Erdmann, Beauftragter für Sicherheit, Umwelt und Qualität der Reederei: "Wir haben die Fahrtzeit um fünf Minuten gestreckt, sodass durch die gedrosselte Geschwindigkeit weniger Brennstoff verbraucht und weniger Emissionen erzeugt werden." Insgesamt spielt für die Reederei der „grüne Fußabdruck“ eine große Rolle; so wurden unter anderem die Abfallaufkommen der Schiffsgastronomie optimiert und es wird vermehrt auf Handykarten statt auf Papierfahrkarten gesetzt: "Wir verkehren mit unseren Schiffen nicht nur im Weltnaturerbe Wattenmeer, wir leben auch von diesem Weltnaturerbe, denn sehr viele Gäste kommen gerade aufgrund der einmaligen Tierund Pflanzenwelt zu uns", betont Erdmann.
Nathalie Klüver
Veröffentlicht am 3. November 2017