Innovative Verkehrsprojekte

Gute Verbindungen schaffen

Die Zukunft der Mobilität gehört zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. Damit sich Menschen und Waren im echten Norden künftig flexibel, stressarm und nachhaltig von A nach B bewegen können, braucht es einfallsreiche Konzepte. Dazu zählen zum Beispiel pfiffige Angebote für ländliche Räume, autonome Fähren im ÖPNV oder intelligent koordinierte Straßenbaustellen. Der Schlüssel sind oft digitale Innovationen.
Wer vom "Dörp" kommt, ist meist auf ein eigenes Auto angewiesen - Arztbesuche, Einkäufe und der Arbeitsweg lassen sich gerade auf dem Land oft nicht anders erledigen. So ging es auch den Bürgern der Gemeinde Klixbüll im Kreis Nordfriesland. Sie haben sich eine Lösung ausgedacht, mit der sie klimaneutral ihre Wege zurücklegen können: das "Dörpsmobil".
Daraus entwickelte die Akademie für die ländlichen Räume e. V. mit den Aktivregionen ein Carsharing-Konzept, bei dem Vereine ein E-Auto leasen, das von den Einwohnern genutzt wird. Bisher hätten mindestens 21 weitere Vereine das Konzept übernommen, so Timo Wiemann von der Gesellschaft für Energie und Klimaschutz Schleswig-Holstein GmbH (EKSH).
Die EKSH, das schleswig-holsteinische Energiewendeministerium und das Ministerium für ländliche Räume fördern das Projekt. Organisiert wird es über eine App: Hier können die Nutzer das Fahrzeug buchen und sehen, wie der Ladestand ist, können eventuelle Schäden melden oder die Sauberkeit des Mobils bewerten.
Zudem lässt sich das Auto über die App öffnen und abschließen. Die Nutzer sind Privatpersonen, aber auch Leute aus Verwaltung, Feuerwehr oder Gemeindevertretung. "Um das Konzept transparent und nutzbar zu machen, gibt es einen Leitfaden", so Wiemann. Das Charmante sei allerdings, dass die Vereine vieles selbst entscheiden und organisieren würden.
Dazu zähle etwa, welches Fahrzeug angeschafft oder ob es gekauft oder geleast werde. Das Konzept sei erfolgreich, so Wiemann, wenn die Menschen davon überzeugt und engagiert seien. "Manche Vereine sind jetzt seit drei Jahren dabei, und da ist immer das Ehrenamt gefragt. Die Reinigung des Fahrzeugs ist zum Beispiel eine ehrenamtliche Aufgabe, aber auch bei Problemen oder Fragen gibt es Ansprechpartner, die ehrenamtlich tätig sind."

Transdisziplinär denken

Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ist einer der wichtigsten Mobilitätsträger im Land. Schleswig-Holsteins Busse etwa transportieren jährlich 190 Millionen Fahrgäste. Hier gilt es, den ÖPNV zukunftsweisend auszubauen. Das haben auch Akteure an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) erkannt - und das Mobilitätsprojekt CAPTin Kiel ins Leben gerufen.
Mehr als 150 Stakeholder aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit haben sich zusammengetan, um "Clean Autonomous Public Transport" - schadstofffreien, autonomen ÖPNV - zu realisieren. "Die Vision ist ein durch autonome Lösungen geprägtes urbanes Mobilitätssystem, das sicher, schadstofffrei und klimafreundlich ist, den Individualverkehr reduziert und Verkehrsträger nutzerfreundlich und intelligent miteinander verbindet", erklärt Dr. Karsten Pankratz vom Servicezentrum Forschung, IT & strategische Innovation der CAU und Projektkoordinator von CAPTin Kiel.
So solle eine klimaneutrale Mobilitätskette mit emissionsarmen autonomen Bussen und Personenfähren entstehen, erklärt Pankratz weiter. Bis Ende 2021 wird die erste autonome Fähre mit Unternehmen der maritimen Industrie und mit möglicher Unterstützung der Bundesregierung gebaut.
Auch über Kiel hinaus gebe es bereits Kooperationen, so Projektkoordinatorin Dr. Wiebke Müller-Lupp: "Dazu zählt etwa der Ausbau grünen Wasserstoffs, der für CAPTin Kiel verwendet werden soll. Hier sind Partner in Heide, die Fachhochschule Kiel und ThyssenKrupp Marine Systems in Kiel beteiligt." Weiterhin interessant sei "die Vernetzung im Ostseeraum, wo norwegische Konsortien in der autonomen Schifffahrt weltweit führend sind". Hier gebe es erste Projektanbahnungen mit der Technischen Universität NTNU in Norwegen.
Damit autonome Busse und Fähren funktionierten, komme es nicht nur auf die technische Umsetzung an, sagt Pankratz: "Hier ist unser transdisziplinärer Ansatz wichtig, der etwa Techniker auch mit Philosophen, Akzeptanzforschern oder kommunalen Vertretern mit ihren Vorstellungen und Erfordernissen zusammenbringt."

Maßnahmen verknüpfen

Knapp 9.900 Kilometer umfasst das Straßennetz in Schleswig-Holstein, das aus Autobahnen, Bundes-, Landes- und Kreisstraßen besteht. Für fast all diese Verbindungen ist der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV.SH) zuständig - und somit auch größtenteils für deren Instandhaltung.
Da Baumaßnahmen in den fließenden Verkehr eingreifen, kommt Bauabläufen und Bauzeiten eine immer höhere Bedeutung zu. Deshalb hat der LBV.SH sein Know-how in einer übergeordneten Baustellenkoordination gebündelt: Seit Dezember 2019 sind Steffen Burkhardt und Birger Böll als Koordinatoren tätig. "Ziel ist es, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der wirtschaftlichen Abwicklung der Baustelle und den zu erwartenden Verkehrsstörungen, also verlängerten Fahrzeiten, zu finden", erklärt LBV-Direktor Torsten Conradt.
Die Baustellenkoordination solle dazu beitragen, das Baustellenmanagement kontinuierlich zu verbessern. "Dazu ist es notwendig, betriebsinterne Strukturen zu optimieren und viele Player zum Mitmachen zu bewegen." Zu diesen Playern gehören Bauträger und Infrastrukturbetreiber, aber auch Gemeinden, Kreise und kreisfreie Städte, die teils als Straßenbaulastträger eigene Maßnahmen durchführen. Hier sei es wichtig, so Conradt, "bereits ab der Vorplanungsphase allen Beteiligten die notwendigen Informationen für die eigenen Planungen verfügbar zu machen".
Die Baustellenkoordinatoren könnten hier in einer Schnittstellenfunktion "möglichen Konflikten vorbeugen. Zudem eröffnen sie für alle Beteiligten auch die Möglichkeit, die eigenen Maßnahmen mit den Maßnahmen anderer Bauträger zu verknüpfen - und so die Gesamtzahl der Baustellen eventuell zu reduzieren."
Noch in diesem Jahr soll es eine pilothafte Maßnahmenkoordinierung geben, bei der neue Methoden und IT-Lösungen zum Einsatz kommen sollen. "Derzeit haben wir verschiedene Lösungen im Blick, die bereits in anderen Bundesländern angewendet werden", so Conradt.
Wichtig seien dabei unter anderem eine automatisierte Datenbereitstellung für Daten- und Internetportale sowie E-Government-Werkzeuge, um Verwaltungsakte abzuwickeln. Viele kleine Schritte, die am Ende zu dem Ziel führen sollen, "die Erfordernisse einer Baustelle optimal mit den Bedürfnissen der Verkehrsteilnehmenden zu verbinden", so Conradt.
Jutta Lasner
Veröffentlicht am 2. April 2020