Tornesch: Kampfkunst als Lebensschule

Kickboxen, Respekt und Herzensbildung

Kampfkunst ist mehr als ein cooler Sport. Das lernen schon die Dreijährigen in der Sportschule Sinawali in Tornesch. „Natürlich geht es beim Kickboxen zunächst um Körperbeherrschung und Konzentration“, erzählt Gründer und Geschäftsführer Jamil Tarkhani. „Doch diese Fertigkeiten und soziale Kompetenzen wie Respekt, Achtsamkeit und Herzensbildung bringen die Kinder und Jugendlichen auch im Alltag und im Berufsleben weiter.“ Mit diesem einzigartigen pädagogischen Konzept ist Sinawali seit vielen Jahren überaus erfolgreich.
Wer den Stundenplan in den Räumen der Sportschule liest, staunt nicht schlecht: „Thema des Monats April: Geschichte“ steht dort, aber auch Deutsch, Mathe und Medienkompetenz lernen die ständig rund 300 Kinder und Jugendlichen von den zwanzig Lehrkräften. Erst danach können sich die „Little Ninjas“ und die „Power Jugend“ beim Point Fight oder im Boxunterricht austoben. „Wir verstehen den Kampfsport als Lebens- und Charakterschule“, erklärt Jamil Tarkhani die Philosophie und das ausgefeilte pädagogische Konzept der 1997 gegründeten Sportschule Sinawali.
„Seit etwa zehn, fünfzehn Jahren stoßen die Schulen immer mehr an ihre Grenzen.“ LehrerInnen würden etwa durch zu große Klassen mit vielen Integrationskindern überfordert, meint er. Die Folge: „Vor allem SchülerInnen mit Migrationshintergrund haben immer häufiger Probleme beim Einstieg ins Berufsleben. Das hören wir oft von den Unternehmen in unserer Region“, berichtet Tarkhani.

Pädagogisches Programm von Experten entwickelt

Deshalb hat der frühere Weltklasse-Kickboxer gemeinsam mit einem professionellen Team aus Kinderpsychologen und Sozialpädagogen ein Programm entwickelt, das neben dem Sporttraining systematisch auch die soziale Welt und das Schulleben miteinbezieht. „Ich sehe dabei auch meine soziale Verantwortung, etwas für die Integration junger Menschen zu tun.“ Er selbst habe keinen guten Start ins Leben gehabt, aber über den Kampfsport seinen Weg gefunden. Sportliche Erfolge und die gelungene Gründung seiner Sportschule folgten. „Ich bin mir bewusst, wieviel in unserer Gesellschaft von schulischer Ausbildung, aber auch von Herzensbildung abhängt. Deshalb ist es mir ein Anliegen, das große Geschenk, das ich im Leben bekommen habe, an die jungen Menschen zurückzugeben“, erklärt der 59-Jährige.

Achtsamkeit und Toleranz: Lehrkräfte sind Vorbilder

Bei Sinawali übernehmen die LehrerInnen immer auch die Funktion als Vorbilder: Sie leben dem Nachwuchs vor, auf seinen Körper zu achten, Alkohol und Drogen zu meiden. „Schimpfwörter sind in unseren Räumen tabu. Wir leben einen wertschätzenden und respektvollen, aber auch familiären Umgang miteinander“, betont Jamil Tarkhani. Viele Eltern wissen die Arbeit zu schätzen: „Einige haben selbst als Kinder bei uns angefangen, wir durften sie über viele Jahre begleiten. Nun unterrichten wir bereits deren Kinder.“ Auch sportliche Erfolge kann Sinawali vorweisen: Jugendweltmeister und Europameister in der Disziplin Point Fighting kommen aus Tornesch. Für viele Kinder und Jugendliche sind die LeistungssportlerInnen auch Vorbilder, die zeigen, was man erreichen kann – selbst wenn man im Leben keine besonders guten Startchancen hatte. Und für das Unternehmen Sinawali sind die Erfolgsstorys eine willkommene Eigenwerbung.
Einzigartig sei vor einer Anmeldung der Kinder der von einer Kinderpsychologin entwickelte Online-Selbstcheck auf der Homepage. „Hier können Eltern herausfinden, wo die Mädchen und Jungen in ihrer kognitiven Entwicklung stehen“, berichtet Tarkhani. Anschließend könne man sie passgenau in den entsprechenden Kursen anmelden.
Weil es in erster Linie um Persönlichkeitsentwicklung gehe, gehören auch soziale Aktionen mehrmals im Jahr zum Konzept. Beim „Herzschlagprojekt“ etwa besuchen die Kinder und Jugendlichen Pflegeheime, sie helfen bei der „Tafel“ oder bekommen Einblicke in die kirchliche Arbeit. Lesungen und andere Kulturveranstaltungen in den Räumen der Sportschule ermöglichen den Blick über den Tellerrand. Weil Gewaltprävention ein wichtiges Thema nicht nur für den Nachwuchs sei, bietet Tarkhani sein Knowhow auch anderen Institutionen an. So bildet Sinawali auch Sondereinsatzkommandos der Polizei und andere Sicherheitskräfte bundesweit in Seminaren aus.
Auch wenn Jamil Tarkhani als Unternehmer erfolgreich ist, vergesse er nie, was der Kampfsport für sein eigenes und das der vielen „Nachwuchs-Ninjas“ bedeute, betont er. „Es geht mir nicht nur ums Geschäft. In unserer Arbeit steckt viel Herzblut. Und das gibt meinem unternehmerischen Leben einen Sinn.“
Text und Fotos: Joachim Welding