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Stillen oder SEO, Matsch oder Marketing?
Gründungsideen entstehen überall: im Studium, unter der Dusche und auf Reisen. Oder eben auch am Wickeltisch, mitten in der Elternzeit. So wie in meinem Fall. Stillen oder SEO, Babybrei oder betriebswirtschaftliche Auswertung, Matsch oder Marketing? Existenz- und Familiengründung fallen nicht selten in die gleiche Lebensphase. Das ist großartig, bietet viele Chancen und die Möglichkeit, unentdeckten Potenzialen Raum zu geben.
Gleichzeitig ist es eine Herausforderung, was sich auch anhand gesellschaftlicher und wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen zeigt. Kitaausfälle aufgrund von Personalmangel sind derzeit an der Tagesordnung. Dies ist für alle berufstätigen Eltern schwierig. Für Menschen, die mit kleinen Kindern gründen, bedeutet dies, dass Gründungsideen vielleicht gar nicht erst aufgegriffen beziehungsweise nicht weiterverfolgt werden können. Und das betrifft sowohl das neue Yogastudio als auch technologie- und innovationsbasierte Gründungen während des Studiums oder der Promotion. Gründungsaffine Hochschulabsolventen sind ebenfalls in einem Alter, in dem das Thema Familienplanung akut wird. Umso wichtiger ist es, dass die Rahmenbedingungen für Menschen, die in der Elternzeit oder mit Kindern gründen, verbessert werden. Dazu zählt auch eine Aufwertung von Gründungen im Nebenerwerb. Eine größere Risikoaversion ist dabei nicht automatisch mit geringerem unternehmerischem Eifer gleichzusetzen. Ganz im Gegenteil!
Ein Side-Business gibt Menschen, die Care-Arbeit leisten, die Chance, unternehmerisch aktiv zu werden und dabei gleichzeitig für kleine Kinder präsent zu sein. Für mehr Sowohl-als-auch und weniger Entweder-oder. Ist es nicht genau das, worüber wir derzeit unter dem Begriff „New Work“ so oft diskutieren? Wir brauchen mehr Sichtbarkeit, neue Narrative, mehr authentische „Role Models“ und ehrlichen Austausch.
Können die Gründungswilligen mit kleinen Kindern das nicht selbst in die Hand nehmen? Doch, das können sie. Und sie tun es auch. Sie vernetzen und unterstützen sich, sie gehen neue Wege und werden ganz automatisch zu Improvisationstalenten. Gleichzeitig sind sie darauf angewiesen, dass ihre Perspektive mitgedacht wird, wenn sie selbst nicht präsent sein können. Und dass sie sich in Institutionen niederschlägt – in Gremien und Arbeitsgruppen, bei der Erarbeitung von Konzepten und Strategiepapieren. Denn während andere auf Tagungen und Empfängen über Wirtschaftspolitik debattieren, stehen sie vielleicht gerade am Wickeltisch. Die Strukturen in diesem Bereich nachhaltig zu verbessern, ist eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wirtschaft lebt von Vielfalt. So können wir alle nur gewinnen.
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Benjamin Tietjen