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Multimedia-Show und Kundendialog
Riesen-Touchscreens hängen an den Wänden, ein Hersteller lädt Kunden zur 3-D-Achterbahnfahrt durchs Schiff ein, Messeapps weisen den Weg. Digitalisierung sei einer der Top-Messetrends, berichtet Messeberaterin Claudia Bonhoff. Drei Viertel aller Aussteller, die bei dem Messebauunternehmer Jan Bustorff einen Stand in Auftrag geben, verlangen auch digitale Lösungen.
Messestand von Bustorff Messebau für das Unternehmen Bilfinger Constructions
© Andreas Buchwald
Die Messe werde zum Spektakel, schnöde seine Produkte zu zeigen, sei out, sagt Bustorff. Ein Ziel: Kunden durch multimediale Inhalte und Interaktion gewinnen. Andernfalls könnten sie sich Infos auch aus dem Internet holen. Eine Zeit lang sei die Frage aufgetaucht, ob das Web Messen ersetze, erzählt Messeberaterin Bonhoff von der Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein GmbH. Das Gegenteil sei der Fall, Aussteller- und Besuchertrends seien weiter hoch, Deutschland einer der wichtigsten Messeplätze weltweit.
Für einen Kunden hat Unternehmer Bustorff ein "Riesen-iPhone" mit viereinhalb Meter Breite und anderthalb Meter Höhe gebaut, indem er vor sechs rahmenlosen Screens eine Touch-Glasfläche angeordnet hat. Preis inklusive Programmierung: 30.000 bis 50.000 Euro. Trends seien auch Spiegel industrieller Möglichkeiten: "Inzwischen gibt es Bildschirme, die ohne 3-DBrille dreidimensionale Bilder erzeugen - gerade auf Messen ein großer Vorteil."
Jan Bustorff
© Henning Angerer
Exponate, die zeigten, wie eine Filteranlage funktioniere, oder wie eine große Maschine Süßwaren verpackt, seien hilfreich, sagt die Beraterin Bonhoff. "Es sollte jedoch kein Event am Produkt vorbei geschaffen werden." Aussteller seien gut beraten, es nicht zu übertreiben, warnt auch der Messebauunternehmer. "Ich bin ein Freund von Klarheit im reizüberfluteten Messeumfeld." Der Kunde müsse auf einen Blick erkennen: "Wer ist der Anbieter? Was ist die Kernbotschaft?" Dies gelte umso mehr für B2B-Messen, erklärt Bonhoff, wo Besucher sich auf die Produkte konzentrieren wollten. Messebesuche liefen heute effizient ab: Statt zwei bis drei Tagen wie früher sei es heute nur noch einer. Messeapps helfen, Aussteller und Kunden bereits im Vorfeld zusammenzubringen. "Viele Besucher lassen sich von der App eine günstige Termin-Reihenfolge vorschlagen", erklärt Bonhoff.
Gerade weil eine Messe laut und stressig sei, falle ein Messeteam, das die Leute freundlich, aber nicht nervig anspreche, sehr positiv auf, sagt Bonhoff. Ein Messeauftritt ohne gutes Standpersonal sei wie ein Theater mit tollem Bühnenbild, aber schlechten Schauspielern. Das Team müsse auch die Kontakte verwalten - denn Aufträge würden heute selten direkt auf Messen abgeschlossen. "Wenn Mitarbeiter sich nach einer Messe erst dem Tagesgeschäft widmen, verpuffen Kontakte." Zugleich seien Messen eine gute Gelegenheit, bei der Konkurrenz vorbeizuschauen.
Claudia Bonhoff
© WTSH
Kunden zu beraten, die ihren Stand mit Logos "vollkleben" wollten, sei tägliches Geschäft, sagt Bustorff. Doch großzügig gestalteten Flächen und Bereiche trügen zur Orientierung bei und transportierten Emotionen mit weniger und subtileren Bildbotschaften. Kleinteilige Objekte weichen daher riesigen, mit LEDs hinterleuchteten Bildflächen. "Inzwischen können Fotos mit einer Höhe von fünf Metern bei endloser Lauflänge nahtlos gedruckt werden - eben bis die Rolle zu Ende ist." Ein gutes Lichtkonzept sorge für längere Verweildauer: Statt undifferenzierter Lichtdusche sollten Inhalte gezielt ausgeleuchtet werden; in der Beratungsecke dürfe es behaglicher sein. LEDs seien die erste Wahl: stromsparend, mittlerweile auch mit warmer Lichtfarbe und ohne zusätzliche Wärmeentwicklung - gerade letzteres sei Kunden wichtig.
Bustorffs teuerster Stand kostete mehr als eine Dreiviertelmillion. "Einen 08/15-Stand aus Systembausteinen, den wir hier manchmal etwas despektierlich 'Hasenkiste' nennen, kriegt man im Internet zwar schon für 125 Euro - das läuft aber unter dem olympischen Motto: Dabeisein ist alles!" Die wahre Stärke eines Messestands sei aber Individualität. Eine Versicherung könne sich nicht mit einem knallbunten "Trash-Messestand" präsentieren; hier müssten Zuverlässigkeit und Solidität ausgestrahlt werden. Bei Eiscreme hingegen Lebensfreude und Genuss. Für einen Stand von zwölf Quadratmetern sei mit 500 Euro je Quadratmeter und mehr zu kalkulieren. Der Trend gehe dabei zur Anmietung eines Messestands, da Standgröße und -form je Messe oft unterschiedlich seien. Zur Individualisierung tragen Überbauten, Verkleidungen, Drucke, Firmenfarben, Mobiliar und Objekte zur Produktpräsentation bei.
Andrea Scheffler
Veröffentlicht am 2. Januar 2017
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