Kongressstandort Lübeck

Tagungsstadt mit Urlaubsflair

Geschäftsreisetourismus spielt in Lübeck eine immer wichtigere Rolle. Rund 140 Millionen Euro Umsatz brachte der Branchenzweig 2015 in die Hansestadt - ein beträchtlicher Anteil an den 705 Millionen Euro des touristischen Gesamtbruttoumsatzes. Regionale Faktoren, Nachhaltigkeit und die Initiative lübecKongress steigern die Attraktivität des Standortes.
Tourismus in Lübeck boomt. Neben dem Städtetourismus ist auch der Geschäftsreisetourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. So belegt Norddeutschland mit Hamburg den vierten Platz im Ranking deutscher Kongressdestinationen. Vor allem Kongresse aus den Bereichen Medizin und Ernährungsindustrie nehmen aufgrund regionaler Global Player und des Hochschulstandorts Lübeck einen zentralen Platz ein. So erhielt die 27. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik e. V., auf der mehr als 800 internationale Teilnehmer die neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen präsentierten, im November den Titel "kongressBotschafter 2016 der Hansestadt Lübeck".
Wichtige Trends zeichnen sich laut Eike-Christian Fock, Geschäftsstellenleiter der Initiative lübecKongress, in den Bereichen Nachhaltigkeit, Innovation und Digitalisierung ab. Der Hochschulstandort sei durch den Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ein großer Treiber. Die Vorteile Lübecks liegen nach Focks Angaben auf der Hand - etwa die nah beieinanderliegenden Locations wie Hotels oder Veranstaltungsorte, die zentrale Lage an der Altstadt und die Nähe zum Strand. "Die wunderschöne Weltkulturerbe-Kulisse und das Seebadflair sind unglaublich wichtig, viele Teilnehmer verlängern ihren Aufenthalt. Das ist gerade in der Nebensaison eine wichtige Ergänzung zum Urlaubstourismus." Eben dieses Potenzial auszuschöpfen, ist das Anliegen von lübecKongress. Die 1995 gegründete Initiative vereint Tagungskräfte aus ganz Lübeck, um den Standort gemeinsam weiterzuentwickeln. Durch den Zusammenschluss von 34 Partnern bestehend aus Kongresszentren, Hotels und Eventdienstleistern kann Veranstaltungsplanern das breite Leistungsspektrum aus einer Hand angeboten werden. Ihren Partnern bietet die Initiative neben einem einheitlichen Auftritt und gemeinsamen Marketingaktivitäten auch eine Präsentation auf der Homepage an. Für die Akquise überregionaler Kongresse ist die Initiative auf bundesweiten Fachmessen vertreten. Das Ziel: Wiederkehrende Kongresse für Lübeck gewinnen, die mit bis zu 2.000 Personen zur Wertschöpfung beitragen und Lübeck als Kongressstandort noch bekannter machen.
Auch die Musik- und Kongresshalle Lübeck (MuK) ist auf den Wissenschaftsstandort eingestellt. Es besteht eine enge Kooperation mit Hochschulen, Instituten und Wirtschaft. Viele der etwa 80 Kongresse, Tagungen und Veranstaltungen im Jahr sind im Bereich der Medizin- und Lebensmitteltechnologie angesiedelt. 2018 kommen mit dem HNO-Kongress gleich 2.500 Personen in die MuK, die mit dem Konzertsaal, der Rotunde und 15 weiteren Räumen individuelle Lösungen anbietet. Sie ist somit das größte Veranstaltungszentrum am Standort. Nachhaltigkeit ist für das mehrfach zertifizierte Haus ein zentrales Thema: "Es gibt zunehmend mehr Kongresskunden, die bevorzugt in zertifizierten Häusern tagen. Diesen Trend verfolgen wir seit Jahren und haben uns einen überregionalen Namen aufgebaut", sagt Karola Empt, Projektleiterin Kommunikation und Vertrieb. Nachhaltigkeit werde vielfältig gelebt, dazu gehöre der bewusste Umgang mit natürlichen Ressourcen - auf dem Dach leben vier Bienenvölker neben einer Solaranlage, unten steht eine E-Ladesäule. Die Attraktivität der MuK als Veranstaltungszentrum sieht Empt in der zentralen Lage in unmittelbarer Nähe zur historischen Altstadt. Lübeck als Stadt der kurzen Wege sei ein idealer Kongressaustragungsort. So sind Innenstadt, Bahnhof, Hotels und weitere Eventlocations fußläufig zu erreichen. Dies trage zum Gelingen der Veranstaltungen bei und erleichtere die Zusammenarbeit unter den Kooperationspartnern. "Die Vernetzung ist sehr wichtig – so können wir uns gut ergänzen und unsere Stärken bündeln."
Gute 40 Prozent des Umsatzes macht das Holiday Inn Lübeck mit Kongressgästen - Tendenz steigend. Das Tagungsgeschäft steht klar im Fokus des Hotels. Die Anforderungen seien dabei vielfältig: "Wichtig ist, dass wir so viel wie möglich aus einer Hand anbieten können – von den Zimmern über die Betreuung bis zur Organisation von Rahmenprogrammen und Bustransfers. Wir möchten die Planung der Veranstaltung für den Kunden so einfach wie möglich machen", sagt Verkaufsleiter Matthias Bünting. Zwei hauseigene Eventorganisatoren managen dann den Ablauf bis ins kleinste Detail. Bei voller Auslastung tagen bis zu 350 Gäste in den zehn frisch renovierten und mit neuester Technik ausgestatteten Konferenzräumen. Den Aspekt Nachhaltigkeit, der bei Anfragen immer wieder eine Rolle spiele, könne das Hotel dank mehrerer Umwelt- und Konferenzzertifizierungen umfassend abdecken. Seit zwei Jahren setzt das Haus verstärkt auf Catering für bis zu 1.500 Personen, das aus dem hauseigenen Restaurant Kochwerk Lübeck kommt. "So können wir auch Kongressgäste in externen Locations betreuen. Das kommt sehr gut an, die Anfrage hat sich im vergangenen Jahr verdoppelt", erklärt Bünting.
Jana Kürbis, Inhaberin der Eventagentur kürbis & friends, sagt über sich: "Ich bin eine klassische Mehrkämpferin." Die Sportwissenschaftlerin mit Eventausbildung bietet ihren Kunden ein Rundumpaket an - von der Organisation und Sponsorenakquise über die Betreuung der Teilnehmer bis zur Planung und Umsetzung von Catering und Technik sowie von Abendprogrammen. Rund drei bis fünf Kongresse mit bis zu 400 Personen betreut Kürbis, deren Büro mitten im Kongresszentrum media docks liegt, jährlich. Herausforderungen gebe es immer - etwa Liveübertragungen von Operationen bei medizinischen Kongressen oder wenn Dinge mal nicht so laufen, wie geplant. "Da sind Improvisationstalent und Kreativität gefragt", so Kürbis. Hier komme ihr auch das Netzwerk von lübecKongress zugute. "Die Partner sind hier vor Ort verwurzelt, man kann sich auf sie verlassen, auch kurzfristig." Zudem sei die Initiative gerade für sie als kleine Unternehmerin mit einem begrenzten Marketingbudget hilfreich.

Benjamin Tietjen
Veröffentlicht am 2. Januar 2017