Kiebitzreihe: Schiffstechnik

Das Erbe der Meere

Die internationale Schifffahrt: eine Welt der Präzision und Zuverlässigkeit, und gleichzeitig ein oft unterschätzter Industriezweig. „Our mission, your support - for a better shipping“ ist das Motto des Familienunternehmens TX Marine Messsysteme GmbH aus Kiebitzreihe, das als internationaler Leistungsträger in dieser Branche tätig ist. Geschäftsführerin Nadine Paschen weiß, in welches Fahrwasser sie ihr Unternehmen lenken muss, das sie von ihrem Vater dieses Jahr übernehmen wird.
Frau Paschen, in welchem Bereich ist die TX Marine Messsysteme GmbH konkret tätig?
Hauptsächlich sind wir in der Schifffahrt tätig, eine sehr spezialisierte Industrie, hinter der ein riesiges Feld steckt. Denken wir nur mal daran, wie viele Produkte täglich über das Meer transportiert werden! Unser Familienunternehmen gehört zu den führenden Anbietern von Messsystemen und zugehörigen Messgeräte rund um den Schiffsmotor. Das heißt, dass wir über diese Systeme zum Beispiel prüfen, in welchem Zustand sich ein Motor befindet und ob er gewartet werden muss. In erster Linie verkaufen wir Messgeräte, unterstützen aber auch die Kunden, wenn sie Bedarf haben. Zu diesen Produkten gehört die Wellenleistungsmessanlage, die wir selbst entwickeln und mit Partnern bauen, aber auch das Indiziergerät, um den Verbrennungsablauf des Motors zu messen und zu beurteilen. Neu und abrundend für unser Portfolio in diesem Bereich ist das Vibrationsmonitoring.
In anderen Fällen werden wir gebucht, um Messungen direkt an Bord durchzuführen. Diese Dienstleistungen bauen wir für die Industrie, das heißt an Land, aus. Als Beispiel: Für die Stadtwerke Husum konnten wir Abwasserpumpen mit Messtechnik ausstatten und mit Hilfe der Vibrationsmessung prüfen, ob z.B Steine oder ähnliches in der Pumpe befindet. So können Industrieunternehmen vorausschauende Wartungen vornehmen, Ressourcen besser planen und dadurch Kosten sparen.
Wir haben in einem Team von nur acht Personen eine Nische in der Schifffahrtsbranche entdeckt, in der weltweit nur wenige Unternehmen – einschließlich uns – aktiv sind. Wenn ein Kunde einen Schweißer in Namibia sucht, besorge ich jemanden, das ist unser Anspruch an unser Netzwerk.
TX Marine Messsysteme-55
Sie werden das Unternehmen Ihres Vaters weiterführen. Was hat Sie zu dieser Übernahme bewogen?
Mein Vater arbeitet lange bei einem ehemaligen Wettbewerber als Prokurist und Head of Sales. Bei Integrierung von weiteren Familienmitgliedern in die Führungsebene gingen die Meinungen leider auseinander, mein Vater verlies die Firma und gründete seine eigene Firma. Wir beide hatten schon immer Lust, zusammen ein Unternehmen zu führen. Eigentlich bin ich gelernte pharmazeutisch-technische Assistentin, habe dort nicht meine Zukunft gesehen und online Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Zum Ende des Studiums bin ich in unser Unternehmen gekommen. Ich fand es immer toll, dass mein Vater durch die Weltgeschichte flog, um mit Kunden zu arbeiten. Und dann konnte ich selbst genau das machen! Ich habe unsere Kunden in der ganzen Welt betreut, Messsysteme installiert, unser Netzwerk ausgebaut. Das Reisen ist jetzt etwas weniger geworden, denn ich bin 2020 inmitten der Pandemie Mutter geworden. Heute arbeitet mein Vater im Unternehmen an speziellen Projekten, wie der Produktentwicklung, und ich führe das Unternehmen. Eine Umstellung, die nicht so leicht war, weil es lange dauerte, bis ich mich aus seinem Schatten herausbewegen konnte: Er war ewig in der Branche unterwegs und hatte sich etabliert, ich dagegen musste mich noch beweisen. Ich war immer sehr fleißig und weltweit auf Service, aber mir fehlte meine eigener Weg als Unternehmerin. Mein Vater hielt die schützende Hand noch über mich. Das ist jetzt anders.
Was für eine Unternehmerin sind Sie denn heute?
Mir hat das Mentoring Programm über das WISTA Germany-Netzwerk (Women in Shipping and Trading Association, Anm.d.R) geholfen, um herauszufinden, welche Unternehmerin ich sein will und wie ich die Unternehmensnachfolge im Gespann Vater-Tochter gestalten kann. Das hat bei mir einen Schalter umgelegt – plötzlich war ich anders, plötzlich war ich Unternehmerin. Ich habe gelernt, eigene Entscheidungen zu treffen, Gegenvorschläge zu finden und meine Vorstellung davon, wohin sich unser Unternehmen für eine gute Zukunft entwickeln muss, zu formulieren. Grundsätzlich bin ich unglaublich vielseitig, und das macht mir Freude. Mein Gehirn braucht es, komplexe Sachverhalte zu bearbeiten, gleichzeitig an der Homepage zu basteln, einen Flyer zu erstellen und dann in der Werkstatt zu tüfteln. Das heißt aber auch, dass ich mich zwingen muss, Aufgaben zu beenden, bevor ich tausend neue Dinge anstoße. Auch das gezielte Führen lerne ich noch, denn für mich sind alle meine Mitarbeiter meine Familie, auch wenn wir nicht verwandt sind. Ich bin die Jüngste – und da meine Ideen und Wünsche klar als Anweisungen zu formulieren, ist nicht leicht. Und um den Fokus beizubehalten, dabei hilft mir mein Netzwerk, meine Familie und auch mein privates Ehrenamt.
Welche Herausforderungen haben Sie als Unternehmerin in Ihrer Branche, auch insbesondere nachdem Sie das Unternehmen übernehmen werden?
Während der Pandemie hatten wir natürlich eine harte Phase, da haben mein Vater, meine Mutter und ich sehr eng zusammengearbeitet, um unser Unternehmen über Wasser zu halten. Durch die Einführung von Trainingsvideos während dieser Zeit ermöglichten wir es unseren Kunden, ihre Anlagen selbst zu installieren, was enorme Reisekosten sparte – wobei das Reisen während der Pandemie sowieso kaum möglich war – und gleichzeitig die Bindung zu den Kunden stärkte.
Wir haben den Renteneintritt meines Vaters fast vier Jahre hingezogen, um auf Sicherheit zu spielen, nun kann er sich wirklich trennen. Der Wissenstransfer ist vor diesem Hintergrund enorm wichtig: Ich möchte so viel wie möglich festhalten von seinem Wissen, was aber im Arbeitsalltag oft untergeht. Deswegen schreibt er viele Anweisungen auf und übergibt sie mir und meinem Kollegen, der seit zwei Jahren neu dabei ist. Gleichzeitig bin ich oft gefangen in der Administration, in Projektzertifizierungen, der Buchhaltung… auf meinen Schultern lastet viel und ich kann noch lange nicht so agieren, wie ich es geplant habe. Trotzdem optimiere ich unser kleines Unternehmen wo ich kann und finde neue Kooperationen, um das Netzwerk weltweit zu vergrößern oder auch andere Branchen abzudecken. Nur so können wir langfristig expandieren.
Das alles ist mit einem dreijährigen Sohn nicht leicht – vor allem, weil ich am liebsten noch viel mehr erreichen möchte.
Wie gehen Sie mit den technologischen Entwicklungen in Ihrer Branche um und wie bleiben Sie wettbewerbsfähig?
In unserer Branche müssen wir persönliche Kontakte in den Mittelpunkt stellen, denn in der Schifffahrtswelt spricht sich alles schnell herum – vor allem das, was schiefläuft. Im Vergleich zu Anbietern, die nur Produkte vertreiben wollen, also Hardsellern, stehen wir immer – und ich meine zu jeder Tages- und Nachtzeit – für unsere Kunden bereit, sei es z.B. per WhatsApp oder WeChat für chinesische Kunden. Die Schifffahrt hat kein Wochenende. Ja, man wählt auch, dass man wenig frei hat, aber ich bin gerne an einem Samstag oder Sonntag erreichbar, wenn ich dann eine Lösung anbieten und dem Personal an Bord helfen kann. Es fordert sehr viel Eigenverantwortung und Arbeitsmoral. Leider kommen auch deswegen immer weniger Nachwuchskräfte in handwerksähnliche Berufe wie unsere. Dabei ist so viel Bewegung in der Branche, die wir mitgestalten wollen.
Ich benötige dafür aber deutlich mehr Budget und Personal, um unser Potenzial voll ausschöpfen zu können. Deswegen würde ich gerne einen Geschäftspartner an der Firma beteiligen.
Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Unternehmens und welche Ziele haben Sie langfristig?
Sichtbarkeit ist für uns das Wichtigste. Unsere neuen Messtechniken wollen wir vermehrt in anderen Industriezweigen einbringen, um Kunden bewusst zu machen, dass Messungen nicht störend sind, sondern hilfreich in der vorausschauenden Wartung. So helfen wir auch, Stillstände in Produktionen zu vermeiden. Ein großes Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie beispielsweise hat das verstanden und nutzt unsere Messgeräte, um digital ablesen zu können, wie der Zustand ihrer Anlagen ist.
Mit unseren Dienstleistungen will ich uns ebenfalls breiter am Markt aufstellen, damit wir flexibler werden und planbare Serviceverträge in Schleswig-Holstein und Hamburg haben. International bleiben wir stark: Partnerschaften führen wir zum Beispiel in der Türkei, in Südkorea, China und Zypern, die Verbindung in die Vereinigten Arabischen Emirate wird derzeit diskutiert. Kurzum: Wenn Kunden an Messsysteme denken, sollen sie an uns denken, egal wo auf der Welt.
Welchen Rat würden Sie anderen Frauen geben, die daran interessiert sind, in der Unternehmensführung oder in technischen Branchen Fuß zu fassen?
Man muss nicht studiert haben, um in einem Beruf erfolgreich zu sein, und man muss nach der Schule nicht sofort wissen, was man tun möchte. Ich habe erst mit 30 Jahren angefangen, mich umzuorientieren und würde es jederzeit wieder tun, weil ich so viel von der Welt gesehen habe.
Entscheidend ist das richtige Netzwerk, für mich beispielsweise WISTA oder die Wirtschaftsjunioren der IHK. Mit einem Netzwerk im Rücken kann man sich finden und sich auch als kleine Firma, wie meine sie ist, positionieren.
Autorin: Julia Romanowski
Veröffentlicht: Mai 2024
Dienste des Unternehmens gesucht? Offshore und Onshore