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Schleswig-Holstein räumt das Meer auf
Seit fast 80 Jahren liegen in Nord- und Ostsee 1,6 Millionen Tonnen Altmunition. Seit einigen Wochen wissen wir: diese kann sicher geborgen werden. Was wir außerdem wissen: Der Bergungsprozess wird aufwendig, länger dauern und braucht eine verlässliche Finanzierung.
Alternativen zur Bergung gibt es nicht wirklich. Wissenschaftliche Erkenntnisse des Toxikologischen Instituts des UK.SH und des GEOMAR zeigen auf, dass die Munition sich verändert. Die schützende Außenhülle rostet und zunehmend kommen z. B. TNT und seine Umwandlungsprodukte in die marine Umwelt. Auch wenn aktuell noch keine Gefahr für den Verzehr von Muscheln und Fischen besteht, so ist doch erkennbar, dass die Konzentrationen steigen und für die Lebewesen der gesundheitlicher Stress zunimmt. Hinzu kommt, dass durch die Zersetzung der Munition das Risiko steigt, dass Teile an Land - an unsere Strände - gespült werden. Für Schleswig-Holstein als Tourismusland keine schöne Vorstellung.
Daher ist wichtig, dass jetzt gehandelt wird. Der Bund hat reagiert und ein Sofortprogramm in Höhe von 100 Millionen Euro aufgesetzt. Dieses soll dafür genutzt werden, erste Erkenntnisse einer flächenhaften Bergung zu gewinnen (bisher wird Munition nur bei Gefahr punktuell geborgen) und eine Plattform zu entwickeln, damit die geborgene Munition direkt auf See verbrannt werden kann. Die Pilotbergungen haben im Spätsommer 2024 in der Lübecker Bucht begonnen und erste wichtige Erkenntnisse gebracht: flächendeckende Bergung ist in der Ostsee heute schon möglich; die geborgene Munition ist in unterschiedlichem Zustand und die Bewertung teilweise aufwendig; ein Transport nicht unbedingt zu empfehlen; der Genehmigungsrahmen passt noch nicht zur flächendeckenden Bergung. Letzterer wird mit den Erkenntnissen der letzten Wochen jetzt Stück für Stück angepasst.
Die Ausschreibung für die Plattform ist Ende August gestartet. Vom Projektträger ist zu erfahren, dass es reges Interesse gibt. Die Vergabe ist für Ende des ersten Halbjahres 2025 geplant. Das Projekt ist als Innovationspartnerschaft geplant: das Unternehmen/die Unternehmensgruppe werden die Plattform in enger Zusammenarbeit mit dem Projektträger entwickeln und bauen. Dieses Vorgehen ermöglicht ein zielgerichtetes Vorgehen für den Bau dieser Plattform, die es in dieser Art weltweit bisher nicht gibt. Sie wird nach Fertigstellung dafür sorgen, dass unnötige Transportwege entfallen und die Verarbeitungsschritte reduziert werden.
Das Thema ist für Schleswig-Holstein von großer Bedeutung. Tourismus und Fischerei auf der einen Seite und die Industrie auf der anderen Seite haben großes Interesse an der Bergung. Um die Sichtbarkeit zu erhöhen, gleichzeitig Wissen weiter zu bündeln und auch zukünftig die passenden Fachkräfte im Land zu haben, wurde in Schleswig-Holstein Anfang Oktober MUNIMAR gegründet, das neue Kompetenzzentrum für Munitionsaltlasten im Meer. Die IHK Schleswig-Holstein, das Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur und GEOMAR haben das Zentrum auf den Weg gebracht und wollen es gemeinsam mit weiteren Partnern entwickeln.
Kontakt
Dr. Sabine Schulz