Sport im Norden

Vorteil Schleswig-Holstein


Niemand zweifelt daran, wie wichtig Sport für Gesellschaft, Gesundheit und Integration ist. Dass der Sport zu den tragenden Säulen der Wirtschaft in unserem Bundesland zählt, war aber bisher nicht bekannt. Eine Studie der IHK Schleswig-Holstein und des Landessportverbands Schleswig-Holstein (LSV) belegt dies erstmals.
Hätte bislang jemand behauptet, der Sport im Norden habe eine mindestens ebenso große wirtschaftliche Bedeutung wie die maritime Branche oder der Tourismus - er wäre wahrscheinlich belächelt worden. Doch mit der Studie "Wert des Sports in Schleswig-Holstein" liegen nun erstmals belastbare Zahlen vor. Die Studie von Professor Jens Flatau und Finja Rohkohl vom Institut für Sportwissenschaft (ISW) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel haben IHK und LSV im November 2017 dem schleswig-holsteinischen Sportminister Hans-Joachim Grote übergeben. Sie kann auf der Homepage des Landessportverbands eingesehen und heruntergeladen werden.
Allein die drei wesentlichen Eckwerte überraschen positiv. Demnach werden im Sportsektor fünf Milliarden Euro jährlich umgesetzt, 250 Millionen Euro Steuereinnahmen erzielt und 45.000 sozialversicherungspflichtige Erwerbstätige beschäftigt. "Die nun vorliegenden Zahlen belegen eindrucksvoll, dass der Sport in Schleswig-Holstein weit mehr als ein nettes Freizeitvergnügen ist. Neben seiner hohen gesellschaftlichen Gestaltungsfunktion repräsentiert er auch einen bedeutenden und dynamisch wachsenden Wirtschaftszweig in unserem Land", betonen Friederike C. Kühn, Präsidentin der IHK Schleswig-Holstein, und LSV-Präsident Hans-Jakob Tiessen. Finanzielle Mittel für den Sport seien hochrentable Investitionen in die Gesellschaft und den Standort Schleswig- Holstein - "und so sollten sie auch bewertet werden". Ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Rendite übertreffe die anderer Ausgabenbereiche bei weitem.
Sportartikel boomen
Da der Sport ökonomisch betrachtet eine Querschnittsbranche sei, ergebe sich der Umsatz aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen, erklärt Flatau. Darunter fallen in erster Linie Sportartikelproduktion und -handel, Sportanlagenbau sowie Sportdienstleistungen. Der Umsatz in diesem Sektor belaufe sich auf fünf Milliarden Euro, was gut 2,8 Prozent des gesamten Umsatzes der schleswig-holsteinischen Privatwirtschaft entspreche. "Da in der zugrunde liegenden Statistik weder der öffentliche Sektor noch das Handwerk oder freie Berufe enthalten sind, liegt der tatsächliche Wert noch höher", gibt der Leiter der Sportökonomie am ISW zu bedenken. Der mit 52,1 Prozent größte Anteil des Sportumsatzes betrifft laut Studie den Handel mit Sportartikeln wie Bekleidung, Nahrungsergänzungsmitteln oder Fahrrädern. Weitere 11,5 Prozent umfassen die Produktion, darunter der Bootsund Jachtbau an der Spitze.
Im Wirtschaftszweig Kunst, Unterhaltung und Erholung (8,1 Prozent) ist laut Flatau auch der Kernbereich der Sportwirtschaft enthalten, nämlich der Betrieb von Sportanlagen und das Sportangebot von Vereinen und kommerziellen Anbietern. Die größte Rolle spielen dabei die rund 2.600 Sportvereine im nördlichsten Bundesland mit 774.000 Mitgliedern. Außerdem halten sich etwa 311.000 Schleswig-Holsteiner fit, indem sie in Fitness- oder Gesundheitseinrichtungen trainieren. Der Sportanlagenbau mit 163 Millionen Euro Umsatz gehört ebenso zu den wichtigen Wirtschaftszweigen. Die Anlagen müssen als infrastrukturelle Voraussetzung für die Ausübung der meisten Sportarten, speziell für Wettkämpfe, bestimmten Normen entsprechen. Dafür müssen die landesweit 3.808 Sportanlagen laufend instand gehalten, erweitert oder erneuert werden. Dazu gehört die Errichtung von Schwimmund Sporthallen sowie von Sportlerheimen und Zuschauertribünen, etwa in Stadien, so Flatau.
Umsatzmotor Sportevents
Die Sportveranstaltungen im Land haben zudem enorme Effekte: "Rund 118 Millionen Euro Folgekonsum entstehen im Umfeld von Sportevents. Dabei belaufen sich allein die geschätzten Umsätze der zehn größten Sportveranstaltungen in Schleswig-Holstein auf etwa 100 Millionen Euro", so Flatau. Hier liegen die Kieler Woche mit 60,7 Millionen Euro und die Travemünder Woche mit 20,7 Millionen Euro an der Spitze. Hinzu kommen die Einnahmen im Umfeld der Heimspiele der fünf bedeutendsten Fußball- und Handballmannschaften in Höhe von 16,7 Millionen Euro. Da in den Sportvereinen größtenteils ehrenamtliche Arbeit geleistet werde, müssten die sogenannten Arbeitsspenden entsprechend in einen Gegenwert umgerechnet werden, führt Professor Flatau aus. Diese Arbeit, die mehr als 170.000 Menschen in Sportvereinen und -verbänden freiwillig leisten, entspricht demnach rund 183 Millionen Euro. Überraschend sind die Zahlen für den Arbeitsmarkt: Hier erreicht der Sport mit rund 45.000 sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen (4,9 Prozent des Arbeitsmarkts) eine größere Bedeutung als die maritime Wirtschaft (rund 42.000 und 4,6 Prozent).
Der Wert des Sports lasse sich zudem an den Steuereinnahmen ablesen, erklärt Flatau. Diese Einnahmen umfassen (gemäß der sogenannten weiten Vilnius-Definition des Sports) fast 250 Millionen Euro. Das entspreche 3,2 Prozent der gesamten Steuereinnahmen Schleswig-Holsteins. Damit überträfen die sportbedingten Steuereinnahmen die der Tourismuswirtschaft des Landes, sagte Flatau. Der Großteil der Einnahmen komme von den Betrieben und Mitarbeitern der Wirtschaftszweige Handel, verarbeitendes Gewerbe und Gastgewerbe. Mit der Studie haben Landessportverband Schleswig-Holstein und IHK Schleswig-Holstein Neuland betreten, betonen IHK-Präsidentin Kühn und LSV-Präsident Tiessen. Es werde nun Aufgabe sein, gemeinsam mit der Politik ein erweitertes Bewusstsein im Umgang mit dem Sport zu entwickeln - auch für die unterschiedlichen Facetten der Wirtschaftspolitik. "Der Ausbau der Kontakte und Kooperationen stärkt dabei nicht nur das Wirken der Akteure im Sport." Dies sei ein weiterer Baustein, um der wirtschaftlichen Entwicklung in Schleswig-Holstein zusätzliche Wachstumsimpulse zu verleihen.
Joachim Welding
Veröffentlicht am 5. Juni 2018