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Ein Leben für die Manege
Einen ganzen Monat lang gastierte der Circus Roncalli in Lübeck und lockte im August Touristen und Einheimische gleichermaßen ins Zirkuszelt direkt neben dem Holstentor. Mit dabei war auch die Artistin Maria Sarach. Doch wie sieht eigentlich der Arbeitsalltag einer Weltklasse-Zirkusartistin aus?
© IHK/Tietjen
Um 23 Uhr fällt die Anspannung des Tages langsam ab. Zwei körperlich anspruchsvolle Shows hat Maria Sarach jetzt hinter sich, jeweils am Nachmittag und Abend zeigte die geborene Russin eine Mischung aus Handstandakrobatik und Kontorsion, interpretiert im Farbenspiel der niederländischen Malerikone Piet Mondrian. Lange Zeit zum Durchatmen hat sie allerdings nicht. Kurz nach 9 Uhr am nächsten Morgen bringt Sarach ihre 10-jährige Tochter in die zirkuseigene Schule, die in einem der vielen Wohnwagen auf dem Zirkusgelände untergebracht ist. Den Vormittag hat die Artistin nun Zeit, sich ihrem Training zu widmen, bevor um 14 Uhr bereits wieder das Warm-up der nächsten Show ansteht. Ein eigenes konzipiertes Fitnesstraining beugt Verletzungen vor, die bei dem extremen Verbiegen, Dehnungen und Handständen während der Show leicht passieren können.
Mit dem Zirkus ist Maria Sarach früh in Berührung gekommen. Ihre Eltern waren ebenso berühmte Artisten, ihr Vater konzipierte als studierter Ingenieur Zirkus-Acts in technischer Präzession, die sogar den Weg ins Guinness-Buch der Rekorde fanden. Mit 14 Jahren kam dann der Entschluss ebenso eine Karriere in der Manege zu beginnen. Heute reist sie zusammen mit ihrer Tochter und dem Roncalli-Ensemble jeden Monat in eine andere Stadt.
„Mit der Körpersprache Geschichten erzählen, die die Grenzen von Religionen und Nationalitäten überwinden, das macht für mich den Reiz des Berufs aus. Für mich ist Zirkus ein geradezu magischer Ort, der viel positive Energie generiert und bündelt“, sagt Sarach. Die Perfomance im Mondrian-Stil, mit der sie momentan bei Roncalli auftritt, hat sie zusammen mit dem italienischen Direktor und Choreografen Giulio Scatola selbst konzipiert. Denn um das Publikum in den Bann zu ziehen, muss sich das Innere des Künstlers in der Perfomance ausdrücken, sagt sie.
Sobald die Tournee der Circus Roncalli GmbH pausiert, ist Sarach als freiberufliche Künstlerin unterwegs – bewirbt sich bei Producern anderer Produktionen oder Theaterhäuser, regelt ihre Finanzen sowie Dokumente am Schreibtisch, oder arbeitet neue Darbietungen aus. „Jeder Zirkuskünstler ist ein eigenes kleines Unternehmen in sich“, sagt Sarach.
Obwohl ihre Mutter noch mit 48 Jahren als Akrobatin aktiv war, hat Maria Sarach für ihre späteren Berufsjahre bereits einen Plan B: „Entweder werde ich zum Beispiel als Trainerin oder Choreografin der Manege treu bleiben oder als Übersetzerin arbeiten“, so Sarach, die bereits ein Deutschstudium in der Tasche hat.
Benjamin Tietjen
August 2023
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Benjamin Tietjen