Hansebelt: Wirtschaftsfaktor Pferd

Sattelfeste Wirtschaft

Ob Reitschule, Pferdesporthandel oder Islandpferdehof – in der Region begeistern familiengeführte Unternehmen mit Angeboten rund um die beliebten Vierbeiner. Das IHK-Magazin hat sich vier Geschäftsmodelle angeschaut.
Für einen gut sitzenden Reitsattel fahren Pferdeliebhaber auch schon mal durch halb Norddeutschland. So zum Beispiel nach Tensfeld im Kreis Segeberg. Im Zentrum der beschaulichen Gemeinde sitzt die Reitsport Dohm Sattlerei und Polsterei OHG, seit mehr als 90 Jahren eine feste Adresse für hochwertigen Reitsportbedarf. Die Kunden wissen das Angebot zu schätzen, kommen aus allen Ecken Schleswig-Holsteins und aus Hamburg angereist. Der traditionsreiche Reitsporthandel ist aus einer Sattlerei hervorgegangen, die Firmengründer Erich Dohm 1929 aufgebaut hatte. Und auch heute ist die Sattlerei mit zu- gehöriger Werkstatt das Aushängeschild des Unternehmens.
Joachim Dohm (links) und Norbert Dohm
„In unserer Werkstatt können wir einen Sattel individuell und passgenau an Pferd und Reiter anpassen. Das ist ein anspruchsvoller Vorgang, der viel Wissen und hand- werkliches Geschick erfordert“, erklärt Norbert Dohm, der mit seinem Bruder Joachim Dohm das Unternehmen führt. Daneben fahren die Brüder auch über Landesgrenzen hinaus zu ihren Kunden, um Sättel direkt im Stall an Pferderücken anzupassen. In der hauseigenen Werkstatt übernehmen die Dohms zudem Reparaturen an Lederwaren wie Sätteln, Trensenzäumen und Reitstiefeln oder arbeiten gebrauchte Reitsättel auf und nehmen sie in den Wiederverkauf – bei den hochwertigen Produkten ein gut laufendes Geschäftsmodell.
Außerhalb der Werkstatt liegt das Hauptaugenmerk auf den Verkauf von Pferdesportzubehör. Erst 2020 verdoppelte das Familienunternehmen die Ladenfläche von 400 auf 800 Quadratmeter – eine große Investition, die der Betrieb lange kalkuliert hatte. „Als stationärer Handel müssen wir die Ware vorrätig haben und attraktiv präsentieren, dafür brauchten wir mehr Fläche. Unsere Kunden wollen die Produkte vor Ort erleben und anprobieren. Das ist im Reitsport noch traditioneller und familiärer als in anderen Handelsgeschäften“, sagt Joachim Dohm. In den vergangenen Jahren sei das Thema Sicherheit ein steigender Verkaufsfaktor geworden, Helme in allen Variationen sowie Sicherheitswesten gehörten mittlerweile zu den Bestsellern. Daneben gäben viele Kunden auch Geld für hochwertige Reiteroutfits aus, berichten die Dohms. Ein weiterer Grund für die Modernisierung der Ladenfläche und das Aufsetzen eines Onlineshops sei der Generationsgedanke: „Meine Tochter möchte das Geschäft eines Tages übernehmen. Da- für wollten wir das Unternehmen auf ein stabiles Fundament stellen“, sagt Norbert Dohm.
Ausbildungskonzept für Pferd und Mensch
Die Leichtigkeit im Umgang mit Pferden zurückgewinnen: Das möchte Reitlehrerin und Pferdeverhaltenstherapeutin Julia Neßler im Pferdesport wieder etablieren. Mit ihrem Ausbildungskonzept Pferde-stärken arbeitet sie mit ihren Kunden daran, die Kommunikation zwischen Mensch und Pferd zu verbessern. Dabei komme es vor allem auf Achtsamkeit und einen ganzheitlichen Ansatz im Umgang mit den Tieren an. Neßler ist mit ihrem Ausbildungszent-rum viel in Ostholstein unterwegs, kommt dorthin, wo sie Pferd und Besitzer vor Ort individuell helfen kann.
„Die Pferdegesundheit fußt auf einer ganzheitlichen Betreuung, auch die Themen Fütterung, Stallhaltung und Verhaltenstherapie spielen eine Rolle“, erklärt sie. Aktuell ist Neßler dabei, mit ihrer Geschäftspartnerin Nina Petryk ein Schulungszentrum für Mensch und Pferd mit zugehöriger Reit- schule und eigenen Lehrpferden aufzubauen. Dabei ist es Neßler wichtig, den achtsamen Umgang mit den Tieren zu lehren – auch weil es in den vergangenen Jahren häufig zu Negativbeispielen in der Branche und im Pferdesport gekommen sei.
Der Standort Ostholstein sei für ein Pferd-Mensch- Ausbildungszentrum ideal, meinen die beiden Pferdeexpertinnen: Neben vielen Hobbyreitern aus dem Hamburger Umland gehören Urlauber zu ihrem festen Kundenkreis, außerdem gibt es viele alteingesessene Höfe, häufig mit eigener Pferdezucht. Eine steigende Nachfrage erlebt das Duo nach Kursen speziell für Manager, Führungskräfte oder Frauen. „Gerade Führungskräfte profitieren von dem Coaching. Pferde geben Menschen eine direkte Rückmeldung, haben keine Emotionen wie Stolz oder Wut. Viele Chefs werden so für einen achtsamen Führungsstil sensibilisiert, was nach dem Kurs auch im Umgang mit Menschen hilft“, erklärt Petryk.
Erlebnis Reiterferien
Ein Hauch von Bullerbü liegt in der Luft. Jan Deicke geht ausgelassen über den Islandpferdehof Hochfeldhufe in Schönwalde. Er und seine Frau Teresa führen den Hof seit mehr als 14 Jahren. Der Hof ist eine Institution – weit über die Grenzen Ostholsteins hinaus. Gegründet hatten den Hof seine Eltern. Bereits seit 1973 verbringen Kinder auf dem Islandpferdehof ihre Reiterferien und erleben hier eine Woche voller Natur, Islandpferde und Gemeinsamkeit.
„Unser Angebot der Ferienbetreuung ist in Schleswig-Holstein mittlerweile einmalig. Die Kinder lernen den Umgang mit Pferden und Verantwortung zu übernehmen“, sagt er. So habe sich das Geschäftsmodell in den vergangenen 50 Jahren kaum verändert. Deicke ist gelernter Kameramann, ist viel in der Welt herumgekommen und war immer auf der Suche nach dem perfekten Ort. Als seine Eltern Anne und Ulli Deicke den Hof im Jahr 2010 verkaufen wollten, zögerte er nicht lange und übernahm den Betrieb, zu dem auch eine Reitschule und eine Pferdepension gehören. Bereut hat Deicke die Entscheidung nie. Mit der Übernahme von Hochfeldhufe sei er angekommen, sagt er. Aber auch heute noch sind seine Eltern auf dem Hof unverzichtbar. In den liebevoll eingerichteten Unterkünften können bis zu 28 Kinder eine Woche lang Ferienspaß erleben. Teresa Deicke ist Pferdewirtin und vermittelt den Kindern in den Reitstunden viel Wissen über die Islandpferde, während sich Jan Deicke auch um die landwirtschaftlichen Aufgaben kümmert.
„Wir haben das Ziel, den Kindern die beste Woche des Jahres zu ermöglichen“, sagt Deicke. Mit Erfolg: Die Plätze für die einwöchigen Reiterferien sind oft bereits im Vorjahr ausgebucht. Die Begeisterung tragen die Kinder mit nach Hause: „Mittlerweile buchen auch die Eltern Wochenendkurse bei uns, um auch einmal das Erlebnis Bullerbü kennenzulernen.“
Faszination Islandpferd
Die Begeisterung für die kompakten Pferde aus dem hohen Norden begleitet Marina Müller von Blumencron bereits seit ihrer frühen Kindheit. Inzwischen hat die gelernte Immobilienkauffrau ihr Hobby zum Beruf im Nebenerwerb gemacht. In Schulendorf bei Büchen führt sie mit ihren zwei Brüdern den Islandpferdehof Blumencron. Den Hof hat die Unternehmerin gleich auf mehrere Standbeine gestellt – neben einer Pferdepension stehen vor allem die Zucht und das Reittraining im Mittelpunkt. Von den 110 Pferden auf dem Hof sind rund 50 Pferde von Freizeitreitern in der Pension untergebracht. Viele der Pferdeliebhaber kommen aus dem Hamburger Umland und wissen die Pflege und Versorgung ihrer Tiere auf dem Hof zu schätzen.
„Unsere Kunden nutzen die Zeit mit ihren Pferden zum Entspannen und Abschalten nach einem langen Arbeits- tag. Wir merken, dass dieses Bedürfnis in den vergangenen Jahren – wohl auch aufgrund der internationalen Krisen – gewachsen ist“, so Blumencron. Oftmals nehmen die Pferdebesitzer auf dem Hof auch Unterricht. „Das Ange- bot geht oft Hand in Hand mit der Pension, da viele ihre Reitfähigkeiten oder ihre Beziehung zu den Tieren weiterentwickeln wollen“, berichtet Blumencron, die als Trainerin vom Islandpferde-Reiter- und Züchterverband zertifiziert ist. Auch die an der Reitanlage gelegenen Ferienwohnungen werden häufig für Reiturlaube gebucht.
Einen großen Stellenwert nimmt bei den drei Geschwistern die Islandpferdezucht ein. Die Tiere mit nordischen Namen wie Töfri oder Lukku-Láki werden ab dem fünften Lebensjahr von den Blumencrons zum Verkauf angeboten – ab 11.000 Euro aufwärts. Blumencron: „Islandpferde sind vor allem aufgrund ihres sanftmütigen Wesens und der Gangart Tölt sehr beliebt.“
Benjamin Tietjen
Oktober 2024