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Innovationen für den Weltmarkt
Das produzierende Gewerbe in Schleswig-Holstein ist in Bewegung: Starke Industriebranchen trumpfen mit Weltmarktführern und hohen Exporten auf, während wichtige Zukunftsbranchen stetig wachsen. Wie vielfältig der Wirtschaftsmotor Schleswig-Holsteins ist, zeigen drei Unternehmen mit ganz unterschiedlichen Geschichten.
Ein Gisma-Mitarbeiter zieht die Schrauben eines Steckers von einem hydraulischen Hammer fest.
© Gisma Steckverbinder GmbH
Die Industrie in Schleswig-Holstein wächst: Diese frohe Botschaft hat das Statistikamt Nord erst kürzlich im November 2017 mit frischen Zahlen verkündet. Der Umsatz der größeren Industriebetriebe im Land ist in den ersten drei Quartalen 2017 im Vergleich zu 2016 um neun Prozent auf 25,2 Milliarden Euro gestiegen. Eine Exportquote von 41 Prozent und Auslandsumsätze von 10,3 Milliarden Euro (plus vier Prozent) zeigen, wie gefragt die Produkte aus dem echten Norden weltweit sind. Auch wenn der hiesigen Industrie im Vergleich zur restlichen Republik eine geringere Bedeutung zukommt, sorgen ein starker Mix aus herausragenden Zukunftsbranchen und leistungsstarken Basisbranchen sowie 107.100 Beschäftigte für gute Wachstumsperspektiven. "Unsere Industriebetriebe schaffen und sichern Arbeitsplätze, sie sorgen für Wertschöpfung und Wirtschaftswachstum, und sie stehen für Stabilität und Innovation", sagt Dr. Martin Kruse, Federführer der IHK Schleswig-Holstein für Industrie, Umwelt und Rohstoffe. "Der Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein verfügt über starke Branchen wie Ernährungswirtschaft, Maschinenbau, chemische und pharmazeutische Industrie, maritime Wirtschaft, Energiewirtschaft sowie Medizintechnik. Mit seinen gut ausgebildeten und motivierten Fachkräften und seiner Hochschul- und Forschungslandschaft bietet der Standort hervorragende Rahmenbedingungen." Doch wer steht eigentlich hinter den Zahlen? Ganze 98 Prozent der schleswig-holsteinischen Industrie gehören dem Mittelstand an.
Ein international agierender Mittelständler ist die Gisma Steckverbinder GmbH aus Neumünster. Das Unternehmen gehört innerhalb der heterogenen maritimen Wirtschaft zum zweitstärksten Bereich der Meerestechnik/Schiffbauzulieferer - hinter der Schifffahrt und gefolgt vom Schiffbau. Der Weltmarktführer produziert in dieser Zukunftsbranche gleich für vier Marktsegmente Steckverbindungen, die unter Wasser etwa wichtige Daten- und Leistungsübertragungen ermöglichen. Unter den Segmenten erneuerbare Energien, Industrietechnik und U-Boote seien die Steckverbinder für die Öl- und Gasförderung das innovationsstärkste, sagt Managing Director Tobias Frerck. "Das sind Steckverbindungen für Kontrolleinheiten, die bei der autonomen Ölförderung zur Anwendung kommen." Die verschiedenen Einsatzgebiete stellen laut Frerck höchste Anforderungen an die Stecker. Ölgefüllte und druckausgeglichene sowie unter Wasser nass steckbare Verbindungssysteme werden aus hochwertigen Materialien mit hochmodernen und präzisen CNC-Maschinen gefertigt und ermöglichen Einsatztiefen von bis zu 10.000 Meter. Dank diesem Know-how erreiche das Unternehmen eine Exportquote von 80 Prozent. Zu den langjährigen Kunden gehöre auch die ThyssenKrupp-Werft in Kiel. Wichtig für das internationale Geschäft sei ein partnerschaftlicher Umgang mit den Kunden, betont Frerck. "Zudem setzen wir auf eine Doppelstrategie: Neben standardisierten Steckern fertigen wir auch individuelle Lösungen an, um neue Anforderungsprofile zu erfüllen. Dafür haben wir unter unseren 68 Mitarbeitern elf Ingenieure, die alle Lösungen selbst entwerfen", sagt Frerck.
Funktionalität
Geschäftsführer Sven Andersen mit einem Unus Shopper Hava
© Günter Andersen Shopper Manufaktur
Für "Made in Schleswig- Holstein" par excellence steht die Günter Andersen Shopper Manufaktur in Satrup im Kreis Schleswig-Flensburg. Das Familienunternehmen produziert seit 1959 Einkaufsroller und ist damit in Deutschland und vielen europäischen Ländern Marktführer. "Mein Vater hat damals die ersten Shopper noch im Pferdestall hergestellt - wir waren der erste Hersteller in Deutschland", sagt Geschäftsführer Sven Andersen. Rund 200.000 Shopper verkaufe der Betrieb jährlich, der Exportanteil liegt laut Andersen bei 35 Prozent. Inzwischen sei die Stückzahl etwas rückläufig, dafür habe der Mittelständler durch neue Features und Techniken Wertigkeit und Umsatz steigern können. "Es gibt weltweit sicherlich kein anderes Unternehmen, das sich so intensiv mit diesem Produkt beschäftigt wie wir", so Andersen. Neben Funktionalität sei vor allem der Service entscheidend. Das Prädikat "Made in Germany" spiele bei Händlern durchaus eine große Rolle. Dass die sich wandelnde Altersstruktur in Deutschland dem Betrieb in die Karten spielt, sieht Andersen nicht so. "Wir werden eher vom Zuwachs der Städte profitieren, da dort Einkaufsmöglichkeiten leicht zu Fuß zu erreichen sind." Daher produziere die Manufaktur vermehrt Kupplungssysteme, mit deren Hilfe sich die Shopper an Fahrräder und E-Bikes hängen lassen. Laut Andersen ein Alleinstellungsmerkmal der Satruper. "E-Bikes sind eine vielversprechende Alternative zum Auto. Daher investieren wir derzeit stark in die Entwicklung und in Kooperationen."
Höchste Exportquote
Mitarbeiter der Fette Compacting GmbH bei der Herstellung einer Tablettenpresse
© LMT Group
Konsequent auf den Weltmarkt ausgerichtet hat sich der Maschinenbau. Mit der höchsten Exportquote, den zweitgrößten Umsatzzahlen nach der Ernährungswirtschaft und als Treiber von Innovationen und Forschung gilt der Maschinenbau als Leitbranche der Gesamtwirtschaft. Mit einer Exportquote von 91 Prozent übertrifft die Fette Compacting GmbH (LMT Group) die Branchenquote von 63,7 Prozent. Der weltweit führende Anbieter von integrierten Lösungen für die industrielle Tablettenherstellung produziert in Schwarzenbek im Kreis Herzogtum Lauenburg Tablettenpressen und Kapselfüllmaschinen. Weltweit werde in etwa jede zweite Tablette auf Pressen der Fette Compacting GmbH nach GMP-Anforderungen produziert, sagt Olaf J. Müller, Vorsitzender der Geschäftsführung der LMT Group. Ein Alleinstellungsmerkmal sei im Weltmarkt auch das Servicenetz: "Wir betreiben als einziger Hersteller ein globales Netzwerk mit fünf voll ausgerüsteten und digital vernetzten Competence Centern mit mehr als 100 Service- und Anwendungstechnikern". Eine zentrale Herausforderung im Export sei, die weltweit uneinheitlichen Regeln im Auge zu behalten: "Die Anforderungen an den Bedienerschutz basieren in aller Regel auf lokalen Normen. Hier orientieren sich viele asiatische Länder an europäischen Normen - die Staaten Nordamerikas hingegen fordern zum Teil Konstruktionen, die mit der in Europa angebotenen Technik komplett inkompatibel sind." Auch der hohe Forschungsgrad der Branche spiegelt sich bei Fette Compacting wider. So seien Investitionen in die Kompetenzen der Mitarbeiter ein wesentlicher Teil der Zukunftsstrategie. Inzwischen verfüge die Gruppe über drei Akademien weltweit. "Damit reagiert die LMT Group auf die wachsende Bedeutung wissensbasierter Dienstleistungen", sagt Müller.
Benjamin Tietjen
Veröffentlicht am 2. Januar 2018
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