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Prophet im eigenen Land?
In Schleswig-Holstein ist die Arzneimittelwirtschaft stark vertreten. Neben Weltmarktführern finden sich Betriebe in aussichtsreichen Nischen. Doch von Fachkräftemangel über Infrastruktur bis hin zu Förderungslücken: Manches Unternehmen fühlt sich wenig geschätzt - wie der sprichwörtliche Prophet im eigenen Land.
Diagnostika-Produktion bei der Firma medac in Wedel
© Medac Gesellschaft für klinische Spezialpräparate m.b.H.
Die Juta Pharma GmbH in Flensburg ist spezialisiert auf Generika, also patentfreie Arzneien. Das Brot-und- Butter-Produkt ist Juformin, ein Medikament zur Behandlung der nicht insulinpflichtigen Zuckerkrankheit. “Hier sind wir der drittgrößte Lieferant in Deutschland”, sagt Geschäftsführer Torben Jung Laursen. 40 Produkte umfasst das Portfolio, das in Kooperation mit der Muttergesellschaft USV India ständig wächst. “Der Kostendruck bei Generika ist hoch. Da benötigen wir sehr gute Produktions- und Logistikketten sowie eine intakte Infrastruktur, die wir in Schleswig-Holstein leider nicht immer vorfinden”, sagt Laursen. Was ihn noch umtreibt? “Für uns ist es wichtig, gut ausgebildete Mitarbeitende zu finden.” Gerade die Pharmaindustrie in Süddeutschland habe eine große Sogwirkung auf Apothekerinnen und Chemiker.
Mit mehr als 1.200 Mitarbeitenden in der Region sind Fachkräfte auch für die Medac Gesellschaft für klinische Spezialpräparate m.b.H. ein entscheidender Faktor. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Wedel entwickelt Arzneimittel und Medizinprodukte für die Diagnostik und Behandlung von Krebs- und Autoimmunerkrankungen. Die Cashcow ist der Wirkstoff Methotrexat. In den 1980er-Jahren erkannten Forschende, dass das Zytostatikum niedrig dosiert auch bei Rheuma hilft. “Europaweit dürfte fast jeder an Rheuma Erkrankte die Spritzen oder den Pen aus unserem Haus kennen”, sagt Sprecher Volker Bahr.
Für uns ist es wichtig, gut ausgebildete Mitarbeitende zu finden.
Ein Zukunftsbereich, in den Medac vorstoßen möchte, ist die Zelltherapie. Gerade in hochinnovativen Segmenten drohe der deutsche Mittelstand gegenüber internationalen Konzernen mit großen Forschungsetats ins Hintertreffen zu geraten. medac hat sowohl in Wedel als auch in Tornesch Erweiterungsbauten geplant. “Wir hoffen schon auf finanzielle Unterstützung Die Subventionsbereitschaft des Landes gegenüber anderen Branchen mit weit geringeren Wachstumschancen ist durchaus größer”, merkt Bahr an.
Wirkstoff aus Algen
Patrick Günther, Geschäftsführer der Ocean Pharma GmbH in Reinbek, sieht ebenfalls “strukturelle Probleme”. Das Unternehmen gewinnt den Wirkstoff Spiralin auf Grundlage der Mikroalge Spirulina platensis und macht sich die Abwehreigenschaften gegen natürliche Feinde wie Bakterien, Pilze und Viren zunutze. “Spiralin hat viele positive Effekte auf die Zellregeneration und die Stabilisierung der natürlichen Hautbarriere“, so Günther. Mit der Marke Spirularin vertreibt Ocean Pharma Produkte zum Schutz von Lippen, Haut und Nägeln, mit der Marke skinicer Pflege für unreine Haut, Akne und Neurodermitis. “Wir haben in wissenschaftlichen Studien Evidenz erhalten“, sagt Co-Geschäftsführer Jörg Keime.
Im renommierten Journal of Allergy and Clinical Immunology habe ein Artikel über Lippenherpes gezeigt, dass die antiviralen und antibakteriellen Eigenschaften von Spiralin sogar stärker vor einer Reinfektion schützten als der bisherige Goldstandard, das Virostatikum Aciclovir. Noch vertreibt Ocean Pharma die Produkte “nur” als Kosmetika. Die langfristige Vision ist die Zulassung des Mikroalgenextrakts als Arzneimittelwirkstoff. “Da sprechen wir von einem ganz anderen Marktvolumen und Erstattungsfähigkeit durch die Krankenkassen“, sagt Günther.
Autor: Karsten von Borstel
Veröffentlicht: Mai 2021
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