6 min
Lesezeit
Visionen werden Realität
Am Anfang steht eine gute Idee. Spätestens aber wenn ein neues Projekt oder Produkt auf dem Papier Form annimmt, stellt sich für viele Unternehmen die entscheidende Frage: Wie finanziere ich mein Vorhaben? Drei Unternehmen stellen sich vor, die mithilfe einer Förderung etwas Großes auf die Beine stellen. Und so eine Unternehmensübergabe, eine neue Betriebsstätte und Hightech-Innovationen smart finanziert haben.
Wenn hin und wieder ein schwerer Tieflader auf das Firmengrundstück einbiegt, ist das für das Team der von Elling GmbH immer noch ein besonderes Erlebnis. Auf eine Größe von bis zu fünf Meter im Durchmesser kommen die Norm- und Spezialdichtungen des Reinfelder Unternehmens - wenngleich die meisten Dichtungen deutlich kleiner sind und nicht mit schwerem Gerät abgeholt werden. Michael Seebach und Florian Mess führen seit 2019 den 1893 gegründeten Traditionsbetrieb. Übernommen haben sie ihn von Michael Seebachs Mutter, Sybille Seebach, die die Verantwortung aus Altersgründen abgeben wollte. Lange überlegen mussten sie nicht: “Wir haben das operative Geschäft bereits zehn Jahre lang gemeinsam geführt, daher war es für uns eine relativ leichte Entscheidung“, sagt Michael Seebach und ergänzt: “Die Geschäftsführung auf zwei Partner zu verteilen, gibt uns mehr Luft im Tagesgeschäft und mehr Sicherheit - natürlich auch beim Stemmen der Übernahmefinanzierung.“
Michael Seebach und Florian Mess (rechts) von der von Elling GmbH
© Foto © 54°/Felix Koenig
Doppelt überzeugt
Auch für Kay Kruse und Dirk Dohmann war 2019 ein wegweisendes Jahr. Das Duo leitet seit 2005 die MPF Medicalprodukte Vertrieb Flensburg GmbH. Das Unternehmen organisiert die Patientenversorgung in Pflegeheimen und in der Hauslichkeit, das Entlassmanagement in Krankenhäusern sowie den Wechsel urologischer Katheter. “Wir bieten hochwertige Medizinprodukte wie Katheter und Drainagesysteme an und schulen gleichzeitig das medizinische Personal, diese fachgerecht anzuwenden“, sagt Kay Kruse. “Der Fachkräftemangel und eine wachsende Arbeitsbelastung sind starke Indikatoren für eine immer schwieriger zu stemmende Versorgung der Patienten“, so Dohmann. Unter der Firmierung ihres Schwesterunternehmens GHC German Health Care GmbH in Wees vertreiben die Geschäftsführer zudem eigene Produkte der ableitenden Inkontinenz - und entwickeln mit Kunden neue Produkte und Versorgungslosungen. “Wir haben uns dann bald die Frage gestellt, wie der Gesundheitsmarkt der Zukunft aussieht, und ein Projekt ins Leben gerufen, das zur Digitalisierung des Gesundheitswesens beitragen soll“, sagt Kruse.
Kay Kruse und Dirk Dohmann (rechts) von MPF
© René Koch
Unter dem Arbeitstitel “Digitalisierung Gesundheitsmarkt 4.0 MPF“ wollen die beiden Geschäftsführer die Kommunikation und Vernetzung von Ärzten und Patienten, aber auch von Pflegeheimen und Krankenkassen besser darstellen - rein digital und datensicher. Mit der frischen Idee musste eine Forderung her. Nach kurzer Recherche stießen die beiden auf ein Angebot der Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig- Holstein GmbH (WTSH). “Wir sind mit unserem Antrag gleich auf offene Ohren gestoßen und konnten die WTSH von unserem innovativen Digitalprojekt überzeugen“, so Kruse. So fordert das WTSH-Programm “Betriebliche Prozess- und Organisationsinnovationen“ bei der MPF die Entwicklung der neuen Software und der geplanten Prozesse. Im Zuge der Neuaufstellung kam dann auch der Bedarf an einer modernen Betriebsstätte auf. Bereits seit einem Jahr baut MPF einen Gebäudekomplex für 1.100 Palettenplätze und Büroraume für 30 Mitarbeiter in Wees - direkt neben dem bestehenden GHC-Gebäude. „Wir können in dem Neubau gezielt Innovationen umsetzen. Mit einer Scanstraße für Rezepte modernisieren wir beispielsweise künftig unseren Abrechnungsworkflow“, erklärt Dohmann. Über die Wirtschaftsförderungs und Regionalentwicklungsgesellschaft Flensburg/Schleswig mbH (WiREG) sei das Unternehmen dann auf eine passgenaue Forderung der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) aufmerksam gemacht worden. Mit einem Zuschuss aus dem “Landesprogramm Wirtschaft - Einzelbetriebliche Investitionsforderung“ fordert die IB.SH nun den Bau der neuen MPF-Betriebsstatte.
Stärkung des Standorts
Von links: Torsten Johnson, Christian Hellwege, Marco Schleutker, Nils Borgmann, Faisal Ahmed und Raza Abbas von Alzner Battery
© Alzner Battery
Gerade für die Lebensmittelindustrie sind Stromausfalle ein bedrohliches und teures Szenario, da die Lebensmittel im Zweifel entsorgt und die Produktionsstraße aufwendig gereinigt werden muss. Abhilfe konnten schon bald die Produkte der Alzner Battery in Itzehoe schaffen. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, Hochleistungsbatterien für den stationären industriellen Bereich zu entwickeln. Das ist eine echte Nische, denn es gibt auf dem Markt bisher nur ganz wenige Leistungsbatterien für große Anforderungen im Megawatt-Bereich“, sagt Torsten Johnson, Technical Director Battery Systems. Die Hochleistungsbatterien made in Itzehoe konnten dann Kurzunterbrechungen - etwa bei Gewitter - abpuffern. Neben der Überbrückung von Netzausfallen und Spannungsschwankungen können die Batterien laut Johnson auch in vielen weiteren Szenarien zum Einsatz kommen. So konnten Unternehmen vom sogenannten Peak Shaving profitieren, indem die Batterien Lastspitzen (Peaks) in den Netzen kappen und die Leistung verstetigen. Derzeit sei man noch in der Zertifizierungsphase, die Batterien sollen Mitte 2022 in die Serienproduktion gehen. Johnson setzt dabei bewusst auf den Standort Itzehoe. Alzner Battery ist eine im Jahr 2020 gegründete Niederlassung der Alzner Automotive GmbH in Baden-Württemberg.
“Ich fühle mich in Norddeutschland stark verwurzelt und mochte die Produktion hier aufbauen“, sagt der Diplom-Ingenieur, der seine Karriere unter anderem bei Airbus und Vestas startete. Überzeugen konnte Itzehoe beim Stammwerk in Suddeutschland nicht zuletzt auch dank regionaler Fördermittel. “Über die WTSH haben wir einen Kontakt zur IB.SH erhalten und konnten dort erfolgreich eine Förderung beantragen“, sagt er. Durch die “Einzelbetriebliche Investitionsforderung“ der IB.SH bekam Johnson finanzielle Unterstützung für Investitionen - etwa für einen leistungsstarken Stromanschluss und eine Laborausstattung. Die Förderung stärke somit auch den Standort Itzehoe. “Wir sind im Innovationszentrum Itzehoe untergebracht und hier in sehr guter Gesellschaft des Fraunhofer-Instituts für Siliziumtechnologie ISIT und vieler innovativer Firmen und Start-ups - wir profitieren sehr stark vom Know-how des Standorts.“
Benjamin Tietjen
Veröffentlicht am 29. Oktober 2021
Kontakt
Benjamin Tietjen