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Die Krise als Chance
Bedeutet eine Insolvenz das Ende einer Firma? Weit gefehlt, sagt Nicolas F. Grimm, Insolvenzverwalter und Partner in der Wirtschaftskanzlei Ehler, Ermer & Partner, im Gespräch mit der Wirtschaft.
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Wirtschaft: Herr Grimm, was ist die Grundlage für einen erfolgreichen Neustart in der Insolvenzphase?
Nicolas F. Grimm: Häufig wird der Insolvenzantrag als letzter Schritt gesehen, wenn der Betrieb nicht mehr zu retten ist. Ich versuche, den Geschäftsführern von Unternehmen in der Krise zu vermitteln, dass ein solcher Antrag auch eine Chance für die Firma sein kann, aus der Krise herauszukommen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen ist aber, dass der Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt wird. Wenn das Vertrauen der Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter bereits zerstört ist, hilft ein Insolvenzantrag nur noch bedingt weiter. Viele Geschäftsführer wissen nicht, was für Chancen - zum Beispiel über einen Insolvenzplan oder eine Eigenverwaltung - das Insolvenzrecht bietet. In der Regel gilt: Je eher sich die Geschäftsleitung beraten lässt und je eher der Insolvenzantrag gestellt wird, desto höher sind die Sanierungschancen.
Wirtschaft: Was sind praktische Schritte auf dem Sanierungsweg?
Grimm: Das Insolvenzgeld ist ein wichtiger Faktor. Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt in den meisten Fällen für maximal ein Vierteljahr die Lohnkosten. Das Unternehmen kann durch den Wegfall der Lohnkosten während des vorläufigen Insolvenzverfahrens viel Liquidität ansammeln, wodurch die Umsetzung der notwendigen Sanierungsschritte häufig möglich wird.
Nicolas F. Grimm
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Wirtschaft: Welche Optionen öffnen sich durch ein Insolvenzverfahren?
Grimm: Nach dem Abschluss des vorläufigen Insolvenzverfahrens erfolgt bei einem großen Teil der Fälle eine sogenannte übertragende Sanierung, bei der ein neues Unternehmen gegründet wird, das das Anlagevermögen der bisherigen Firma kauft und die Mitarbeiter übernimmt. So können bei der alten Firma Gläubiger bedient werden und der neue Betrieb kann die Geschäfte in der Zukunft führen. Die Alternative ist ein Insolvenzplan. Als Insolvenzverwalter stelle ich im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens ein Sanierungskonzept vor, in dem die Gläubiger auf einen großen Teil ihrer Forderungen verzichten müssen. So wird die Zinsund Tilgungslast der Firma deutlich reduziert und das Unternehmen kann weiter am Markt agieren. Viele Unternehmer sind erstaunt, dass Gläubiger so einen Schuldenschnitt hinnehmen müssen. Die Insolvenzordnung sieht entsprechende Zwangsmittel aber vor. Zudem können in einem Insolvenzverfahren viele wirtschaftlich negative Verträge kurzfristig aufgelöst werden. Hierdurch kann die Sanierung effektiv durchgeführt werden.
Wirtschaft: Wie können Unternehmen die Schieflage rechtzeitig beheben?
Grimm: Unternehmer sollten generell immer hinterfragen, ob ihr Geschäftsmodell noch mit dem aktuellen Markt vereinbar ist. Falls nicht, müssen Maßnahmen ergriffen werden und Umstrukturierungen erfolgen. Abwanderungen von Mitarbeitern, Verluste von Aufträgen und Probleme bei Finanzierungen stellen bereits Notsignale dar. Darüber hinaus spielt in Krisensituationen die Liquiditätslage eine entscheidende Rolle. Eine vernünftige Liquiditätsplanung ist daher unverzichtbar. Entscheidend ist zudem die Kommunikation mit Auftraggebern, Lieferanten und Mitarbeitern. Häufig besteht Verständnis, wenn die Gründe für die wirtschaftliche Schieflage erklärt werden. Zudem ist die frühzeitige externe Beratung der Geschäftsführung enorm wichtig. Die Insolvenzordnung erlaubt sogar, ein Gespräch in allgemeiner Form mit dem potenziellen künftigen Insolvenzverwalter zu führen. So können sich der Geschäftsführer und der potenzielle Insolvenzverwalter kennenlernen und erfahren, ob sie miteinander auskommen.
Interview: Daniel Kappmeyer
Veröffentlicht am 5. Oktober 2016
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Benjamin Tietjen