SH: Zahlvorgang

Bye Bye Bargeld?

Zahlen ohne Bargeld steht hoch im Kurs, setzt sich in Deutschland aber nur langsam durch. Dabei wollen zwei Drittel der Deutschen lieber ohne klingende Münze einkaufen. Handel und Techfirmen engagieren sich, um bargeldlose Alternativen anzubieten.
Mehr als eine Billion US-Dollar Umsatz generieren Technologien wie digitale Kreditkarten und Bezahl-Apps. Das belegt eine Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting. Der wachsende Online-Handel und kontaktlose Kartenzahlung setzen klassische Zahlvorgänge unter Druck. Auch die App Koala der Elmshorner Unternehmer Christoph Schönfelder und David Scharfschwerdt wirft die Frage auf, wie zeitgemäß Bares noch ist. Kekse aus dem Regal, Barcode scannen, in die Tasche, in der App zahlen und fertig: Wer mit der Koala-App einkauft, vermeidet Warteschlangen und Interaktionen. ”Manuell und redundant legen wir Artikel aus dem Wagen auf das Band und wieder in den Wagen oder in die Einkaufstüte”, erklärt Schönfelder. “Dann kramt man nach Geld. Und wenn man an der Reihe ist, drängelt schon der Nächste.” Der oft als negativ empfundene Einkaufsvorgang werde mit Koala schnell und bequem.
Die Idee des kassenlosen Zahlens testeten die Gründer 2019 in Pinneberger Lebensmittelfilialen. Heute bieten vier Händler das Koala-Zahlen an, mehr als 10.000 Downloads verzeichnet die App. Koala finanziert sich über eine Lizenzgebühr und eine Provision bei jedem Kauf, die unter einem Prozent liegt. Als Serviceprodukt könne die App helfen, Neukunden zu gewinnen, sagt Schönfelder. “Aus den Märkten hören wir, dass Verbraucher extra in Hamburg oder Pinneberg einkaufen. Der Kunde weiß, dass er mit Koala an der Kasse nicht anstehen muss.” Auch jenseits des Lebensmittelhandels weckt das Aufmerksamkeit: Tchibo, Ölkonzerne und Baumarktketten haben Interesse bekundet.
“Um keine Kunden auszuschließen, wird das Bargeld in den nächsten zehn Jahren aber nicht abgeschafft”, ist sich Schönfelder sicher. “Daher kann man den Koala-Einkauf auch bar an der Kasse zahlen. Trotzdem ist das bargeldlose Zahlen das Zukunftsprodukt.” Koala will künftig handelsunabhängige, einheitliche Informationen und Customer Journeys an mehreren Akzeptanzstellen anbieten. “Wir laden Kunden und Händler zum Mitmachen ein.”
Vorreiter Skandinavien
In der Modeboutique Not Naked in Elmshorn setzen auch Anke Brunßen und Lisbeth Andersen auf das bargeldlose Zahlen. Heute - und gerade in einer Pandemie - sei es angenehm, dass weniger mit Bargeld hantiert werde, sind sich die Händlerinnen einig. “Es ist gut, dass die Banken das Auflegen von Karten oder Uhren ermöglichen und die PIN-Eingabe erst bei höheren Beträgen erfolgt”, sagt Brunßen. Auch den täglichen Kassensturz erleichtere das bargeldlose Zahlen: “Der Tagesabschluss direkt vom EC-Gerät ist angenehmer als ein händisches Zählprotokoll mit allen Barzahlungen.”
Andersen ist Dänin, ihr gefällt die skandinavische Einstellung: “In Dänemark ist es selbstverständlich, mit Smartphone oder Smartwatch sogar Brötchen beim Bäcker zu bezahlen.” Brunßen stimmt zu: „Ich lege gern mein Handy zum Zahlen auf, leider funktioniert das noch in zu wenigen Geschäften. Ich würde mir sogar einen Zahlchip implantieren lassen - warum nicht?“ Im internationalen Vergleich liegt Deutschland allerdings laut Boston Consulting mit 211 bargeldlosen Transaktionen pro Kopf im Jahr nur auf Platz 15. Dänemark rangiert mit 509 Transaktionen auf Platz drei - hinter Schweden und Norwegen. Brunßen und Andersen denken, dass das Bargeld bald überflüssig werden könnte. “Centmünzen an der Kasse rauszusuchen hält mich und andere auf. Bei den Cents wird es anfangen”, ist Brunßen überzeugt.
Autorin: Julia Romanowski
Veröffentlicht: September 2020