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Blick in die Glaskugel?
Viele Nachfolgen scheitern wegen extrem unterschiedlicher Vorstellungen in Bezug auf den Kaufpreis. Laut DIHK sind bei einem Drittel aller Fälle die Preisvorstellungen der Verkäufer schlicht zu hoch. Wobei auch die Binsenweisheit, dass ein Betrieb so viel wert ist, wie ein Käufer zu zahlen bereit ist, sich hinterher als falsch herausstellen kann.
© iStock.com/Robert Daly
Je nach Branche, Größe oder Unternehmensform bieten sich unterschiedliche Methoden an, um den Unternehmenswert zu ermitteln. Beim einen gibt der Gewinn den Ausschlag, beim anderen die teuren Maschinen. Dabei gilt: Der ermittelte Wert ist immer nur eine Orientierungsgröße. Den tatsächlichen Kaufpreis regeln dann Angebot und Nachfrage. Zunehmend haben sich in der Praxis die Ermittlung der nachhaltig erzielbaren Erträge nach dem Ertragswertverfahren sowie die Berechnung der realisierbaren Cashflows nach der Discounted- Cashflow(DCF)-Methode durchgesetzt. Der Wert des Unternehmens wird bei diesen Verfahren daran bemessen, was ein Käufer in Zukunft mit dem Unternehmen verdienen kann. Erträge und Zahlungsströme der letzten und die geschätzten Erträge/Zahlungsströme der kommenden Jahre werden mit einem Kapitalisierungszinssatz abgezinst, der sich aus dem Zins einer risikolosen Anlage und einer Prämie für das unternehmerische Risiko zusammensetzt.
Problematisch ist dabei allerdings die Prognose des künftigen Erfolgs. Auch der Kapitalisierungszinsfuß lässt sich nicht objektiv berechnen. Anders als bei Großunternehmen scheidet bei kleinen und mittleren Betrieben die Anwendung standardisierter kapitalmarktbezogener Risikoprämien aus. Die Unternehmen müssen in jedem Fall betriebsindividuell beurteilt werden. Typische Risikofaktoren kommen aus den Bereichen Produkt- und Leistungsangebot, Markt und Branche, Beziehungen, Mitarbeiter und Organisation. Eine plausible Wertermittlung kann nicht durch allgemeine Durchschnittsmultiplikatoren erfolgen. Eine transparente und plausible Ermittlung des Unternehmenswertes setzt die Analyse des Unternehmens voraus. Der Betrieb muss hinsichtlich seiner Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken beleuchtet werden. Diese detaillierte Analyse umfasst Produkte, Markt, Kunden- und Lieferantenstruktur, Organisation, Management sowie die Beurteilung bisheriger Notfall- und Nachfolgeregelungen wie auch die Analyse der Unternehmenszahlen.
Emotionaler Discount
Für eine Aussage zur Finanzierbarkeit ist eine Unternehmensbewertung allein nicht ausreichend. Das Ertragswertverfahren geht davon aus, dass ein Erwerber die Entscheidung über eine Anlage trifft, die er mit Eigenmitteln finanziert. Entsprechend wird ein (risikoadäquater Eigenkapital-) Zins berücksichtigt, nicht aber die für einen Kapitaldienst ebenfalls erforderlichen Tilgungen und Aufwendungen. In der Realität werden Unternehmensverkäufe meist in hohem Umfang fremdfinanziert. Aus den Ertragsplanungen für die nächsten Jahre müssen daher die ausschüttbaren Erträge errechnet und dem Kapitaldienst des Übernehmers gegenübergestellt werden. Die private und steuerliche Situation eines Übernehmers muss berücksichtigt werden, um den künftigen privaten Kapitaldienst zu ermitteln. Für die Ermittlung des Kapitaldienstes werden verschiedene Annahmen über Finanzierungsstruktur, Zinssätze und Tilgungszeitpunkte getroffen.
Als Grundlage werden häufig Eckdaten einer öffentlichen Förderung durch die KfW-Mittelstandsbank verwendet. Kann der Nachfolger den Kapitaldienst für die Kaufpreisfinanzierung nicht innerhalb eines vertretbaren Zeitraums aus den ausschüttbaren Erträgen bestreiten, dann ist der Preis und damit der angesetzte Unternehmenswert nicht realistisch. Oft sind Verkäufer jedoch auch bereit, für den richtigen Nachfolger einen Abschlag hinzunehmen. Dieser emotionale Discount wird etwa beeinflusst durch die persönliche Nähe zum Übernehmer, aber auch durch den Wunsch, den Mitarbeitern des Betriebs den Arbeitsplatz zu sichern oder den Namen des Unternehmens zu erhalten.
Professor Dr. Birgit Felden
Veröffentlicht am 4. Juli 2017
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