Heiligenstedten: Holzbau 2.0

Kollege Roboter macht’s möglich

Im idyllischen Heiligenstedten vor den Toren Hamburgs hat die Zukunft der Holzbearbeitung für den Bau begonnen.
Irgendwann vor fünf Jahren reichte es Dirk Haupthoff. Täglich hatte der Geschäftsführer der Holz- und Baustoffhandlung in Heiligenstedten (Kreis Steinburg) bis dahin die Arbeit im Bereich der Holzlagerung seines Unternehmens minutiös organisiert. Personal-, zeit- und kostenintensive Handarbeit war das – auch für seine Mitarbeiter. „Wie beschleunigen wir diesen Prozess?“, fragte sich der mittelständische Unternehmer. Und so war die Idee zum Bau eines vollautomatisch betriebenen Holzlagers geboren.
Doch dabei sollte es nicht bleiben. Noch im Verlauf der Planungen zum Lagerumbau für die Zukunft wuchs die Idee zu einem weitaus komplexeren Projekt heran: Auch die Schritte nach der Holzanlieferung, beispielsweise die Bearbeitung des Werkstoffs, die Paketierung und Kommissionierung, nahmen Haupthoff und sein Team kritisch unter die Lupe. Und das nicht zuletzt, weil sich auch damals bereits ein wachsender Personalmangel im Handwerk abzeichnete; mittlerweile fehlen bundesweit 250.000 Fachkräfte, aktuell bleiben mehr als 20.000 Ausbildungsplätze unbesetzt.

Was als kreative Eingebung eines Mittelständlers in der idyllischen 1.600-Einwohner-Gemeinde begann, ist längst zu einem perfekt funktionierenden Modell geworden. Aus analoger Arbeit ist der Aufbruch gelungen in die Digitalisierung des Unternehmens. Im vergangenen Jahr gründete Dirk Haupthoff zusammen mit seiner Tochter Anne die WOODEX. Die beiden sind echte Macher, die für die Holzbearbeitung buchstäblich brennen und mutig neue Wege beschritten haben.
Nach Jahren harter wie beharrlicher Arbeit und einem mit ausgeklügelter Software und Robotertechnik bis ins Detail geplanten Produktionsprozess, gehört WOODEX bundesweit zu den führenden Unternehmen in der Automatisierung der Holzbearbeitung. Selbstbewusst zieht Anne Haupthoff denn auch eine Bilanz und spricht von einer „neuen Ära der Holzbearbeitung“: „Wir können alles, vom Dachstuhl über Carports bis zu aufwendigen Verzierungen aus Holz oder, wenn’s sein muss, einem Spielzeug-LKW.“ Der Kollege Roboter macht‘s möglich.

Kern der Philosophie von WOODEX ist es aber, den Weg frei zu machen für ein schnelleres und nachhaltigeres Bauen. Und schnell sind die superpräzisen Maschinen. Rohholz, das traditionell von einem Meister und einem Gesellen an zwei Tagen abgebunden wird, ist dank ausgeklügelter IT nun binnen drei Stunden versandfertig.
Mehr noch: Pakete mit Bauteilen, die einst – nicht selten chaotisch per Hand zusammengewürfelt – am Bau vor Ort erst auseinandergeflöht und danach wie Puzzleteile mühsam wieder zusammengesetzt werden mussten, hat der Roboter sorgsam vorsortiert, beschriftet und mit Montageplänen hinterlegt. „Die Bearbeitung wird damit fast zum Kinderspiel. Das freut die Zimmerleute, spart auf dem Bau personalintensive Sortierungen und so unterm Strich Geld“, sagt Vater Haupthoff, der sicher ist: „Das Handwerk kann damit nur gewinnen.“
Die Produktion selbst ist nachhaltig, effizient und rund um die Uhr an sieben Tagen der Woche möglich. Per Knopfdruck werden Rohhölzer durch vollständig automatisierte Maschinen aus dem Holzlager zur Bearbeitung transportiert. Bis zum Jahresende sollen alle fünf Produktionslinien in Betrieb genommen werden. Pro Minute kann eine Beschickung der Maschine – je nach Typ – mit sechs Rohhölzern erfolgen. Die Maschinenführer sitzen in einem lichten Büro über der 5.000 Quadratmeter großen Fertigungshalle. Dort verlieren sich nicht einmal eine Handvoll Mitarbeiter. Bis ins letzte Detail sind die Abläufe durchdacht. Selbst Sägeabfälle werden gesammelt und unter anderem zur Energieerzeugung verwendet. Sogar bei der Verringerung des Materialverbrauchs kann WOODEX mit der implementierten Software punkten. Bleiben bei Produktion von Werkstücken etwa Reste übrig, integriert der Computer diese in zukünftige Produktionsaufträge. So bleibt am Ende kaum mehr Restholz übrig.
Warum es WOODEX sonst noch braucht? Bis 2027 fehlten bundesweit voraussichtlich bis zu 830.000 Wohnungen, zitiert Dirk Haupthoff Rechnungen aus dem Wohnungsbau. Holz sei zudem ein natürlicher, nachwachsender und energieneutraler Rohstoff, der auch einen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele in der Europäischen Union leisten könne, ist Anne Haupthoff überzeugt. Bis 2030 sollen danach die CO2-Eimissionen in der Union um 55 Prozent gesenkt werden.
Bis dahin will das innovative Unternehmen aus Heiligenstedten mit seinen Produkten auf dem nationalen und europäischen Markt durchstarten. Und das kreative Tandem in der Geschäftsführung ist sicher, nach fünf Jahren harter Arbeit, in der schleswig-holsteinischen Provinz die Poleposition bei der Automatisierung der Holzbearbeitung erreicht zu haben. „So weit wie WOODEX hat es auf diesem Gebiet noch keiner geschafft.“
Autor : Peter Höver