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Wie menschlich ist künstlich?
Dass der Mensch der beste Computer sei, sagte schon John F. Kennedy. Gilt das noch? Oder ist es heute gar umgekehrt? Ein Blick in die Welt intelligenter Systeme, die manchmal Kredite verwehren, bei der Pflege helfen und in einer eigenen Sprache sprechen: Daten.
Roboter Pepper in einer Pflegeeinrichtung
© Fachhochschule Kiel
Stellen Sie sich vor: Nicht Ihre Soft Skills oder Ihre Persönlichkeit entscheiden darüber, ob Sie einen Job bekommen, Ihnen der Kredit zugestanden oder die Wohnung angeboten wird. Stattdessen analysiert eine künstliche Intelligenz Ihre Datenlage und vergleicht diese mit Daten etwa von Mitbewerbern. Ein intelligentes System kann leider nicht reflektieren, nicht moralisch oder emotional entscheiden. Es beruft sich auf Muster und Strukturen. Die Datenbasis lehrt dann etwa, dass in einen Vorstand mehr Männer als Frauen gehören oder dass Männer durchschnittlich mehr verdienen und daher kreditwürdiger sind. “Das ist hochkritisch”, sagt Professor Dr. Jens Lüssem vom Institut für Angewandte Informatik der Fachhochschule Kiel. “Besonders bei sozialen Entscheidungen, beim Surfen im Netz, bei der Preisgestaltung von Produkten. Die KI filtert, was wir sehen sollen.” Kann eine KI also fair sein?
“Man darf sich nicht nur auf die Theorie verlassen”, betont Lüssem. “Unser Projekt haben wir daher auch beim Deutschen Ethikrat reflektiert, da kaum praktische Erfahrungen vorliegen.” Seit drei Jahren ist der humanoide Roboter Pepper in Pflegeeinrichtungen unterwegs, vor allem in der Wohngemeinschaft Demenzerkrankter der Pflege Diakonie Station Gustav-Schatz-Hof in Kiel. Pepper unterstützt bei Bewegung, spielt Musik, trainiert das Gedächtnis. Pflegekräfte werden entlastet. Eine Frage stehe dabei im Raum: “Wie ethisch vertretbar ist es denn, wenn ein kranker Mensch mit einem Roboter interagiert?” Ethiker beurteilen dies als problematisch, da etwa Demenzkranke nicht zwischen Mensch und Roboter unterscheiden könnten. „Aber es mangelt an Alternativen“, so Lüssem. “Mehr Pflegekräfte - klar. Doch das Beschreiten auch dieses Weges ist nicht unproblematisch.”
Fehlende Kontrollinstanz
Der Schlüssel: Partizipation. “Mit einer intelligenten Maschine muss man so vorgehen, dass man die Fähigkeiten mit den Pflegekräften und - bestenfalls - den Angehörigen abstimmt.” Ethisch nicht vertretbar sei hingegen, Kontakte von Mensch zu Mensch aufzulösen und die Kontrolle vollständig abzugeben wie beim autonomen Fahren.
Auch der Pflegeroboter ist nicht diskriminierungsfrei: “Die Gesichtserkennung der Standardsoftware wurde überwiegend mit weißen Gesichtern trainiert und hat Probleme, Personen dunkler Hautfarbe zu erkennen. Auch erkennt der Roboter Männer leichter als Frauen”, sagt Lüssem. “Ein intelligentes System kann nur wiedergeben, was es vorher gelernt hat.” Wen sollte man in die Verantwortung nehmen? Eine Kontrollinstanz wie einen KI-TÜV gibt es in Deutschland noch nicht. Sinnvoll wäre das, so der Experte: “Ein TÜV könnte ethische Fragestellungen im Vorfeld absichern. In Japan ist man hier bereits weiter und konkretisiert derartige Vorstellungen. Doch dort ist auch deutlich mehr KI im Einsatz.”
Autorin: Julia Romanowski
Veröffentlicht: September 2020
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