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"Breitbandpolitik ist Wirtschaftspolitik!"
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Wirtschaft: Wie ist der Stand des Breitbandausbaus? Ist schon Licht am Ende des Tunnels zu sehen?
Ralph Müller-Beck: Eine Grundversorgung mit einem Megabit pro Sekunde (Mbit/s) ist in Schleswig-Holstein nahezu flächendeckend gewährleistet. Aber über solche Bandbreiten brauchen wir heute gar nicht mehr zu reden. Spannender ist die Versorgung mit 50 Mbit/s, über die in Schleswig-Holstein bereits 61,7 Prozent der Haushalte verfügen. Der Bundesdurchschnitt unter Einbeziehung der Stadtstaaten und der bevölkerungsstarken Länder liegt bei 58,4 Prozent. Mit unserer Breitbandstrategie verfolgen wir das Ziel einer flächendeckenden Versorgung mit Glasfasernetzen bis 2030. Dies ist ehrgeizig, aber wir halten es im Interesse der Zukunftsfähigkeit unseres Landes für erforderlich.
Es gibt bereits viele erfolgreiche Glasfaserprojekte bis in die Haushalte, die vor allem von Stadtwerken, Energieunternehmen, Breitbandnetzgesellschaften und kommunalen Breitbandzweckverbänden realisiert werden. Natürlich ist es noch ein langer Weg bis zur Flächendeckung. So lange brauchen wir auch leistungsfähige Übergangslösungen, die durch andere Technologien gewährleistet werden und die das Glasfaserkabel immer weiter ins Land treiben.
Wirtschaft: Also erste Lichtschimmer am Ende des Tunnels?
Müller-Beck: Ja, aber wir müssen alle Kräfte bündeln - Wirtschaft, Land, Kommunen und auch der Bund -, um diese Ziele zu erreichen. Vor allem den Bund brauchen wir als Unterstützer, weil ein kleines Land wie Schleswig-Holstein sonst überfordert wäre. Das Land selbst wird seine Breitbandinstrumente weiter ausbauen. So ist die Bereitstellung zusätzlicher Fördermittel von 15 Millionen Euro geplant, das Breitband-Kompetenzzentrum soll gestärkt werden und ein Zinssubventionierungsprogramm ist in Vorbereitung.
Zur PersonRalph Müller-Beck© Olaf Bathke
Ralph Müller-Beck, Jahrgang 1969, ist seit 2012 Staatssekretär im schleswig-holsteinischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie. Zuvor war der gelernte Verwaltungsangestellte seit 2005 geschäftsführender Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes in der Region KERN (Kiel, Eckernförde, Rendsburg, Neumünster, Plön).
Wirtschaft: Wie stellen Sie sicher, dass der Breitbandausbau auch in dünn besiedelten Räumen erfolgt?
Müller-Beck: Unsere Breitbandstrategie ist ganz klar auf Flächendeckung ausgerichtet, gerade um sicherzustellen, dass auch die Fläche versorgt wird und wir den Betrieben und den Menschen in diesen Regionen Perspektiven bieten.
Wirtschaft: Wie stellen Sie Wettbewerbsgleichheit zwischen privaten Anbietern und kommunalen Anbietern beziehungsweise kommunalen Unternehmen sicher?
Müller-Beck: Ich sehe hier keinen Widerspruch. Dort, wo private Anbieter tätig werden, wird und muss sich die öffentliche Hand zurückhalten. Dies wird durch die beihilferechtlichen Verfahren sichergestellt, wonach zunächst ein Interessenbekundungsverfahren erfolgen muss, mit dem abgefragt wird, ob es einen privaten Anbieter gibt, der ohne öffentliche Zuschüsse ausbauen will und dies auch garantiert. Ist das der Fall, gibt es keinen Raum für ein kommunales Tätigwerden. Bei den kommunalen Unternehmen gehen wir davon aus, dass sich diese marktwirtschaftlich, also wie andere Unternehmen auch, verhalten.
Wirtschaft: Betrachten Sie Glasfaser als die zukunftsträchtigste Breitbandtechnologie, die verlängerte Abschreibungsfristen rechtfertigt, oder sind andere Technologien ebenso leistungsfähig?
Müller-Beck: Alle Experten sind sich einig, dass Glasfaser die zukunftssicherste Breitbandtechnologie ist und dass wir langfristig flächendeckende Glasfaserlösungen brauchen, weil der Bandbreitenbedarf ständig steigt: Denken Sie an Telemedizin, Cloud-Computing oder hochauflösendes Fernsehen. Die Frage ist nur, wie wir einen flächendeckenden Glasfaserausbau finanzieren können, weil die Tiefbaukosten hoch sind, vor allem in den ländlichen Räumen, wo die Wirtschaftlichkeit zusätzlich durch eine geringe Bevölkerungsdichte beeinträchtigt wird.
Wirtschaft: Welche - auch finanzielle - Hilfe bietet der Bund dem Land Schleswig-Holstein zur Unterstützung von Projekten zum Breitbandausbau?
Müller-Beck: Der Bund hilft uns sicher an vielen Stellen, vor allem durch die Bereitstellung von Fördermitteln im Rahmen der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgaben, durch regulatorische Maßnahmen, durch die Unterstützung von Synergieeffekten zur Kostensenkung - etwa Infrastrukturatlas, Regelungen im Telekommunikationsgesetz zur Mitnutzung öffentlicher Infrastrukturen - oder durch die Bereitstellung von Funkfrequenzen. Auch der Koalitionsvertrag bekennt sich dankenswerterweise an vielen Stellen klar zur Notwendigkeit des Breitbandausbaus. Ich will aber auch nicht verschweigen, dass die Länder an einigen Stellen sehr unzufrieden mit dem Bund sind: Seit über zwei Jahren fordern Wirtschafts- und Ministerpräsidentenkonferenz vom Bund ein ausreichend dotiertes Förder- oder Finanzierungsprogramm für den Breitbandausbau, weil sonst die Breitbandziele des Bundes - 50 Mbit/s flächendeckend bis 2018 - nicht erreichbar sein werden: bislang Fehlanzeige.
Wirtschaft: Dafür gibt es doch jetzt Bundesminister Dobrindt.
Müller-Beck: Der neue Minister für digitale Infrastruktur kündigt an, das schnellste Internet der Welt in Deutschland zu realisieren. Bislang sind Mittel und Instrumente nicht benannt. Hinzu kommt, dass der Bund nur mit wenigen Unternehmen über den Breitbandausbau geredet hat, die Länder werden noch nicht ausreichend einbezogen. Das muss sich ändern. Stattdessen werden die Länder aufgefordert, der Bereitstellung der bisherigen Rundfunkfrequenzen für den Breitbandausbau zuzustimmen, ohne dass der Bund direkt mit den betroffenen Staatskanzleien spricht. Es ist dringend erforderlich, dass der Bund in einen konstruktiven Dialog mit den Ländern eintritt.
Wirtschaft: Halten Sie bei der Breitbandversorgung eine vorrangige Versorgung von Gewerbegebieten und Unternehmen für sinnvoll oder setzen Sie keine Prioritäten nach Nutzergruppen?
Müller-Beck: Die Maßnahmen zur Breitbandversorgung sollen selbstverständlich nicht nur der Bevölkerung zugutekommen, sondern auch den Unternehmen im Lande, weil Breitbandpolitik auch immer Wirtschaftspolitik ist. Fairerweise muss man allerdings sagen, dass Unternehmen sich im akuten Bedarfsfall auch über spezielle Unternehmensprodukte der Breitbandanbieter versorgen lassen können; das ist aber zugegebenermaßen teurer als eine Lösung von der Stange. Wir sind derzeit dabei zu prüfen, ob wir unser Unterstützungsinstrumentarium auch gezielt für Gewerbegebiete und vergleichbare gewerbliche Konzentrationen einsetzen können. Dies werden wir in Kürze auch mit den IHKs besprechen.
Interview: Michael Legband
Veröffentlicht am 12. Juni 2014
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Peter Weltersbach